„Explosiver Mensch und slawischer Goethe“ - Max Brod über Janáček

Leoš Janáček

80 Jahre sind seit dem Tod des weltberühmten tschechischen Komponisten Leoš Janáček vergangen. Er starb am 12. August 1928. Sein wohl berühmtestes Werk ist die Oper „Její pastorkyňa“, die auf Deutschen den Namen „Jenufa“ erhielt. Aus dem Tschechischen übersetzt hat das Werk der Prager deutsche Schriftsteller Max Brod. In den Archiven des Tschechischen Rundfunks ist eine Aufnahme aus dem Juni 1964 erhalten, in der der damals bereits 80-jährige Max Brod über seine erste Begegnung mit Janáček und über die Übersetzungsarbeit der Jenufa erzählt.

„Janáček war damals unter den Tschechen eine entweder unbekannte oder sehr umstrittene Persönlichkeit. Er hatte sich durch einige unvorsichtige Äußerungen über Smetana unbeliebt gemacht. Er war überhaupt kein Mensch, der seine Worte sehr genau wägte, er war seinem ganzen Temperament nach ein aggressiver, explosiver Mensch.“

Max Brod lernte den Komponisten Leoš Janáček in den Tagen des Ersten Weltkriegs kennen. Zuvor hatte Brod eine Aufführung der Jenufa im Prager Nationaltheater gesehen und eine positive Kritik darüber in der Berliner Weltbühne veröffentlicht. An eine Übersetzung des Werks dachte er damals in keiner Weise, doch es sollte anders kommen:

„Zu meiner Überraschung erschien plötzlich eines Tages, ich glaube, es war am Sonntag, als ich noch im Bett lag oder eben aufgestanden war, Janáček in meiner Wohnung. Ich kannte ihn nicht, ich hatte ihm nur geschrieben. Und er sagte: ´Jetzt gehe ich schon seit sechs Uhr früh vor Ihrem Hause auf und ab, (er war nämlich mit dem Nachtzug aus Brünn gekommen) und denke darüber nach, wenn ich Sie als Übersetzer gewinne, so werde ich endlich Erfolg haben. Wenn Sie aber die Arbeit ablehnen, so ist wieder alles beim Alten, trotz Ihres schönen Artikels, der auf mich aufmerksam gemacht hat.´“

Max Brod ist von dem Überraschungsbesuch des Komponisten schwer beeindruckt:

„Die Tatsache, dass ein Mensch zu mir kam, und mir so unumwunden sein Leid gestand, ergriff mich. Dazu die Schönheit dieses Gesichtes, das mich an Goethe erinnerte - einen slawischen Goethe. Ich legte alle meine Arbeiten weg und begann die Übersetzung.“

Max Brods Übersetzung ebnet der Oper den Weg in den deutschen Sprachraum. Am 16. Februar 1918 fand die Wiener Erstaufführung der Jenufa statt.

„Janáček, mit dem ich bei der deutschen Uraufführung in Wien war, war ganz verzweifelt. Während der Aufführung boxte er mich immer in die Seite, er war unglücklich über diese Aufführung, obwohl sie von den größten Wiener Künstlern getragen wurde. Die Regie war schlecht. Die Küsterin erschien als richtige Bäuerin mit einer Heugabel über der Schulter, während sie für Janáček eine erhabene Figur war, gewissermaßen so wie in der Bibel die Richterin, die vom ganzen Dorf verehrt wird und die jedenfalls keine derartige Arbeit macht. Kurz: Er war sehr unglücklich, und die Kritik war auch schlecht“, so Max Brod 1964 für die deutschsprachigen Sendungen des Tschechischen Rundfunks.

Die Jenufa sollte wenige Jahre später dann doch ihren Erfolg im deutschen Sprachraum feiern – in einer Inszenierung in Berlin, für die sich Brod selbst sehr eingesetzt hatte. Und von da aus ging die Oper dann um die ganze Welt.