Regierungskoalition verliert Parlamentsmehrheit – Misstrauensvotum droht

Premierminister Mirek Topolánek (Foto: ČTK)

Der tschechische Premierminister Mirek Topolánek ist derzeit auf einem Staatsbesuch in der Ukraine. Dort bekräftigte er das Interesse der EU an einer stabilen Ukraine. In seiner eigenen Regierungskoalition aber setzt sich während seiner Abwesenheit der Destabilisierungsprozess fort. Denn die Affäre um den ODS-Abgeordneten Vlastmil Tlustý nimmt kein Ende. Wir haben darüber mehrfach berichtet. Patrick Gschwend berichtet über die jüngste Entwicklung in der Regierungskrise.

 Juraj Raninec  (Foto: ČTK)
Am Montag trat der Abgeordnete Juraj Raninec aus der ODS-Fraktion aus. Am Dienstag folgte ihm sein Parteikollege Jan Schwippel. Beide protestieren damit gegen den Umgang ihrer Partei mit der Affäre um die ODS-Abgeordneten Jan Morava und Vlastimil Tlustý. Bereits am vergangenen Montag hat einer der Hauptakteure der Affäre, Jan Morava, sein Mandat niedergelegt. Mit den drei Austritten aus der ODS-Fraktion, stellen die Regierungsparteien im Parlament nur noch 98 Abgeordnete. Zum Überstehen eines möglichen Misstrauensvotums braucht sie aber eine Mehrheit von 101 Abgeordneten.

Die Fraktions- und Parteiführung der ODS hat ihrem umstrittenen Mitglied Vlastimil Tlustý wiederholt nahe gelegt sein Mandat aufzugeben. Sie erhofft sich davon, den Zerfallprozess zu stoppen und damit die Krise zu beenden. Tlustý lehnt einen Rücktritt jedoch vehement ab. Rückendeckung bekam er am Dienstagabend von dem Kreisrat seiner Partei in Rakovník, der laut den Parteistatuten alleine die Macht hat, Tlustý gegen seinen Willen aus dem Parlament abzuberufen.

Vlastimil Tlustý  (Foto: ČTK)
Jiří Paroubek, der Vorsitzende der Sozialdemokraten, der größten Oppositionspartei, bekräftigte am Dienstag erneut, dass seine Partei ein Misstrauensvotum gegen die Regierung erwägt.

„Die Konflikte in den Regierungsparteien analysieren wir. Derzeit eskalieren sie und die Frage ist, wie das in fünf oder sechs Wochen aussehen wird. Dann erst werden wir in der Partei abstimmen, ob wir ein Misstrauensvotum einleiten. Denn dann haben wir auch die Senats- und Regionalwahlen hinter uns zu. Bis dahin könnten sich die Prozesse im Regierungslager auch noch beschleunigen.“

Paroubek schlug am Dienstag außerdem vor, dass man für die Zeit der EU-Ratspräsidentschaft Tschechiens ab Januar 2009 eine Übergangsregierung aus Beamten bilden sollte, um für stabile Verhältnisse zu sorgen. Davon hält die stellvertretende ODS-Fraktionsvorsitzende Miroslava Němcová nichts.

Jiří Paroubek  (Foto: ČTK)
„Genau die Vorschläge von Jiří Paroubek destabilisieren sowohl die Vorbereitung als auch danach den Verlauf der EU-Ratspräsidentschaft der Tschechischen Republik.“

Auch Pavel Severa, der Fraktionschef der Christdemokraten, Koalitionspartner der ODS, ist der Meinung, dass nur unter der jetzigen Regierung eine erfolgreiche Bewältigung der EU-Ratspräsidentschaft möglich ist. Denn die Zeit drängt.

„Ich persönlich bin davon überzeugt, dass die jetzige Regierung nun endlich wieder das Zepter in die Hand nehmen sollte. Eine Beamtenregierung würde die Probleme nur verschieben, aber nicht lösen und Zeit verlieren.“

Ein Ende der Krise und eine Rückkehr zum politischen Tagesgeschäft ist aber derzeit überhaupt nicht abzusehen.