Streit um die Abstimmung über den Radar- und den Lissabon-Vertrag

Hat eine mögliche, wenn auch nicht sehr wahrscheinliche, Ablehnung des Vertrags zur US-Radarbasis in Tschechien Einfluss auf die Ratifizierung des EU-Reformvertrags von Lissabon oder nicht? Darüber streiten seit mehr als einer Woche Regierung und Opposition.

Mirek Topolánek  (links) und Alexandr Vondra  (Foto: ČTK)
Vor knapp zwei Wochen haben die Außenminister der USA und Tschechiens, Condoleezza Rice und Karel Schwarzenberg, in Prag den Vertrag zur Stationierung des US-Raketenabwehr-Radars unterzeichnet. Bevor mit dem Bau der Anlage im mittelböhmischen Brdy begonnen werden kann, muss allerdings noch das Parlament zustimmen. Dies soll nach der Sommerpause im September geschehen. Etwa zur gleichen Zeit wird auch das Urteil des tschechischen Verfassungsgerichts zum EU-Reformvertrag von Lissabon erwartet. Kenner der politischen Szene sehen eine Verknüpfung der beiden Voten als wahrscheinlich an. Sollte das Votum zum Radar negativ ausfallen, würde im Gegenzug wohl auch der Lissabon-Vertrag im Parlament scheitern. Spätestens beim Votum im Oberhaus, wo die Bürgerdemokraten die Mehrheit der Senatoren stellen.

Premierminister Mirek Topolánek schloss vor rund einer Woche im Gespräch bei Radio Česko nicht aus, dass ein negatives Ergebnis in der Abstimmung über den Radar-Vertrag auch Auswirkungen auf die Ratifizierung des EU-Reformvertrags haben könnte:

„Ich kann mir sehr schwer vorstellen, dass die bürgerdemokratischen Abgeordneten beziehungsweise Senatoren für den Lissabon-Vertrag stimmen, sollte der Vertrag mit den USA über das Anti-Raketen-Radar im Parlament nicht durchkommen. Meiner Meinung nach ist es nicht unbedingt angebracht, diese beiden Fragen miteinander zu verbinden. Aber für die Abgeordneten, die ja bei der Abstimmung frei entscheiden können, mag das sicher ein Faktor sein, der bei der Entscheidung mitspielt.“

Es sieht so aus, als wolle die ODS als größte Regierungspartei den oppositionellen Sozialdemokraten die Zustimmung zum Radar-Vertrag in einer Art Deal schmackhaft machen: Stimmt ihr für „unseren“ Radar-Vertrag, unterstützen wir dafür für „euren“ Lissabon-Vertrag.

Gerade im Abgeordnetenhaus wäre die Unterstützung durch zumindest einige Abgeordnete der Opposition eine Art Sicherheitspolster. Dort verfügen die Regierungsparteien nämlich nur über eine hauchdünne Mehrheit. Außerdem gibt es auch in den eigenen Reihen Radar-Skeptiker, vor allem bei den Grünen. Die Sozialdemokraten wollen von derartigen politischen Deals aber nichts wissen. Der sozialdemokratische Abgeordnete und stellvertretende Präsident der Abgeordneten-Kammer Lubomír Zaorálek zeigte sich am Sonntag im Tschechischen Fernsehen empört:

„So ein Deal mit den beiden Verträgen? Das ist wirklich ein Skandal. Ich mache mir Sorgen um die Tschechische Republik. Da geht es um die Glaubwürdigkeit beim Abschluss von Vereinbarungen in der Zukunft. Der Lissabon-Vertrag ist doch kein Geschenk für die Sozialdemokraten. Über den EU-Reformvertrag hat diese Koalition verhandelt. Der Premier hat ihn unterzeichnet und er hat die Pflicht, ihn jetzt ratifizieren zu lassen.“

Vor den Abstimmungen im September bleibt aber zuallererst einmal das Verfassungsgerichts-Urteil zum Lissabon-Vertrag abzuwarten. Denn fällt es negativ aus, ist dem Abstimmungs-Deal ohnehin die Grundlage entzogen.