Cunek und Svejnar - der eine raus aus dem Rennen, der andere gerade erst eingestiegen

Christian Rühmkorf hat für Sie wieder ein Blick in die tschechische Pressewelt der vergangenen Woche geworfen. Im Fall des christdemokratischen ehemaligen Regierungspolitikers Jiri Cunek, der seit acht Monaten Politiker, Staatsanwaltschaften und Medien beschäftigt, ist Bewegung gekommen. Und auch Präsident Vaclav Klaus hat einen neuen Gegenkandidaten für das Präsidentschaftsamt bekommen.

Zwei politische Ereignisse standen vor allem auf der Agenda der Kommentatoren in den tschechischen Tageszeitungen. Das war zum einen der Parteibeschluss der Sozialdemokraten, den tschechoamerikanischen Wirtschaftsexperten Jan Svejnar als Gegenkandidat zu Vaclav Klaus in den Präsidentschaftswahlen aufzustellen. Zum anderen haben sich die Journalisten mit dem Rücktritt Jiri Cuneks von seinen Regierungsämtern befasst, nachdem die Prozessakte in seiner angeblichen Korruptionsaffäre wieder geöffnet wurde. Eine Fernseh-Reportage, die belegte, dass Cunek Sozialleistungen kassierte, während er gleichzeitig mehrere Millionen Kronen auf verschiedenen Konten hatte, hatte den Rücktritt beschleunigt. Zur Sprache kommt in den Kommentaren auch der Vorschlag der Oberstaatsanwältin, den Nachrichtendienst BIS einzuschalten, unter anderem um das Verschwinden dieser Informationen aus der "Untersuchungsakte Cunek" zu klären.

Jiri Cunek ist am vergangenen Dienstag von seinen Regierungsposten zurückgetreten. Noch vor der Bestätigung Cuneks in seinem Amt als Parteivorsitzender der Christdemokraten am selben Tag schreibt Petr Novacek im Wirtschaftsmagazin "Euro":

"Man kann sich vorstellen, dass Jiri Cunek noch eine Weile KDU-CSL-Vorsitzender bleibt. Langfristig ist er allerdings parteipolitisch betrachtet eine "politische Leiche". Renata Vesecka öffnete seine Kausa aufs Neue und die KDU-CSL wird diese entweder auf dem Buckel tragen oder sich schnell einen neuen Vorsitzenden suchen müssen. Für Cunek, bliebe er noch eine Zeit lang Vorsitzender, wird ein neuer großer Konkurrent innerhalb der KDU-CSL in der Person des neuen Ministers für Regionalentwicklung und stellvertretenden Regierungschefs heran wachsen. Wird dieser Konkurrent jemand sein, der im Stande ist die Grundausrichtung und die nächsten parteipolitischen Ziele zu formulieren, und ein Roman Linek könnte das durchaus schaffen, dann wird Cunek froh sein können, falls er dann zumindest sein Mandat im Senat behalten könnte. Dann wären auch diejenigen christdemokratischen Parteimitglieder erleichtert, die ihn ein Jahr zuvor zum Parteivorsitzenden gewählt hatten und inzwischen festgestellt haben, dass es ein Irrtum war."

Jiri Cunek  (Foto: CTK)
Soweit Petr Novacek. Der Kommentator der Wirtschaftszeitung "Hospodarske noviny", Jiri Cerny, wertet, was Cuneks Bezug von Sozialleistungen betrifft, den moralischen Aspekt höher als das formale Recht auf diese Leistungen:

"Als ginge es darum, ob er in den Jahren 1996-1997 ein Recht darauf hatte, diverse Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen und gleichzeitig viel mehr als drei Millionen Kronen auf dem Konto zu haben. Solange er gegen sich nur eine nicht zu beweisende Zeugenaussage seiner ehemaligen Sekretärin hatte, lehnte ich das allgemeine Rufen nach seinem Kopf als stellvertretender Regierungschef ab. Der Korruptionsverdacht von einst wurde nun jedoch, leider, von der Gewissheit über die Unwissenheit des Politikers überlagert.

