Ex ovo Omnia – Alles stammt aus dem Ei
Alzheimer, Parkinson, Querschnittlähmung, Unfruchtbarkeit und viele andere Diagnosen stehen für Krankheiten, die immer noch als unheilbar gelten. Vielen Menschen, unter ihnen auch Mediziner und Wissenschaftler, erhoffen sich einen Durchbruch von der erst vor wenigen Jahren begonnenen Gen-Revolution, der Stammzellenforschung und den neuen Klontechniken. Obwohl es mittlerweile eine Menge sensationeller Entdeckungen in diesem Bereich gab, ist der Weg zu den verlässlichen Heilmethoden noch sehr lang und sehr mühsam. Das weiß auch der tschechische Klonforscher Josef Fulka.
Es ist über sechs Jahre her, als ich mich bei ihm zum ersten Mal gemeldet habe und eine Weile warten musste, bis er sein Labor verlassen konnte: Josef Fulka, Jahrgang 1951, der auf dem Gebiet des Klonens renommierte Wissenschaftler vom Prager Forschungsinstitut für Tierproduktion. Damals ging eine sensationelle Nachricht um die Welt, nach der Mitarbeiter einer US-amerikanischen Gesellschaft kundgaben, als Erste einen menschlichen Embryo geklont zu haben. Bevor das publizierte Experiment wenige Tage später mit einem Fiasko endete, interessierte sich Radio Prag für Fulkas Meinung. Sechs Jahre später erregte der Wissenschaftler selbst das Aufsehen hierzulande. Es war am 1. Februar dieses Jahres. An dem Tag gab es für ihn keine Ruhe zur Arbeit:
„Ich habe an dem Tag eigentlich nichts geschafft, weil das Telefonklingeln schon gegen acht Uhr morgens begann und bis in etwa drei Uhr nachmittags nicht aufhörte. Telefonanrufe, Fernsehen, alle wollten mit uns sprechen. Ich konnte nichts Anderes machen. Aber eigentlich habe ich damit gerechnet, dass es so sein wird.“
So erinnert sich Josef Fulka an den Tag, an dem sein Artikel in der weltweit geschätzten US-amerikanischen Fachzeitschrift „Science“ veröffentlicht wurde. In den neunziger Jahren gehörte er dem Arbeitsteam an, dem es unter der Leitung des britischen Wissenschaftlers Ian Wilmut gelang, das erste geklonte Schaf Dolly zur Welt zu bringen. Und auch 2001 machte Fulka von sich reden, damals als Mitglied eines internationalen Teams in Italien, das Zellkerne von toten Mufflons in Eizellen von Schafen implantierte und sich damit um die Entstehung des ersten interspezifischen Klons verdient gemacht hat. Daraus entstand dann ein gesundes Tier. Doch diesmal, am 1. Februar 2008, war es aber doch anders:„Es war nicht dasselbe, denn damals war ich Mitglied eines internationalen Teams, doch diesmal war es, würde ich sagen, eine rein tschechische Angelegenheit. Die Wissenschaft ist leider auch ein Kommerzartikel und wenn man in der Wissenschaft bestehen will, muss man die erreichten Ergebnisse verkaufen können. Mehr oder weniger stellten wir uns darauf ein. Als an dem Tag auch der Leitartikel mit Informationen in der Tageszeitung Mlada fronta Dnes hierzulande erschien, war damit der Verlauf des Tages vorbestimmt.“
Der Anlass für die plötzlich geweckte Aufmerksamkeit der Medien war eine bahnbrechende Entdeckung. Das Expertenteam um Josef Fulka hat einen der Gründe dafür gefunden, warum das Klonen von tierischen und menschlichen Embryonen häufig nicht gelingt. Beim Klonen nämlich kommt es zu einer Übertragung der Kerne, wobei die Erbinformation aus dem Ei wird beseitigt wird. Falls aber aus dem Ei gemeinsam mit der genetischen Information unwissentlich der ganze Kern auch mit dem darin befindlichen Kernkörperchen entfernt wird, kann sich der Klon nach der anschließenden Übertragung nicht weiter entwickeln. Die tschechischen Wissenschaftler entwickelten zunächst eine Methode, wie das Kernkörperchen dem Ei sicher entnommen werden kann. Nach der Entnahme beobachteten sie, wie sich das Ei weiter entwickelte. Sie fanden heraus, dass seine Entwicklung zum Stillstand kam. Wenn sie das Kernkörperchen aber wieder in die Mäuseembryonen zurückverpflanzten, wurden lebende Mäuse geboren. Waren sie mit dieser Entdeckung die Ersten?
