EU-Innenminister-Treffen in Prag: Grünes Licht für Schengen-Erweiterung

Innenminister Ivan Langer (Foto: CTK)

Frei Fahrt in ganz Europa: Eine Ampel mit drei grünen Lichtern ist das Symbol der im Dezember anstehenden Erweiterung des Schengen-Raumes. Grünes Licht gab es auch bei dem abschließenden Vorbereitungstreffen der EU-Innenminister am vergangenen Freitag in Prag.

Die EU-Erweiterung von 2004 geht, wenn man so will, in die zweite Runde: Dreieinhalb Jahre nach dem Beitritt der zehn neuen Mitgliedsstaaten steht die Europäische Union nun vor einem wichtigen Markstein der inneren Integration. Im Dezember treten alle neuen Mitgliedsstaaten mit Ausnahme von Zypern nun auch der Schengen-Zone bei. Das bedeutet: keine Grenzkontrollen von Tallin bis Lissabon und von Kosice bis Reykjavik. Grünes Licht haben am Freitag beim abschließenden Vorbereitungstreffen in Prag die EU-Innenminister gegeben. Ein historischer Moment, wie auch der tschechische Ressortchef Ivan Langer unterstrich:

"Dieses Prager Treffen ist der Höhepunkt einer bedeutenden Etappe in der Geschichte der Europäischen Union und ihrer Mitgliedsländer, darunter insbesondere der neun neuen EU-Staaten."

In einer "Prager Deklaration" konnten die Anwärterstaaten gemeinsam feststellen, die Vorbereitungen auf den Schengen-Beitritt erfolgreich abgeschlossen und alle Anforderungen erfüllt zu haben. Man sei bereit und in der Lage Verantwortung für die gesamte Union zu übernehmen, hieß es. Aber auch die historische Bedeutung wurde in der Erklärung nicht vergessen. Nochmals Innenminister Langer:

Innenminister Ivan Langer  (Foto: CTK)
"Wir erlauben uns auch, unsere Freude auszudrücken über die lang erwartete Einführung der Freizügigkeit des Personenverkehrs, mit der eine der Grundfreiheiten verwirklicht wird, die schon in der Idee der Europäischen Integration zum Ausdruck kommt. Wir wünschen uns, dass wir diese Freunde mit allen EU-Staaten und mit den an anderen Ländern, die an der Schengen-Zusammenarbeit beteiligt sind, bei den Feierlichkeiten zu der Erweiterung teilen können."

Streit und zähe Verhandlungen hatte es in den zurückliegenden Jahren um die Übernahme des Schengener Informationssystems SIS gegeben. Der Anschluss an die zentrale Datenbank ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Beitritt zur Schengen-Zone. Eigentlich sollte die Erweiterungsrunde erst mit dem Start der runderneuerten Version SIS II erfolgen. Ob und wann sie kommt, steht aber noch in den Sternen. Der Durchbruch gelang dank eines Kompromissvorschlags aus Portugal: "SIS I for all" ist der Name der überarbeiteten Schengen-Datenbank, die alle Schengen-Staaten gemeinsam nutzen. "One for all", einer für alle, alle für einen - vielleicht kein Zufall, dass gerade das Motto der drei Musketiere in dem Namen anklingt. Vize-Innenminister Jose Magalhaes konnte nun für die portugiesische EU-Ratspräsidentschaft in Prag die Früchte der Mühen ernten.

"An erster Stelle muss hervorgehoben werden, dass es sich hier um das Ergebnis einer ernormen Anstrengung aller EU-Staaten und um einen Ausdruck einer neuen Solidarität innerhalb der EU handelt. Wir werden nicht mehr länger über alte und neue Mitgliedsstaaten sprechen, denn wir alle sind Teilnehmer an dem Schengener Informationssystems ´SIS I for all´. Aus dieser Tatsache ist ein neuer Dialog zwischen den Staaten entstanden. Und genau darum geht es bei Europa. Was wir hier erreichen, ist von höchster Wichtigkeit. Das Schengen-Evaluations-Komitee hat jetzt in Brüssel festgestellt, dass alle neun Staaten alle Bedingungen für die Erweiterung des Schengen-Raumes erfüllen. Und das ist ein historisches Ereignis!"

