Aufstand der Kleinaktionäre: Kommune klagt gegen Energieriesen

Die kleine mährische Stadt Bystřice nad Pernštejnem und neun umliegende Kommunen verklagen den Energieriesen E.ON auf 60 Millionen Kronen, das sind umgerechnet rund 2,3 Millionen Euro. Nach tschechischem Recht hatten die Kommunen ihre Anteile an den Südmährischen Elektrizitätswerken JME an Mehrheitsaktionär E.ON verkaufen müssen. Und zwar zu einem Bruchteil des realen Wertes, wie sie ins Feld führen.

Die Hintergründe liegen noch in der Zeit der Privatisierung in den frühen neunziger Jahren. Damals hatten die meisten Städte und Gemeinden ihre Anteile an den Energieversorgern verkauft. Eine Ausnahme bildeten gerade Bystřice und die umliegenden Gemeinden – dort hat man sich die Aktien der Südmährischen Elektrizitätswerke in der Hoffnung auf Wertzuwachs behalten. Im Jahr 2005 allerdings wurde im Parlament ein Gesetz verabschiedet, das es Mehrheitseigentümern, die über mehr als 90 Prozent der Aktien an einem Unternehmern verfügen, erlaubt, die Kleinaktionäre zum Verkauf ihrer Anteile zu zwingen, Der Preis wird dabei von einem Gutachter festgesetzten. Damit musste auch Bystřice seine Aktien an den Energieriesen E.ON abgeben. Und das angeblich zu einem Drittel des tatsächlichen Wertes – das versichern jedenfalls die Stadtväter.

Hinter dem konkreten Fall in Bystřice nad Pernštejnem steht damit also eigentlich ein Streit um das tschechische Handels- und Aktienrecht?

Bystřice nad Pernštejnem  (Foto: Wikimedia Commons / PD)
Das kann man so sagen. Eine Gruppe von Senatoren hat sich bereits vor zwei Jahren an das Verfassungsgericht gewandt, um untersuchen zu lassen, ob die Regelung nicht die Rechte von Kleinaktionären verletzt. Das Parlament hatte sich 2005 gegen die Bedenken aus Finanzministerium und Wertpapierkommission auf die Seite der Großaktionäre gestellt, und das mit der Begründung, dass Grüppchen von Kleinanlegern die Führung der Unternehmen erschweren könnten. Für Senator Josef Novotny (SNK-ED) ist das ein klarer Rechtsbruch, er spricht sogar von einer „Enteignung“ der Kleinanleger. Allein in den vergangenen zwei Jahren hätten Mehrheitsaktionäre in 280 Fällen von ihrem Aufkaufsrecht Gebrauch gemacht, insgesamt seien Kleinanleger auf diese Weise bislang um 30 Milliarden Kronen gekommen so Josef Novotny. Auch Finanzfachleute weisen darauf hin, dass das Preisfeststellungsverfahren in Tschechien problematisch geregelt ist; in dieser Sache läuft bereits auch in Brüssel ein Verfahren gegen die Tschechische Republik. Allerdings untersteichen die Experten auch, dass Kleinaktionäre solcher von einem Aktionär dominierten Unternehmen kaum eine Möglichkeit hätten, ihre Anteile auf dem freien Markt zu verkaufen.

Was heißt das nun für den vorliegenden Fall – wie kann der Streit zwischen den Kommunen und dem Energie-Goliath ausgehen?

Das Recht zum Aktienkauf, das hatte der Energiekonzern, wie es aussieht, auf seiner Seite. Deshalb wird es wohl in erster Linie darum gehen, zu überprüfen, ob die Preise korrekt festgelegt worden sind. Möglicherweise wird das Verfahren aber auch vertragt, bis das Verfassungsgericht grundsätzlich über das Aufkaufsrecht entschieden hat. Die Stadtväter von Bystřice glauben jedenfalls fest an einen Erfolg, und wie es scheint, sind sie nicht dabei die Einzigen: Angeblich hat es bereits ein Angebot gegeben, der Stadt die Forderung praktisch zum vollen Wert abzukaufen. Kritiker schließen nicht aus, dass dahinter der Energiekonzern selbst stehen könnte.