„Ich glaube, dass wir sowohl die Ersten als auch die Einzigen waren. Diese Methode fiel vor uns niemandem ein. Vielleicht sind wir sehr früh damit gekommen. Vielleicht war auch das Glück auf unserer Seite. Wir haben aber auch Anzeichen dafür gefunden, dass es nicht nur an dem Kernkörperchen liegt, sondern dass es noch eine andere Substanz gibt, die ebenfalls sehr relevant ist. Es zeigt sich in der Tat, dass der Spruch „Ex ovo omnia“ gilt. Darauf möchten wir uns jetzt konzentrieren.“Alles stammt aus einem Ei, besagt der lateinische Spruch, an dem sich also Fulka weiter orientieren will. Das Fach des Klonens, das sich nach seiner Auffassung nur therapeutische Ziele stellen sollte, sieht er nicht als einen geradlinigen Weg:
„Das Klonen ist eine Art Lotterie, bei der niemand weiß, warum es einmal geklappt und allzu oft nicht geklappt hat. Es ist wie ein Bild, das aus hundert Steinchen besteht. Wenn wir alle hundert Steinchen finden, dann kann man die Effektivität des Klonens vervollkommnen und dieses in der Praxis umsetzen. Wenn wir das Kernkörperchen nicht nur herausnehmen, sondern auch zurück injizieren können, könnte es bei der Behandlung einiger Formen der Unfruchtbarkeit von großer Bedeutung sein.“
Eine Vielzahl von Teilerfolgen in der Stammzellenforschung macht vor allem kranken Menschen Hoffnung auf Heilung. Nun, wie weit ist also die Forschung, damit die Erkenntnisse in konkrete Therapien münden können?
„Ich würde sagen, die Situation um die Stammzellen ist ungefähr immer noch dieselbe wie vor ein paar Jahren. Man kann die Stammzellen herstellen - durchaus geläufig bei Mäusen, Affen oder auch bei Menschen. Man kann sie jedoch noch nicht verlässlich in ein spezialisiertes Gewebe für patientenspezifische Verwendung umbilden. Um sicher zu gehen, braucht man ein größeres Tier. Die Maus, bei der in dieser Hinsicht bereits vieles gelang, ist kein typisches Säugetier und sie lebt relativ sehr kurz. Da scheint das Schwein optimal zu sein, und gerade hier gelingt es aber immer noch nicht, die Linien der Embryonalstammzellen zu entwickeln.“
Auch Fulkas Expertenteam beschäftigt sich damit intensiv. Am Anfang sehe es gut aus, sagt der Forscher, aber nach einiger Zeit entwickelten sich die Stammzellen in eine unerwünschte Richtung und der Grund sei vorläufig nicht bekannt.
In seiner Familie ist Fulka nicht der einzige Wissenschaftler. Zu seinen Fachmitarbeitern gehört mittlerweile auch die Tochter Helena und als Bahnbrecher im Bereich der Wissenschaft hat sich vor ihm bereits auch sein Vater, Josef Fulka sen., etabliert. Hat ihn vielleicht auch der Vater für die Wissenschaft begeistert?
„Ich weiß nicht. Ich glaube, es ist von selbst gekommen. Mein Vater hat in den 1950er Jahren Fundamente der „tschechischen“ Schule in diesem Bereich gelegt. Als ich vor meinem Abschluss meine Diplomarbeit schreiben sollte, steuerte er mich in die Richtung einer Zusammenarbeit mit seinem Schüler Jan Motlík, in dessen Labor ich starten konnte. Ähnlich war es bei meiner Tochter. Als sie mit ihrer Diplomarbeit anfangen sollte, schlug ich ihr vor, mein Labor zu nutzen. Sie wurde von dem Ambiente, wie es einst auch bei mir der Fall war, beeinflusst. Hinzu kamen bei ihr auch Erfolge während des Studiums.“
Während Fulka jr. als renommierter Wissenschaftler bekannt ist, der über 100 Artikel in verschiedenen Fachzeitschriften publiziert hat, weiss man nichts von seinem Privatleben. Auf diese Feststellung reagiert er so:
„Schauen Sie sich bloß unsere ganze Familie an: Meine Tochter ist wissenschaftlich tätig, mein Sohn ist Übersetzer, meine Frau arbeitet an der Karlsuniversität im Prinzip auch wissenschaftlich. Unser Familienleben wäre für Sie vielleicht gar nicht interessant, denn wir alle sind ständig mitten drin in einer Lektüre, zu Hause liegen überall Bücher herum, ständig sitzt jemand am PC und schreibt. Was ist daran schon interessant? Ich könnte aber ruhig erzählen, zum Beispiel darüber, dass in unserem Kühlschrank entweder vieles zu finden ist, oder manchmal auch gar nichts.“
Die Wissenschaft an erster Stelle auch im Familienleben. Wann ist der nächste Artikel in Science oder Nature zu erwarten? In fünf sechs Jahren?
„Das nicht! Das muss früher sein“, sagt Josef Fulka lächelnd mit einem Ausrufezeichen in der Stimme!