Portugiesischer Vize-Innenminister Jose Magalhaes  (Foto: CTK)
Die EU-Innen- und Justizminister sowie das Europäische Parlament müssen den Bericht nun noch annehmen und die Schengen-Erweiterung absegnen. Die portugiesische Ratspräsidentschaft hat aber bereits erkennen lassen, dass dem nichts mehr im Wege steht. Noch vor Weihnachten, genau am 21. Dezember sollen dann tatsächlich an den EU-Innengrenzen alle Lichter auf grün springen, bestätigte als EU-Vertreter Portugals Vize-Innenminister Jose Magalhaes in Prag:

"An diesem Tag werden die Grenzkontrollen aufgehoben, aber neue Technologie und polizeiliche Zusammenarbeit werden den Bürgern sogar eine größere Sicherheit als zuvor garantieren. Die neuen Staaten können das Schengener Informations-System (SIS) nutzen, das ihnen bereits jetzt bei der Kriminalitätsbekämpfung hilft und die Grenzübertritte für die Bürger sicherer macht. Zusammen mit dem neuen Lissabonner Abkommen, das im Dezember unterzeichnet werden soll, ist unsere Hoffnung, dass Europa das Jahr 2008 mit einer neuen Perspektive von mehr Freiheit, mehr Sicherheit und mehr Gerechtigkeit beginnen kann. Das ist unser Leitmotto und das ist der Grund, warum wir hier zusammensitzen und zusammenarbeiten für einen gemeinsamen Nutzen."

Auf dem Prager Innenminister-Treffen war auch der deutsche Ressortchef Wolfgang Schäuble zugegen. Vor allem aus den angrenzenden deutschen Bundesländern waren in den letzten Monaten immer wieder Zweifel daran laut geworden, dass Tschechien, Polen und die anderen Schengen-Anwärter tatsächlich ausreichend auf die Aufhebung der Grenzkontrollen vorbereitet sind. Für den Bundesinnenminister eine Erinnerung an die erste Runde der Schengen-Integration:

"Wir haben dieselben Debatten gehabt, als wir die Grenzkontrollen an den deutschen Westgrenzen abgeschafft haben. Aber wir haben dann eine sehr enge Zusammenarbeit zwischen der Polizei von Bund und Ländern und den Zollbehörden installiert. An der deutsch-französischen Grenze wurde dazu das gemeinsame Zentrum für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Polizei und des Zolls in Kehl eingerichtet. Ich habe zusammen mit meiner französischen Kollegin vor kurzem die polnischen und tschechischen Kollegen nach Kehl eingeladen, und ebenfalls auch die Innenminister der betroffenen Bundesländern Mecklenburg, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Bayern. Wir waren uns einig, dass wir das nach genau diesem Vorbild auch für die deutsch-polnische und die deutsch-tschechische Grenze Zentren einrichten werden, in denen alle beteiligten Polizei- und Zolldienststellen beider Seiten permanent zusammenarbeiten werden. An der deutsch-polnischen Grenze wird das Zentrum gegenüber von Frankfurt an der Oder entstehen, an der deutsch-tschechischen Grenze in Schwandorf. Die Vorbereitungen laufen bereits, und die Zentren stellen sicher, dass Risiken gesenkt werden. Wir haben es ausgewertet: an der deutsch-französischen Grenze hat die Kriminalität abgenommen, seit wir die Grenzkontrollen abgeschafft haben. Und das wird hier genauso sein: Polen und Tschechien wie auch die anderen neuen Schengen-Staaten kontrollieren an ihren Außengrenzen genauso effektiv wie Deutschland. Zugleich verbessern wir die Zusammenarbeit der Polizei in einer substantiellen Weise im Inneren des Schengen-Raums. Damit tragen wir also den Bedenken aus den Bundesländern Rechnung. Wir werden im übrigen in den kommenden Wochen noch eine Reihe von gemeinsamen Terminen vor Ort wahrnehmen: Bundes- und Landesinnenministerien gemeinsam mit den polnischen und tschechischen Partnern, und das, um die Zusammenarbeit vorzubereiten und der Bevölkerung zu erklären was stattfinden wird und wie das vor sich gehen wird. Es werden sich ja im übrigen auch die Bundespolizei und auch die tschechische und die polnische Grenzpolizeien nicht zurückziehen - sie werden nur nicht mehr stationär kontrollieren, sondern stattdessen in einem 30-Kilometer-Streifen beiderseits der Grenze gemeinsam auf Streife gehen, gemeinsame Übungen machen und auch den Informationsaustausch verstärken, so dass wir am Ende nicht weniger, sondern mehr Sicherheit haben."

Die historische Erweiterung des Schengen-Raums kurz vor Weihnachten ist für Europa endlich auch wieder ein Grund, positiv in die Zukunft zu schauen und zu feiern - nach dem Scheitern der ursprünglichen EU-Verfassung hatte es an solchen Anlässen zuletzt gemangelt. Auch der deutsche Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble will das Datum nicht ungenutzt verstreichen lassen:

"Wir haben vorgesehen, dass wir eine gemeinsame Zeremonie in dem Dreieck zwischen Polen, Tschechien und Deutschland machen, so dass ich mit den polnischen und tschechischen Kollegen zusammen sein werde, und er werden vermutlich auch die Staats- oder Regierungschefs dabei sein."

Für den Termin der Grenzöffnung am 21. Dezember sind insgesamt vier offizielle Feiern jeweils an Schnittstellen zwischen den alten und den neuen Schengen-Staaten geplant.