Der Kampf ums Geld der Kunden – Verbraucherschutz in Tschechien
Am Samstag war Weltverbrauchertag – wie jedes Jahr am 15. März. An diesem Tag gab John F. Kennedy 1962 vor dem amerikanischen Kongress eine Erklärung ab, in der erstmals grundlegende Rechte der Verbraucher formuliert wurden. Das Recht auf sichere Produkte etwa, oder das Recht auf umfassende Information. Wie ist es in Tschechien bestellt um Fairness und Verbraucherschutz? Nach dem Sturz des Kommunismus hatte die Transformation der Wirtschaft den Konsumenten eine nie gekannte Angebotsvielfalt gebracht, und den Unternehmern neue, zunächst noch recht unübersichtliche Freiheiten. Keine guten Voraussetzungen für ein korrektes Verhältnis zwischen Firmen und ihren Kunden. Und knapp zwei Jahrzehnte später?
Mit der U-Bahn fahren wir hinaus an den Stadtrand. Auch hier ist von der einstigen kommunistischen Mangelwirtschaft nicht mehr viel zu sehen. Zumindest wenn es ums Shoppen geht. Neben tristen Plattenbausiedlungen stehen Einkaufspaläste, nicht selten rund um die Uhr geöffnet und so groß, dass die Angestellten mit Inline-Skates durch die Gänge flitzen.
Zu kaufen gibt es hier alles – zumindest für die, die es sich leisten können. Doch Vorsicht! In der glitzernden Konsumwelt lauern Gefahren, warnt Jan Mišurec von der tschechischen Gesellschaft für Verbraucherschutz:
„In den letzten 18 Jahren, also seit der Wende, ist das Angebot an Waren und Dienstleistungen enorm gewachsen. Auch die Kaufkraft der Tschechen steigt. Die Wirtschaft boomt, die tschechische Krone hat gegenüber dem Euro und dem Dollar stark zugelegt. Den Tschechen geht es also immer besser. Das ist die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite aber stellen wir fest, dass nicht alle Waren oder Dienstleistungen so sind, wie die tschechischen Gesetze es erfordern. Die Ethik des Verkaufens hat westlich unserer Grenzen eine gewisse Tradition. In Deutschland oder Österreich gilt die Redewendung meist wirklich, dass der Kunde König ist. In Tschechien hingegen schlagen wir uns oft mit unlauteren Praktiken herum, etwa mit irreführender Werbung und ähnlichem.“
Die Kniffe der Verkaufsstrategen haben sich rascher entwickelt als der kritische Blick der Konsumenten. Ergebnis: Garantiefristen, die kürzer sind als die gesetzlich vorgeschriebenen; verlockende Computerpreise, allerdings ohne Mehrwertsteuer, dafür zahlbar auf Raten; Wucherer, die von ohnehin überschuldeten Haushalten überhöhte Zinsen verlangen.Der unfaire Umgang mit Konsumenten ist allerdings nicht nur ein hausgemachtes Phänomen, meint Jan Mišurec. Gerade internationale Konzerne würden sich auf dem tschechischen Markt Dinge herausnehmen, die ihnen die Konsumenten daheim nicht so einfach durchgehen ließen:
„Sehen Sie sich ein und dieselbe Firma in Tschechien an, und dann in Deutschland oder in Österreich! Oft haben die Waren in Tschechien eine schlechtere Qualität als jene Waren, die dieselbe Firma in ihrem Heimatland anbietet.“
Außerdem, so Mišurec, berechnen diese Firmen ihren tschechischen Kunden oft Leistungen, die für Kunden ihrer heimischen Filialen kostenlos sind – von der Plastiktüte bis zur Lieferung nach Hause.
Umgekehrt aber sind es gerade Ausländer, die in Prag besonders oft abgezockt werden. Egal ob junge Rucksack-Touristen oder Manager internationaler Konzerne – bei manchen Tschechen herrscht immer noch die Vorstellung, dass westliche Ausländer prinzipiell reich sind. Wer nicht tschechisch spricht, kann sich zudem schlecht wehren, wenn er sich ungerecht behandelt fühlt.
