Blaue flache Welt? Neues Buch des Staatspräsidenten erzürnt Umweltschützer
Der blaue, und nicht der grüne Planet. So lautet übersetzt der Titel eines Buches, das am Mittwoch der tschechischen Öffentlichkeit präsentiert wurde. Autor des Werks ist Staatspräsident Vaclav Klaus, der für seine distanzierte Haltung gegenüber Öko-Initiativen bekannt ist und auch gerne aktuelle Erkenntnisse zum Thema Klimawandel in Zweifel zieht. Umweltaktivisten kritisieren das Staatsoberhaupt indes immer lauter. So hat Greenpeace noch am Mittwoch den fiktiven Fortsetzungsband des präsidialen Werkes angekündigt: "Der flache, und nicht der runde Planet", soll er heißen.
Ein besonderer Fall ist das Buch aber wohl noch aus einem anderen Grund: Beim Autor handelt es sich um niemand geringeren als um den tschechischen Staatspräsidenten Vaclav Klaus. "Modra, nikoli zelena planeta" heißt der Band. Zu Deutsch: Der blaue, und nicht der grüne Planet. Thema sind die immer häufigeren Warnungen vor der globalen Erwärmung, denen Klaus bekanntlich äußerst reserviert gegenübersteht:
"Es geht in dem Buch nicht um die Messung von Temperatur, auch wenn dies natürlich eine Rolle spielt" sagt Klaus. "Vielmehr geht es darum, ob der Mensch an den klimatischen Veränderungen einen Anteil hat, und ob sein Einfluss tatsächlich so groß ist, dass er die Hysterie, die nun entsteht, auch rechtfertigt. Es geht darum, ob die menschliche Gesellschaft heute ihr Verhalten ändern und riesige Summen für Maßnahmen ausgeben soll, deren positive oder auch negative Effekte vielleicht erst in 100 Jahren sichtbar sind."
Seine zentrale Frage stellt der Autor im Zusatztitel des Buches: "Ist das Klima bedroht, oder die Freiheit?" heißt es hier, und wer Klaus kennt, wird sich über diese Alternative kaum wundern. Bereits Ende März schrieb das Staatsoberhaupt in einer Stellungnahme für den US-amerikanischen Kongress:
"Der Kommunismus wurde ersetzt durch die Bedrohung vonseiten des ambitiösen Environmentalismus. Diese Ideologie verkündet, dass es ihr um den Schutz der Erde und der Natur geht, und unter diesem Slogan will sie - ähnlich wie einst die Marxisten - die freie und spontane Entwicklung der Menschheit durch eine Art zentrale (heute globale) Planung der gesamten Welt ersetzen."Draußen vor dem Café haben sich Demonstranten versammelt, Mitglieder und Sympathisanten von Greenpeace. Einer ist als Klaus verkleidet und drückt ein Transparent gegen die Scheibe des Lokals. Drinnen fährt der echte Klaus fort mit seinen Ausführungen. Die "Environmentalisten", sagt er und meint damit Umweltaktivisten aus verschiedensten Initiativen und Vereinen, würden davon profitieren, dass der Klimawandel in letzter Zeit zum Modethema geworden sei:
"Wollen wir wirklich zulassen, dass sich politische Bewegungen von dieser Welle der Hysterie tragen lassen? Bewegungen, wie sie gerade jetzt vor dem Cafe Slavia demonstrieren, was ja sehr reizend ist? Bewegungen, die wirklich etwas ganz anderes wollen als die menschliche Freiheit? Das ist das Thema meines Buches!"
Was seine Ausbildung betrifft, so ist Vaclav Klaus Ökonom. Die Ökonomie, meint er, sei die Wissenschaft "par excellence" und methodisch am weitesten fortgeschritten. Sie befasse sich nämlich mit nichts geringerem als mit den Beziehungen zwischen den Menschen. Diese Beziehungen seien stets von Veränderungen geprägt, und umsonst gebe es dabei gar nichts. Jede Veränderung sei in gewissem Sinne ein Tausch. Deshalb sei der ökonomische Blick auf die Welt breiter als nur der Blick auf Märkte oder Gewinnspannen.
