Zellen zu Ateliers - deutsche und tschechische Künstler trafen sich im Kloster Tepl / Tepla

Kloster Tepl

Kunst kann Horizonte erweitern und Grenzen überschreiten - auch Staatsgrenzen. So geschehen in der vergangenen Woche im nordwestböhmischen Prämonstratenserkloster Tepl / Tepla bei Marienbad / Marianske lazne. 19 tschechische und deutsche Künstler kamen in den Mauern des altehrwürdigen, aber geschundenen Klosters zu einem Symposium zusammen. Austausch, Inspiration und gemeinsames Schaffen erwarteten sie.

Kloster Tepl
Zusammengerufen hatte sie der Esslinger Verein der Freunde des Klosters Tepla und ein tschechischer Künstlerkreis aus Olomouc / Olmütz. Und zwar zum vierten Mal. Neun tschechische und neun deutsche Künstler trafen sich in der vergangenen Woche, um in den geschichtsträchtigen, teils verfallenen Mauern des Klosters Tepl bei Marienbad in Klausur zu gehen.

"Da musste man erstmal eine Treppe hoch, dann musste man eine Treppe wieder runter und dann musste man wieder eine Treppe hoch und irgendwo landete man dann im Kreuzgang und an diesem Kreuzgang sind die einzelnen Mönchszellen angeordnet und dort verschwand man dann in seiner Zelle."

Der Bremer Tilman Rothermel war einer der Künstler im Kloster, welche die Mönchszellen zu ihren Ateliers gemacht haben. Die Zellen wurden zu Ateliers und das über 800 Jahre alte Prämonstratenserkloster Tepl - zur kommunistischen Zeit als Kaserne missbraucht und verwüstet - wurde für die Künstler beider Länder zu einem Ort der Entdeckung, wie Tilman Rothermel erzählt:

"Eigentlich waren immer alle Leute in ihren Zellen und haben dort gearbeitet oder sich unterhalten oder sind im Klostergebäude herumgestiefelt und haben geguckt, wie es im Keller oder im Stock darüber aussieht. Da gab es viele Türen, die mit Draht verschlossen waren. Die wurden natürlich alle aufgemacht, um reinzugucken, was da so drin ist. Es war also eine sehr große "Erforschung" des Geländes und der ganzen Möglichkeiten."

Das gemeinsame Thema der Künstler war das über 600 Jahre alte Werk "Der Ackermann und der Tod" von Johannes von Tepl, der dort die Klosterschule besucht und später als Stadtschreiber von Saaz gearbeitet hat. Ein in seiner Zeit einzigartiger Text voller Wut und Wucht. Ein böhmischer Ackermann klagt den Tod an, der ihm seine geliebte Frau genommen hat. Es entsteht ein Streitgespräch, dessen Gedanken den Übergang vom Mittelalter zum Humanismus der Renaissance widerspiegeln. Tilman Rothermel hat den "Ackermann und den Tod" zuerst als Pflichtlektüre kennen gelernt:

"Also ich kenne den Text seit der Schulzeit. Ich hab ihn natürlich nie intensiv studiert, aber ich habe mich in vielfältiger Weise auch immer wieder mit dem Thema Tod beschäftigt und schon vor 20 Jahren ganze Bilderzyklen zu diesem Thema gemacht. Und von daher gesehen war so ein Thema, wie es in dem "Ackermann und dem Tod" drinsteckt, für mich ein sehr interessantes Thema. Diese Auseinandersetzung zwischen dem Lebenswillen und dem Tod, der sehr nüchtern und deutlich sagt, dass er uns alle auffressen wird, ist natürlich eine Geschichte, die jeden von uns angeht."