„Ausländern werden oft höhere Preise berechnet, zum Beispiel im Taxi, im Hotel oder in Gaststätten, wo der Kellner versucht, etwas auf die Rechnung draufzuschlagen. Auch manche Mobilfunk-Anbieter berechnen Ausländern eine Kaution, die sie von Tschechen nicht verlangen. Das ist Diskriminierung. Es gibt keinen Grund, für ein und dieselbe Dienstleistung eine höhere Kaution zu berechnen, nur weil der Kunde Ausländer ist“, so Mišurec.
Rosie ist aus Schottland und lebt seit acht Monaten in Prag. Den Nepp in der Kneipe, wo der Wirt schon mal ein Bier mehr verrechnen will, den kennt sie eigentlich nur vom Hörensagen. Solche Dinge, meint sie, passieren mittlerweile immer seltener:„Mir fällt dazu eigentlich nur eine einzige Sache ein: Als ich im Sommer mit meiner kleinen Schwester nach Karlstejn gefahren bin, ein reizendes Schloss, ungefähr eine Stunde von Prag entfernt, da gab es dort für Tschechen und für Ausländer verschiedene Eintrittspreise. Der Preis für die Tschechen war in Worten angeschrieben – vierzig Kronen, der Preis für die Ausländer in Zahlen – 80 Kronen. Die Schlossverwaltung wollte das aber dadurch rechtfertigen, dass jemand, der die Führung auf Deutsch oder Englisch machen kann, eben teurer ist, und der Besucher deshalb für diese Leistung mehr zahlen muss.“
Ungerechte Behandlung von Ausländern zeugt aber nicht nur von mangelnder „Ethik des Verkaufens“, wie Mišurec es formuliert hat. Wenn es sich bei den Kunden um EU-Bürger handelt, dann werden in vielen Fällen auch die Richtlinien der Europäischen Union verletzt. Die tschechische Gesellschaft für Verbraucherschutz konzentriert sich nun jedenfalls verstärkt auf dieses Problem:
„Wir haben eine Antidiskriminierungs-Hotline eingerichtet. Unter der tschechischen Telefonnummer 222 762 222 können nun auch Ausländer anrufen, wenn sie dieser Form der Diskriminierung ausgesetzt sind.“
Beratungsgespräche sind dort vorerst allerdings nur auf Englisch möglich.
Spezielle Hilfe für ausländische Konsumenten ist ein neuer, aber nur kleiner Aufgabenbereich der Gesellschaft für Verbraucherschutz. Urlaub und Freizeit, Haus und Wohnen, Finanzdienstleistungen, Telekommunikation, Lebensmittel, Gesundheitswesen – das sind nur einige der Gebiete, auf denen die Vereinigung aktiv ist. Angelpunkt ihrer Tätigkeit: Information und Aufklärung. Jan Mišurec:„Wir bemühen uns den Menschen auf verschiedenste Art zu helfen. Beratungszentren für persönliche Gespräche haben wir heute in so gut wie allen größeren Kreisstädten der Tschechischen Republik. Die Leute können ihre Anfragen auch kostenlos übers Internet an unsere Online-Beratung schicken und bekommen dann Antwort von einem Rechtsanwalt. Außerdem informieren wir natürlich in diversen Broschüren und in unserer Zeitschrift SOS, die wir alle zwei Monate herausbringen. Und wir haben einen Stand auf diversen Verkaufsmessen, oder dort, wo gerade der stärkste Kaufrausch herrscht, wie zum Beispiel in der Vorweihnachtszeit vor Einkaufszentren.“
18 Jahre nach der Wende aber dürften die goldenen Zeiten der Abzocker langsam zu Ende gehen. Tschechische Konsumenten werden selbstbewusster, Touristenfallen immer seltener. Im Kampf um das Geld der Kunden geht es nicht immer fair zu, aber wer die Augen offen hält, kommt mittlerweile gut zurecht. Willkommen in der ganz normalen, westlichen Konsumwelt.