Nürnberger Pfingsttreffen: Prag bremst Zuversicht der Sudetendeutschen
In Nürnberg hat am Pfingstwochenende das traditionelle Jahrestreffen der Sudetendeutschen stattgefunden. Unter dem Motto „Für Heimat und Menschenrecht“ haben rund 8000 Teilnehmer an das Schicksal der nach dem Krieg aus der Tschechoslowakei vertriebenen Deutschen erinnert. Viele Jahre land war der Sudetentag eine Bühne scharfer Angriffe auf die tschechische Politik – Stichwort Beneš-Dekrete. Für Radio Prag hat Thomas Kirschner das Geschehen beobachtet.
Nein. Die Töne aus Nürnberg waren diesmal sehr moderat, das kam schon in dem Leitmotto zum Ausdruck. Vor zwei Jahren hatte es da noch geheißen: „Vertreibung ist Völkermord“, jetzt stand das Treffen, wie gesagt, unter der Losung „Für Heimat und Menschenrecht“. Das hat ein wenig vielleicht damit zu tun, dass für die Sudetendeutschen und für die deutschen Vertriebenenverbände überhaupt eine wichtige Forderung in Erfüllung gegangen ist – in Berlin soll nun doch noch das umstrittene Zentrum gegen Vertreibungen entstehen, und so ein Zentrum kann nur richtig funktionieren, wenn beide Seiten miteinander reden.
Von Dialog war dann auch viel die Rede. Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein, der erstmals als Regierungschef auf dem Sudetentag auftrat, sagte, man müsse den Dialog suchen – und während sein Vorgänger Edmund Stoiber noch jegliche Treffen mit tschechischen Politikern abgelehnt hatte, gilt gerade Beckstein als Vertreter neuer, offenerer bayerisch-tschechischer Beziehungen. Das ewige Thema Beneš–Dekrete, das bislang immer wieder Annäherungen im Wege gestanden hatte, blieb weitgehend außen vor, und von Dialog sprachen auch die führenden Vertreter der Landsmannschaft. So sagte etwa Volksgruppen-Sprecher Bernd Posselt, auf tschechischer Seite komme einiges in Bewegung, auf das die Sudetendeutschen nun reagieren müssten, und auch im Kabinett würden sudetendeutsche Fragen auf mehr Verständnis treffen. Hier wurden immer wieder die Namen von Außenminister Karel Schwarzenberg oder Bildungsminister Ondřej Liška genannt, der ja in seinen noch nicht weit zurückliegenden Studententagen selbst eine Initiative zur Aufarbeitung der tschechisch-deutschen Geschichte mitbegründet hat. Als Zeichen des Dialoges kann man schließlich aus die Verleihung des sudetendeutschen Karlspreises an den Publizisten und Bürgerrechtler Petr Uhl verstehen. Der ehemalige Dissident und Unterzeichner der Charta 77 erhielt die Auszeichnung für seine Beiträge zur Aufarbeitung der Vertreibung. Uhl sagte dazu, die Vertreibung sei eine Tragödie gewesen, und das nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die Tschechoslowakei und für ganz Europa.Der Sudetendeutsche Tag wurde in Tschechien lange Jahre immer mit großer Skepsis und eine gewissen vorbeugenden Abwehrhaltung wahrgenommen – wie sind die Reaktionen in diesem Jahr?
Sehr unaufgeregt – in den Medien war der Tag nur ein Randthema, man kann den Eindruck bekommen, dass das Reiz-Reaktions-Schema sich auf beiden Seiten abgeschwächt hat. Die moderaten Töne aus Nürnberg wurden auf jeden Fall positiv bewertet, zugleich aber hat Außenamts-Sprecherin Zuzana Opletalová den Schwung der Landsmannschaft ein wenig gebremst: Tschechien, betonte sie, habe seine Position gegenüber den Sudetendeutschen nicht geändert; es gebe weiterhin Gespräche, aber keine Verhandlungen.