Weitere Verzögerung - Ratifizierung des Lissabon-Vertrags erst nächstes Jahr
Premierminister Mirek Topolánek hat nach einem Treffen mit seinem finnischen Amtskollegen Matti Vanhanen am Montag eingestanden, dass Tschechien den EU-Reformvertrag von Lissabon nun vermutlich doch nicht mehr in diesem Jahr ratifizieren wird. Jitka Mládková hat darüber mit Patrick Gschwend gesprochen.
„Der Lissabon-Vertrag liegt noch beim tschechischen Verfassungsgericht. Einige Senatsabgeordnete der Bürgerdemokraten, der Partei von Premierminister Topolánek also, wollen ihn prüfen lassen. Sie glauben, dass der Vertrag gegen die Verfassung verstößt. Ratifizieren muss den Vertrag zwar das Abgeordnetenhaus, aber das muss jetzt erstmal warten, bis das Verfassungsgericht darüber verhandelt hat. Ursprünglich war dafür der 10. November vorgesehen. Auf Antrag von Staatspräsident Václav Klaus ist die Verhandlung aber nun auf den 25. November verschoben worden. Das bedeutet, dass die administrativen Fristen nun wohl nicht mehr eingehalten werden können, um den Lissabon-Vertrag noch vor Jahresende dem Abgeordnetenhaus vorzulegen und zu verabschieden.“
Warum hat Klaus denn die Verschiebung der Verhandlung überhaupt beantragt?„Er begründet das damit, dass er am 10. November, dem ursprünglich vorgesehenen Verhandlungstermin, auf Auslandsreise ist. Der eigentliche Grund dürfte aber woanders liegen. Klaus ist ja als scharfer EU-Kritiker bekannt, und er hat sich mehrfach deutlich gegen den Lissabon-Vertrag ausgesprochen. Sein Antrag, die Verhandlung zu verschieben, kann also als Versuch gewertet werden, der Regierung Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Denn eigene außenpolitische Kompetenzen hat der tschechische Präsident laut Verfassung nicht.“
Was bedeutet das denn nun für die tschechische EU-Ratspräsidentschaft? Die soll ja bereits am 1. Januar beginnen.
„Premier Topolánek hat sich sehr beeilt zu versichern, dass die erneute Verschiebung keine Komplikationen für den tschechischen EU-Vorsitz nach sich ziehen werde. Trotzdem ist das aber eine sehr unangenehme Situation für ihn. Denn eine von Topoláneks Aufgaben als EU-Ratspräsident wird es sein, mit Irland, das den Vertrag ja abgelehnt hat, über weitere Schritte zu verhandeln, damit der Lissabon-Vertrag doch noch in Kraft treten kann. Dass Tschechien den Vertrag selbst noch nicht ratifiziert hat, schmälert Topoláneks Verhandlungsposition natürlich erheblich. Hinzu kommt sein eigener Gesichtsverlust, weil er noch vor etwa zwei Wochen Angela Merkel versprochen hat – als die in Prag zu Besuch war – dass Tschechien den Vertrag bis Jahresende ratifizieren wird. Die Angelegenheit verstärkt daher nun noch einmal das Bild, das viele in der EU von Tschechien haben. Das ist nämlich das Bild eines Landes, das der EU ausgesprochen skeptisch gegenüber steht. Man muss allerdings dazu sagen, dass Tschechien nicht die einzige Bremse in der EU ist, was den Lissabon-Vertrag angeht. Auch in Deutschland wird das Verfassungsgericht erst im ersten Quartal 2009 über den Vertrag entscheiden, und auch Polen hat ihn noch nicht ratifiziert.“Was würde denn geschehen, wenn das tschechische Verfassungsgericht entscheidet, dass der Lissabon-Vertrag gegen die Verfassung verstößt?
„Für diesen Fall hat Topolánek angekündigt, eine Änderung der Verfassung anzustreben. Aber das würde natürlich noch einmal eine weitere Verzögerung mit sich bringen.“