Aus aller Herren Länder - Kinder und Kindeskinder lernen in Dobruska die Sprache ihrer Vorfahren

Sommersprachkurs in Dobruska

Seit vielen Jahren werden in der nordostböhmischen Kleinstadt Dobruska Sommersprachkurse ganz besonderer Art ausgerichtet. Die Liste der Teilnehmer der Tschechisch-Kurse in Dobruska ist lang: Algier, Australien, Ägypten, Südafrika, Holland, Kanada, Uruguay, Russland, Palästina, Italien...

Dobruska
Die Ländernamen auf der Liste klingen nach einer Weltreise und so ähnlich ist es wohl auch in den meisten Fällen. In die nordostböhmische Kleinstadt Dobruska kommt man aus der ganzen Welt. Ebenso bunt wie die Liste der Herkunftsländer lesen sich die Berufe der Teilnehmer. In den Schulbänken sitzen nebeneinander Studenten, Rentner, Ingenieure, Sekretärinnen, Musiker, Architekten, Hoteliers oder Journalisten. Sie alle drücken für vier Wochen im Sommer gemeinsam die Schulbank und lernen - wie viele sagen - eine der schwierigsten Sprachen der Welt: Tschechisch.

Sebastian Bajsa
Das ist aber nicht die einzige Gemeinsamkeit der Teilnehmer. Gleich aus welchem Winkel der Welt sie angereist sind, sie alle haben ihre Wurzeln in Böhmen oder Mähren. Ihre Väter, Großväter, Mütter oder Großmütter sind zumeist im 20. Jahrhundert ausgewandert oder geflüchtet - vor den Nationalsozialisten oder Kommunisten oder ganz einfach ausgewandert aus unbekanntem Grund. Wie im Falle von Sebastian Bajsa aus Uruguay: Sein Urgroßvater ist 1928 über Italien per Schiff nach Südamerika ausgewandert und hat in Uruguay geheiratet. Zwei Jahre nach der Geburt seines Sohnes verstarb er. Sebastian Bajsa, sein Enkel, weiß nicht, was seinen Großvater damals bewogen hat, die Tschechoslowakei zu verlassen. Jetzt lernt Sebastian Tschechisch und forscht nach seinen Wurzeln.

Den Sprachaufenthalt in Dobruska bezahlt der tschechische Staat, genauer das Außenministerium. Wer tschechische Wurzeln hat oder sich in irgendeiner Form für die tschechische Kultur einsetzt, kann ein Stipendium bekommen, das alle Kosten für den Sprachaufenthalt abdeckt. Bei Lysann Schönherr ist das etwas anders: Sie hat keine tschechische Großmutter. Lysanne - woher kommst du? Und warum lernst du so eine schwierige Sprache?

Sommersprachkurs in Dobruska
"Ich komme aus Deutschland, genauer gesagt aus Dresden und lerne jetzt bereits seit 4 Jahren Tschechisch. Aus dem Grund, weil ich einen tschechischen Freund habe, der hier in der Umgebung wohnt. Ich wohne im Moment auch bei seiner Familie, in der alle nur Tschechisch sprechen und keine anderen Sprachen beherrschen. Deswegen brauche ich Tschechisch unbedingt. Darum habe ich mich hier bei dem Sprachkurs angemeldet. Ich habe vorher schon anderthalb Jahre in Tschechien als Deutschlehrerin gearbeitet. Im Moment bin ich aber in der Slowakei als Kulturmanagerin der Robert-Bosch-Stiftung. Ich freue mich einfach hier zu sein."

Soweit Lysann Schönherr. Man braucht also nicht unbedingt tschechische Wurzeln zu haben. Es gibt auch andere gute Gründe in Dobruska Tschechisch zu lernen.

Fotos: Martina Stejskalova