Die Prager Zeitung zu Besuch in München

Eine deutschsprachige Zeitung, die in Tschechien erscheint? Kann das überhaupt funktionieren? Die eindeutige Antwort: ja, es kann. Bereits seit 16 Jahren erscheint die Prager Zeitung jeden Donnerstag. Bayerische Leser können jetzt die Prager Zeitung in München besuchen: Eine Ausstellung im Tschechischen Zentrum bietet einen Rückblick auf die Entwicklung des Blattes. Sarah Houtermans hat mit dem Chefredakteur Uwe Müller gesprochen.

"Es ist die erste Ausstellung über die Prager Zeitung, die wir in Deutschland organisiert haben. Sie ist im Tschechischen Zentrum in München zu sehen. Die Ausstellung soll die Geschichte der Prager Zeitung vor dem Hintergrund der Geschichte Tschechiens Revue passieren lassen. Wir stellen die Titelseiten der Prager Zeitung aus, für jedes Jahr eine Titelseite. Ein Blick in die Jahre 1991 bis 2007 gibt dem Leser einen Überblick, was in Tschechien, bzw. von 1991 bis Ende 1992 in der Tschechoslowakei, geschehen ist: vom deutsch-tschechischen Nachbarschaftsvertrag über die Versöhnungserklärung 1997 bis hin zum EU-Beitritt Tschechiens."

Tschechien spiegelt sich in der Prager Zeitung wider - Und welche Rolle spielt die Prager Zeitung für Tschechien?

"Wir nehmen von Anfang an die Rolle einer Brücke wahr, einer Brücke von Informationen. Es geht uns darum, Themen aus Ostmitteleuropa, konkreter aus Tschechien und der Slowakei für den deutschsprachigen Leser aufzubereiten und ihn in die Realitäten dieser beiden Länder einzuführen. Wir wollen den Blick für Themen aus diesen Ländern schärfen, für die Befindlichkeiten der Menschen, die hier leben."

Weshalb findet die Ausstellung gerade in München statt?

"München haben wir nicht zufällig ausgewählt. Denn unter anderem aus München haben wir damals eine Anschubfinanzierung erhalten, vom dortigen Ministerium für Arbeit und Soziales. Außerdem normalisieren sich die Beziehungen zwischen Tschechien und dem Freistaat Bayern gerade dank des neuen bayrischen Ministerpräsidenten Beckstein, der versucht, neue Töne anzuschlagen und damit auf tschechischer Seite Akzeptanz findet und auf offene Türen stößt. In diesem Kontext passt die Ausstellung gerade sehr gut."

Wie sahen die Anfangsjahre der Prager Zeitung aus?

"Sie waren natürlich hart, aber Zeitungsmachen ist immer hart und es hat von Anfang an unheimlichen Spaß gemacht. Mein Traum war immer, in Prag wieder eine deutschsprachige unabhängige Zeitung zu machen. Mit der Wende 1989/90 hat sich dieser Traum verwirklichen lassen."

Sie nennen Ihre Wochenbeilage Prager Tagblatt - Wo finden sich die Traditionen, auf die Sie sich damit beziehen, in der Prager Zeitung wieder?

"Das Prager Tagblatt war eine der bestgemachten deutschsprachigen Zeitungen der Zwischenkriegszeit. An diese Tradition anzuknüpfen ist natürlich heute recht vermessen. Denn das, was diese Zeitung ausgemacht hat, ist verloren gegangen: Einerseits sind die Menschen, die die Zeitung gemacht haben, die deutsch-jüdische intellektuelle Schicht, von den Nazis ermordet worden. Und auch die Leserschaft ist entweder ermordet worden oder 1945/46 vertrieben worden. Nichtsdestotrotz ist diese offene, liberale Tradition des Prager Tagblatts für uns auch Verpflichtung."