Kafkas gesammelte Werke auf Tschechisch - die Rückkehr eines Autors
Franz Kafkas gesammelte Werke sind erstmals komplett auf Tschechisch verfügbar: Gerade ist der letzte Band der Werkausgabe "Briefe an die Freunde und andere Korrespondenz" erschienen. Die Reihe wird seit 1997 von der Prager Franz Kafka-Gesellschaft im eigenen Verlag herausgegeben.
"Kafka lebte unter Tschechen. Die Sprache war für ihn sehr angenehm. Er mochte sie. Auf der anderen Seite war er auch aktiv - nicht perfekt, aber sehr gut - der Sprache mächtig. Und seine passiven Sprachkenntnisse waren fantastisch", sagt Josef Cermak, der den Prozess, Amerika und Kafkas Tagebücher übersetzt hat.
Franz Kafka liebte das Tschechische nicht nur, es war außerdem die erste Sprache, in die seine Schriften schon in den 1920er Jahren übersetzt wurden. Eine Gesamtausgabe konnte jedoch erst 80 Jahre später erscheinen. Die Gründe dafür erklärt die Herausgeberin, Marketa Malisova:
"Die Herausgabe von Franz Kafkas Werken haben geschichtliche Ereignisse verhindert. Hiermit meine ich die gesammelten Werke. Natürlich sind einzelne Übersetzungen von Zeit zu Zeit erschienen, aber die ganze Ausgabe herauszugeben, haben erst die 90er Jahre erlaubt - nach der Samtenen Revolution, als die Gesellschaft und die ganze Atmosphäre hier freier geworden ist."
Erstmals übersetzt wurden Kafkas Tagebücher und Briefe. Die Romane und Erzählungen erschienen während des Kommunismus in geringer Auflage und unterschiedlichen Ausgaben. Für die Kommunisten war Kafka ein bourgeoiser Schriftsteller, Inbegriff dekadenter Literatur. In der Tschechoslowakei, wo er gelebt und gearbeitet hatte, wurde Kafka zum vergessenen Autor. Dies änderte sich nach der Samtenen Revolution nur langsam, wie Marketa Malisova aus eigener Erfahrung weiß:
"Es gibt diese Geschichte dazu, die ich schon öfter erzählt habe: irgendwann Anfang der 90er Jahre bin ich in eine Galerie gekommen und dort arbeitete eine Studentin. Als sie erfuhr, dass ich von der Franz Kafka-Gesellschaft sei, sagte sie: Kafka? Wer war das, dieser Kafka? Irgend so ein Amerikaner? Denn alle Amerikaner fragen hier nach ihm."
Langsam ändert sich die Wahrnehmung Kafkas in seiner Heimat jedoch: Mittlerweile ist Kafka in den Schulen Pflichtlektüre, es gibt ein Franz Kafka-Museum in Prag und mit der Gesamtausgabe können die Tschechen nun alle seine Schriften lesen. Kafka ist in Tschechien angekommen. Zehn Jahre hat die Herausgabe seiner Werke gedauert - und ungefähr zehn Millionen Kronen kostete das Projekt. Für die Franz Kafka-Gesellschaft ist die Arbeit damit nicht beendet: Der Aspekt der Beziehungen von Kafka zu seinem tschechischen Umfeld ist erst seit kurzem ins Blickfeld der Forschung gerückt, sagt Josef Cermak:
"Es ist schon so viel über Kafka geschrieben worden. Aber eines bleibt noch - und das hat die hiesige politische Situation verursacht. Der Anteil des Tschechischen in Kafka ist noch nicht genug erforscht worden. Das zu ergänzen ist noch eine Chance für uns, für tschechische Kafka-Forscher."