Umstrittene Steuerreform gefährdet tschechische Regierung

Am vergangenen Donnerstag war die neue Mitte-Rechts-Regierung von Premierminister Mirek Topolanek 100 Tage alt. Das erste Resümee, das nach dieser Frist üblicherweise gezogen wird, steht bereits im Zeichen von Spekulationen über ein vorzeitiges Ende des Kabinetts. Kann die Regierung mit ihrer labilen Parlamentsmehrheit langfristig überleben? Oder könnten die aktuellen Steuerreformpläne sich bereits als erster Stolperstein erweisen?

Vlastimil Tlusty
Vor drei Monaten war er noch Finanzminister, jetzt gilt Vlastimil Tlusty als der neue Rebell in der Abgeordnetenfraktion der regierenden Bürgerdemokraten (ODS). Tlusty galt stets als Kopf hinter dem ODS-Prestigeprojekt eines einheitlichen Steuersatzes von 15 Prozent, aber der ODS-Minderheitsregierung, in der er das Finanzressort angeführt hatte, war nur eine kurze Lebensdauer beschieden. Sie verlor die Vertrauensabstimmung im Parlament, danach entstand die jetzige Koalition mit Christdemokraten und Grünen, in der es für Tlusty keinen Job mehr gab.

Die Steuerreformpläne seines Nachfolgers Miroslav Kalousek lehnt Tlusty ab. Den Vorwurf, dass gekränkte Eitelkeit dabei eine Rolle spielt, weist er zurück. Eigentlich handle es sich nämlich gar nicht um eine Reform, meint er, sondern bestenfalls um ein Paket von Maßnahmen, in dem sich seine eigenen Ideen nur noch in stark verwässerter Form wiederfinden:

"Ich sage immer, dass von meinem ursprünglichen Vorschlag maximal zehn Prozent übrig geblieben sind. Andere haben mich korrigiert und sagen, es ist rein gar nichts übrig. Auf jeden Fall erfüllt die jetzige Variante den ursprünglichen Zweck der Reformpläne überhaupt nicht mehr. Darin liegt der wichtigste Unterschied. Die Reform, die wir vorbereitet haben, sollte eine Vereinfachung der Steuererklärung bringen, und sie sollte all jene begünstigen, die arbeiten und nicht von der Sozialhilfe leben, damit sich arbeiten wieder lohnt. Mit dem jetzigen Vorschlag würde man aber nur die höheren Einkommensschichten begünstigen, die Mittelschicht würde kaum profitieren. Dass es für diese zahlenmäßig stärkste Gruppe keine motivierenden Anreize geben soll, das ist ein schwerer Fehler dieses gesamten Maßnahmenpakets."

Was sehen die aktuellen Pläne konkret vor? Die berühmte 15 aus den Flat-Tax-Plänen Tlustys taucht auch im neuen Entwurf auf, und zwar als Steuersatz für selbstständig Erwerbstätige. Auch unselbstständig Beschäftigte sollen 15 Prozent an den Fiskus bezahlen. Als Berechnungsgrundlage dient bei ihnen allerdings nicht das normale Bruttogehalt, sondern etwas, das derzeit als Super-Brutto-Lohn durch die tschechischen Medien geistert. Gemeint ist damit das Bruttogehalt erweitert um jene Abgaben, die bereits der Arbeitgeber an den Staat abführen muss und die auf dem Lohnzettel der Angestellten normalerweise gar nicht zu finden sind. Weitere Neuerungen: Die Gewinnsteuer von Unternehmen soll schrittweise auf 19 Prozent gesenkt, der verminderte Mehrwertsteuersatz auf neun Prozent angehoben werden.

Flat-Tax-Planer Tlusty möchte diesem Paket seine Stimme nicht geben. Die Gesamtsteuerquote würde nicht gesenkt, sagt er, und die Neuverschuldung sei weiterhin viel zu hoch. Für das Jahr 2008 erwartet Tlusty ein Budgetdefizit von 130 Milliarden Kronen, das sind etwa 4,7 Milliarden Euro.