Das Tauschgeschäft als Grundlage jeglichen Handelns? Die Ökonomie als Superwissenschaft, die in der Gesellschaftslehre der Soziologie den Rang abläuft, ebenso wie in der Klimadebatte der Ökologie? Kritiker von Klaus sehen das ganz und gar nicht so, und werfen dem Präsidenten vor, sich immer wieder zu Dingen zu äußern, von denen er schlichtweg keine Ahnung hat. Eine Anschuldigung, die Klaus postwendend zurückgibt:"Ich glaube, wir sehen hier an den Demonstranten vor dem Cafe, dass sich ganz andere Leute als Wissenschaftler dem Thema der globalen Erwärmung angenommen haben. Leute, die eine Welt voll von Anordnungen, Vorschriften und Verboten schaffen möchten und die Diskussion über bestimmte Themen unterbinden wollen. Leute, die erzwingen möchten, dass über manche Dinge nur auf eine einzige Art gesprochen werden darf, nämlich auf die Art, die heute als politisch korrekt bezeichnet wird. Das ist der Versuch, eine Welt zu schaffen, die wir hier auf unserem Territorium bereits einmal erlebt haben. Und deshalb erhebe ich meine Stimme!"
Die Umweltschützer Tschechiens sehen sich freilich nicht als ideologische Nachfahren des kommunistischen Regimes. Im Gegenteil: Auf parlamentarischer Ebene haben die Grünen erst vor wenigen Monaten eine Mitte-Rechts-Koalition mit Bürgerdemokraten und Christdemokraten gebildet und sich damit als liberale Partei etabliert, die dabei geholfen hat, die Kommunisten von der Macht fernzuhalten. Greenpeace-Aktivisten halten die Theorien in Klaus' Buch für so abstrus, dass sie vor dem Cafe Slavia bereits einen fiktiven Fortsetzungsband namens "Der flache, und nicht der runde Planet" präsentiert haben:
"Wir wollten darauf hinweisen, dass sich der Herr Präsident in dieser Sache wirklich völlig außerhalb der aktuellen wissenschaftlichen Diskussion bewegt", sagt Jan Rovensky von Greenpeace Tschechien. "Seine fixe Idee, dass die Welt mit einer Verschwörung von Klimatologen, böswilligen Politikern und 'Environmentalisten' konfrontiert ist, die nach Macht und Ansehen streben, ist meiner Ansicht nach völliger Unsinn. Das ist so, als würde man behaupten, dass hinter dem Rauchverbot in öffentlichen Einrichtungen eine Verschwörung der Ärzte steht."
Wirklich überrascht waren die Umweltschutzorganisationen aber wohl nicht vom Vorstoß des tschechischen Staatsoberhaupts. Greenpeace-Sprecher Karel Dolejsi etwa ist die Haltung von Klaus gegenüber Umweltthemen bereits seit langem ein Dorn im Auge:"Wenn ich meine persönliche Meinung sagen soll: Mich erinnert das alles an die Situation vor 1989, als Michael Gorbatschow offen über die Probleme des sowjetischen Machtblocks gesprochen hat, während in Prag Generalsekretär Milous Jakes saß und Angst hatte, dass er mit seinen Ansichten letztlich alleine dasteht. Jetzt ist es so, dass sogar George Bush den menschlichen Einfluss auf die globale Erwärmung anerkennt, aber unser Präsident davon einfach nichts wissen will", so Dolejsi.
Nichts wissen wollte Klaus übrigens auch von der Regierungsbeteiligung der Grünen. Und das, obwohl der Chef dieser Regierung, der Bürgerdemokrat Mirek Topolanek, die Partei anführt, die Klaus einst gegründet hat und deren Ehrenvorsitzender er noch heute ist. Dass Topolanek und Klaus nicht die besten Freunde sind, gehört zur politischen Folklore im Land. Auch vor diesem Hintergrund kann "Der blaue, und nicht der grüne Planet" gelesen werden.