Cunek weiß nicht, was persönliche Integrität ist, ihr lebenslanger Erhalt und ihre Unversehrtheit. Sonst könnte er nicht fragen, was uns sein Verhalten zu Zeiten angeht, als er noch keine politischen Funktionen inne hatte. Dann würde er meinen Bürgerwunsch verstehen, dass ein politischer Repräsentant nicht nur den Durchschnitt meiner guten und schlechten Eigenschaften verkörpern soll."

Der Meinung von Jiri Cerny schließt sich auch Ivan Hoffman an, Kommentator des Tschechischen Rundfunks sowie des Internetservers "idnes.cz":

"Jiri Cunek gefällt es nicht, dass ein Politiker für seine Vergangenheit einstehen soll. Fakt bleibt, dass bei den meisten Politikern nicht gerade sorgfältig in deren Vergangenheit nachgespürt wird, und wer weiß, ob sie da besser weggekommen wären. Das Prinzip an sich ist allerdings richtig. Falls ein Mensch nicht für seine Vergangenheit einstehen kann, sollte er nicht nach hohen Politischen Funktionen streben."

Jiri Cunek mit Premier Mirek Topolanek  (Foto: CTK)
Der Kommentator der Tageszeitung "Lidove Noviny", Robert Malecky, äußert sich zur Idee der Oberstaatsanwältin Renata Vesecka, den Nachrichtendienst BIS einzuschalten, und zwar um unter anderem das Durchsickern von Informationen aus der Untersuchungsakte Cuneks zu klären. Die waren nämlich Grundlage für eine Fernsehreportage, in der Cunek der Bezug von Sozialleistungen nachgewiesen wurde.

"Das ist eine Idee, die von der Nervosität der Mächtigen dieses Staates zeugt. Eine Idee, die ohne Übertreibung als skandalös bezeichnet werden kann. Und das gleich aus mehreren Gründen: Vor allem die BIS sollte zuerst ihre eigenen Probleme lösen, bevor sie sich im politischen Kampf zur Stützung der derzeitigen Regierungskoalition zu engagieren beginnt. Wie wir wissen, schlägt sich die BIS mit einem Skandal herum, der die Interessen dieses Staates deutlich mehr bedroht als das Durchsickern einiger Daten aus der Untersuchungsakte eines Regionalrassisten, der aufgrund der Umstände bis zum Sessel des Vizepremiers emporgeklettert ist. Der Schwund streng geheimer Daten sagt uns über die BIS, dass sie eher ein Sicherheitsloch als ein funktionierender Informationsdienst ist." [...]

Der Kommentator wirft schließlich die Frage auf, was passiert wäre, wenn es die aufdeckende Reportage nicht gegeben hätte:

"Jiri Cunek würde von seinen Regierungsämtern nicht zurücktreten wollen. Über seine angesparten Millionen und seinen zweifelhaften Bezug von Sozialleistungen hätte niemand etwas erfahren. Genauer: Man würde nur weiter in den eingeweihten Kreisen darüber tuscheln. Die Tatsache, dass die Informationen an die Öffentlichkeit gekommen sind, bedeutet eines: Das öffentliche Interesse hat hier deutlich mehr Gewicht als die Gefahr, die von einer unzweifelhaft begangenen Straftat - nämlich die Weitergabe von Informationen - für die Gesellschaft ausgeht."