"Ich habe Tausenden von Menschen auf Hunderten von Veranstaltungen die Hand darauf gegeben, dass es eine echte Reform geben wird, eine Reform, die etwas bringt, die Sinn macht. Nachdem die Pläne nun so grundlegend geändert wurden, dass sie mit einer Reform so gut wie nichts mehr gemein haben, kann ich ihnen wirklich nicht mehr zustimmen. Ich sage ganz offen: Ich kann mir vorstellen, eines Tages nicht mehr in der Politik zu sein, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ich herumlaufe und den Leuten sage: 'Wissen Sie, der Plan hat sich ein bisschen geändert, leider ging es nicht anders, und von der ursprünglichen Variante ist halt leider nichts geblieben.' Ich will mich einfach nicht in der Rolle eines Betrügers sehen."

Mirek Topolanek
In einer Situation, in der die Regierungsparteien nur über 100 von insgesamt 200 Abgeordneten verfügen, hat das Nein Tlustys mehr als nur symbolische Bedeutung. Vor allem, weil Premierminister Topolanek den Fortbestand der Regierung vom Erfolg der Steuerreform abhängig machen möchte.

Die oppositionellen Sozialdemokraten und die Kommunisten sind ebenfalls gegen den Regierungsentwurf, wenngleich auch aus anderen Gründen als Tlusty. Dessen Flat Tax ist für sie ebenso unsozial wie die Steuerpolitik des derzeitigen Kabinetts. Wenn voraussichtlich im Sommer über das gesamte Paket abgestimmt wird, dann ist ein Erfolg der Vorlage also keineswegs garantiert. Ein Risiko, das die ODS wohl bewusst einkalkuliert, meint Jan Bures, Politologe an der Prager Karlsuniversität:

"Hier wird offenbar alles auf eine Karte gesetzt. Ich habe den Eindruck, dass die Strategie der ODS auf vorgezogene Wahlen abzielt. Die Politiker dort hoffen, dass eine Ablehnung ihres Vorschlags nicht unbedingt einen Rückgang in der Wählergunst mit sich bringen müsste. Im Gegenteil: Wenn die Abstimmung negativ ausfällt und damit gleichzeitig die Tür zu Neuwahlen geöffnet wird, dann könnte die ODS sich als Partei präsentieren, die große Reformen durchführen wollte, aber von der Opposition und von 'Verrätern' aus den eigenen Reihen daran gehindert wurde."


100 Tage Regierung Topolanek, das bedeutet auch 100 Tage Regierungsbeteiligung der Grünen. Voriges Jahr hatten sie erstmals den Einzug ins Abgeordnetenhaus geschafft, und bald darauf auch den Sprung ins Kabinett. Wie die Grünen sich nach der Wahl positionieren würden, das war von Vertretern anderer Parteien mit besonderem Interesse verfolgt worden. Von Anfang an nämlich schienen sie sich dem klassischen Links-Rechts-Schema zu entziehen. Politologe Jan Bures:

"Als die Rechte dann die letzten Wahlen gewonnen hat, haben sich die Grünen einfach pragmatisch verhalten. Außerdem haben die Partei und insbesondere ihr Chef Martin Bursik ziemliche Vorbehalte gegenüber dem sozialdemokratischen Parteichef Jiri Paroubek. Also war es fast logisch, dass sie sich der rechtsgerichteten Koalition anschlossen. Ich glaube aber, dass die Entwicklung umgekehrt verlaufen könnte, sollten die Sozialdemokraten gewinnen. Die Grünen könnten dann ebenso pragmatisch die Richtung wechseln, wie das die Christdemokraten tun, und auch für eine linksgerichtete Koalition zur Verfügung stehen."

Sicher ist indes, dass die Grünen sich in den Umfragen stabilisiert und die Christdemokraten bereits überholt haben. Sollte Tschechien also tatsächlich auf vorgezogene Wahlen zusteuern, dann würden mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder dieselben fünf Parteien ins Abgeordnetenhaus einziehen. Eine absolute Mehrheit für irgendeine Partei wäre unrealistisch, Koalitionsvarianten gäbe es einige. Am Ende würde man dann doch wieder Kompromisse erzielen müssen, wie das in der Politik eben nötig ist. Nachdem die Bildung einer mehrheitsfähigen Regierung zuletzt sechs Monate gedauert hat, sind neue Wahlen vor allem für die meisten Wähler keine verlockende Option.