Er hat noch Milch auf dem Kinn
Vom obersten Teil des Gesichts, also von der Stirn – čelo, über die wir hier bei unserem Sprachkurs bereits gesprochen haben, wollen wir heute zum untersten Teil, dem Kinn – brada übergehen.
Es ist komisch, dass gerade dieser Gesichtsvorsprung in der Sprache die Rolle eines sozusagen Begleiters durch einzelne Lebensphasen spielt. Es fließt ihm noch Milch über das Kinn – ještě mu teče mléko po bradě, beziehungsweise er hat noch Milch auf dem Kinn – ještě má mléko na bradě heißt im Tschechischen dasselbe wie im Deutschen: Er ist hinter den Ohren noch nicht trocken, also er ist zu jung und unerfahren. Sein Kinn zittert – třepe se mu brada, sagt man von jemandem, der Angst hat, aber auch von alten Menschen. Obwohl selten, begegnet man in Tschechien noch heute alten Frauen, die ein Kopftuch unter das Kinn binden – uvázat šátek pod bradu. Und wenn man mit dem Kinn hoch liegt – ležet hlavou vzhůru, ist man tot.
Hat jemand ein großes beziehungsweise ein versetztes Kinn – vystouplá brada, sagt man von ihm, er ist bradatý. Ein Mensch mit solch einem Kinn gilt dabei allgemein nicht als besonders schön. Ebenso ist es kein Kompliment, wenn man ein Doppelkinn hat: má dvě brady, er hat zwei Kinne oder genauer gesagt, er hat ein Kinn und ein „Unterkinn“ – podbradek. Jedenfalls dürfte dieser Mensch relativ dick sein.
Als brada wird nicht nur das Kinn selbst, sondern auch der Kinnbart bezeichnet. Als bradka dann vor allem ein kurzer Spitzbart. Brada mu prokvétá, sein Bart blüht, sagt man poetisch von jemandem, dessen Bart allmählich weiß wird. Schön zumindest, dass auch im Alter noch etwas blühen. Auf Wiederhören in einer Woche! Na slyšenou za týden!