Jan Svejnar  (Foto: CTK)
Soviel zur Kausa "Jiri Cunek". Themenwechsel. Die Sozialdemokratische Partei hat den bisher in Amerika lebenden Wirtschaftswissenschaftler Jan Svejnar fast einhellig zum Präsidentschaftskandidaten auserkoren. Die Grünen ziehen mit. Tomas Richter, Kommentator der Wirtschaftszeitung "Hospodarske noviny", streicht die Unsicherheit der parlamentarischen Wähler gegenüber der Person Svejnars heraus:

"Die Mitglieder des tschechischen Parlaments wissen über Svejnar nicht viel mehr als wir unterhalb der Prager Burg. Und das ist nicht viel. Seine Nominierung stellt sie vor ein unangenehmes Dilemma: Wie würde sich Svejnar als Präsident gegenüber den Kommunisten verhalten, die in Wirklichkeit echte Kommunisten sind? Wie gegenüber den Grünen, die in Wirklichkeit nicht grün sind? Oder gegenüber den Sozialisten, die ihn nominieren und die in Wirklichkeit gar nicht wissen, wer sie sind? Und wie würde ihn das Volk annehmen, das sich - nach der Interpretation des amtierenden Präsidenten - mutig gegen den kommunistischen Süden gestellt hat, während Svejnar in den Vereinigten Staaten herumgesprungen ist? Es ist wahr, dass Svejnar die Kommunisten nie unterstützt hat, aber wird das in den Augen derer genügen, die zu Hause geblieben sind? Wenn ich bei den Präsidentschaftswahlen wetten müsste, auf Professor Svejnar würde ich nicht setzen."

Der Kommentator der Tageszeitung "Mlada fronta Dnes", Karel Steigerwald, wundert sich vor allem, dass Svejnar gerade vom Chef der Sozialdemokraten, Jiri Paroubek, als Präsidentschaftskandidat vorgeschlagen wurde.

Jiri Paroubek  (Foto: CTK)
"An dieser Kandidatur ist vor allem interessant, dass es in den Ansichten zur Politik der CSSD in kaum einer Hinsicht Übereinstimmungen mit Paroubek gibt. Paroubek hat ihn sich auch nicht im positiven Sinne als Kandidat der Sozialisten ausgesucht, sondern im negativem Sinne: als einen Mann nämlich, der Klaus schlagen kann. Svejnar steht rechts, nach Ansicht einiger Experten sogar mehr als Klaus. Den Wirtschaftsvorstellungen von Paroubek hat er jedenfalls nie zugestimmt. Er ist ein Mann des Großkapitals und der Banken. Das dürfte den Sozialisten als Fürsprecher des kleinen Mannes auch nicht schmecken. Und er ist vor dem Kommunismus geflohen, ein Mann Amerikas, was dem kommunistischen Flügel der CSSD auch nicht gefallen muss."

Präsident Vaclav Klaus  (Foto: CTK)
Der Kommentator konstatiert schließlich, dass Svejnar auch die Mehrheit der tschechischen Kommunisten braucht, um gewählt zu werden und fährt fort:

"Für einen Amerikaner muss das sehr eigenartig sein, sich so mir nichts dir nichts in einem kleinen, weit entfernten Land durch eine Meute von Kommunisten zum Präsidenten wählen zu lassen. Wie würde das wohl in New York oder an irgendeiner besseren Universität aufgenommen werden?"

Jaroslav Plesl stellt in der Zeitung "Lidove noviny" fest, dass Vaclav Klaus vor einer Kandidatur Svejnars wohl Angst haben muss, denn sonst hätte Petr Necas, der stellvertretende Vorsitzende der Klaus-Partei ODS, am Wochenende nicht auf die Mitgliedschaft Svejnars im Aufsichtsrat der CSOB-Bank hingewiesen, die sich mit dem Staat ein gerichtliches Gefecht liefert:

"Darauf aufmerksam zu machen, dass Svejnar im Aufsichtsrat der CSOB sitzt, ist nämlich genauso überflüssig, wie zu erwähnen, dass während der Präsidentschaftskandidatur von Klaus dessen Ehefrau im Aufsichtsrat der Tschechischen Sparkasse saß und dort auch noch einige Zeit während seiner Präsidentschaft blieb."