EU-Gipfel: Tschechien stimmt Fortsetzung der Ratifizierung des Reformvertrags unter Bedingungen zu

Tschechischer Ministerpräsident Mirek Topolánek (links) auf dem EU-Gipfel (Foto: ČTK)

Die europäischen Staats- und Regierungschefs verzichten auf ein neues Zieldatum für die Ratifizierung des EU-Reformvertrags von Lissabon. Das geht aus dem Entwurf des Abschlusskommuniques zum EU-Gipfel in Brüssel hervor. Die gemeinsame Erklärung der 27 EU-Staaten wurde möglich, weil auch die Tschechische Republik, die neben Irland die meisten Vorbehalte zum Lissabon-Vertrag hat, dem Gipfeldokument zustimmte.

Tschechischer Ministerpräsident Mirek Topolánek  (links) auf dem EU-Gipfel  (Foto: ČTK)
„Irland und Tschechien sind die beiden Nationen, die noch den größten Anteil an keltischem Blut in ihren Adern haben“, sagte Tschechiens Ministerpräsident Mirek Topolánek in der Nacht zum Freitag beim EU-Gipfel in Brüssel über das gescheiterte irische Referendum zum Lissabon-Vertrag und die noch ausstehende Ratifizierung des Reformwerks im eigenen Land. Topolánek wollte damit zu Verstehen geben: Wir lassen Irland nicht allein im Regen stehen, zumal das Brünner Verfassungsgericht derzeit prüfe, ob der Lissabon-Vertrag mit der tschechischen Gesetzgebung im Einklang stehe. Aus diesem Grund hatte Prag es zunächst auch abgelehnt, einer Fortsetzung des Ratifizierungsprozesses zuzustimmen. Auf dieses laufende Verfahren soll jetzt in einer Anmerkung des Gipfel-Dokuments verwiesen werden. Und vor allem: In der Gipfel-Erklärung wird kein neues Zieldatum für die Ratifizierung des EU-Reformvertrags von Lissabon festgeschrieben. Zwei Bedingungen, mit denen auch die Tschechische Republik einverstanden ist und daher einlenkte, um der Fortsetzung des Ratifizierungsprozesses nicht im Weg zu stehen. Mirek Topolánek zur Entscheidungsfindung:

„Die mehrheitliche Meinung ist die, dass eine Unterbrechung des Ratifizierungsprozesses durch die Annullierung der eigenen Unterschrift unter den Lissabon-Vertrag durch einige Staaten untermauert werden müsse. Das ist natürlich nicht geschehen und wird auch seitens der Tschechischen Republik nicht passieren. Aus diesem Grunde würde ich sowohl den tschechischen als auch den europäischen Politrepräsentanten eine gewisse Zeit lassen. Die Nachdenkpause soll bis Oktober dieses Jahres dauern. Dann sollte beraten werden, wie es weitergehen soll.“

Tschechischer Ministerpräsident Mirek Topolánek  (rechts) auf dem EU-Gipfel  (Foto: ČTK)
Der Faktor Zeit soll es nun also richten. Nicht umsonst hatte Topolánek angemerkt: „Stünde die Ratifizierung jetzt an, würde ich nicht einmal 100 Kronen (gut vier Euro) darauf setzen, dass es ein Ja aus Tschechien gibt“. Auf der anderen Seite aber betonte Topolánek, er selber habe seine „Karriere mit dem Lissabon-Vertrag verbunden“, auch wenn das Reformwerk nur ein „Kompromiss“ sei und er in vielen Punkten nicht mit ihm übereinstimme.

Nun aber, so sieht es der tschechische Europa-Abgeordneter Jan Zahradil (ODS), ergeben sich zumindest zwei Möglichkeiten, um den Reformvertrag noch einmal nachzubessern:

„Rechtlich einwandfreie Lösungen gibt es freilich wenige. Eine dieser Lösungen sind Verhandlungen zur Schaffung eines völlig neuen Vertrags. Aber das ist eher unwahrscheinlich. Eine weitere Möglichkeit sind Veränderungen im bestehenden Vertragswerk, also einige Ergänzungen und individuelle Erleichterungen für verschiedene Mitgliedsländer. In diesem Prozess sollte auch die Tschechische Republik aktiv Einfluss nehmen und Verbesserungen nicht nur für sich selbst, sondern auch für Irland und andere Staaten mit aushandeln. Und möglicherweise bietet die tschechische EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr nächsten Jahres eine gute Gelegenheit dafür, mit solchen Verhandlungen zu beginnen.“