"Grimmiger Vertilger aller Völker, schadenbringender Verfolger aller Menschen, furchtbarer Mörder aller guten Leute, Tod, Euch sei geflucht! Gott, Euer Schöpfer, hasse Euch, wachsendes Unheil hause bei Euch mit seiner Gewalt, gänzlich geschändet seiet immerdar! Angst, Not und Jammer verlasse Euch nicht, wo ihr auch wandert; Leid, Betrübnis und Kummer begleite Euch allenthalben; leidvolle Anfechtung, entehrende Vorahnung und schimpfliche Strafe bedränge Euch heftig an jedem Ort! Himmel, Erde, Sonne, Mond, Sterne, Meer, See, Berg, Gefilde, Tal, Aue, der Hölle Abgrund, auch alles, was Leben und Wesen hat, sei Euch unhold, missgünstig und fluchend ewiglich!"


"Was mir dabei aufgefallen ist und was mir ganz besonders wichtig war, wo auch deutlich wird, dass dieser Text zwar sehr stark von Renaissance und Humanismus angefärbt ist, aber eben noch mindestens mit einem Bein voll im Mittelalter steht, das ist eigentlich dieses Umkippen des Ackermanns, der am Anfang mit einer ungeheuren Intensität den Tod anklagt, aber letzten Endes immer weinerlicher wird und zum Schluss den Tod bittet ihm zu sagen, wie er denn jetzt eigentlich weiterleben soll. Diese Art von Metamorphose des Ackermanns, der mit einer großen Wucht, mit Stolz und einer Leidenschaft gegen das mittelalterliche Weltbild in der Form des Todes angeht und dann doch letzten Endes wieder zurückmarschiert!"

Für Tilman Rothermel war es eine produktive Klosterwoche. Sieben Zyklen aus jeweils sieben Bilder hat er geschaffen. Und auch die Mönchszelle selbst wurde für ihn zur Inspiration über eine mechanisierte Erscheinung des Todes nachzudenken, wie sie in den Konzentrationslagern wütete:

"In meinem Raum gab es einen Abfluss. Und da hatte ich immer ein Brett drüber gelegt und einen Eimer darauf gestellt, damit ich da nicht reinstolpere. Dann gab es auch noch ein Rohr, ein Gasleitungsrohr, das aus dem Boden herauskam. Und plötzlich hatte ich die Idee, eine Installation zu machen, wo irgendwie etwas sehr Holpriges, sehr Improvisiertes aber doch eine Auseinandersetzung mit diesem Thema für mich dabei herauskam - in der eigenen Zelle."

Ein junger Künstler aus Tschechien, erzählt Tilman Rothermel, hatte in einem Winkel seiner Zelle ein Leninplakat gefunden, was offensichtlich noch aus den Zeiten der Besetzung durch das tschechoslowakische Militär stammte. Das Leninplakat wurde zum Kunstobjekt. Der Künstler hat Lenin versucht so zu interpretieren, dass dieser - ähnlich wie der Ackermann - den Tod zur Hölle schickt.

"Das sah so aus, dass er dieses Plakat an die Wand geklebt und dann einen Text dazu geschrieben hat, der - sagen wir - in einer gewissen Weise unanständig war und der Lenin als gottähnlich darstellen wollte."

Lenin, der sich anmaßt, seine menschlichen Grenzen zu überschreiten. - Auch eine Art sich mit dem Ackermann auseinanderzusetzen und zugleich Anlass zu heftigen Diskussionen unter den Künstlern. Am Ende der Schaffenswoche wurden die Atelier-Zellen der Künstler schließlich in Ausstellungsräumen verwandelt:

"Am Freitagabend waren alle Leute fertig und haben ihre Zellen zu Ausstellungsorten hergerichtet. Und dann ging man erst unter Künstlern durch die ganzen Ausstellungen durch - also durch die Zellen und hat dort besprochen, was die Einzelnen so gemacht haben und hat nachgefragt. Zwei Stunden später war dann eine Vernissage."

Und zu der kamen dann sogar die Hausherren selbst, der Abt und die Mönche des Prämonstratenser-Klosters.

Fotos: Tilman Rothermel