Sie wollen parken? - Dann gehen Sie erst mal kopieren!

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In den Straßen der tschechischen Hauptstadt ist das Parken ein Kreuz. Autos stehen Stoßstange an Stoßstange. Oft passt kaum mehr ein Haar dazwischen. Wer da einen Parkplatz für sich ganz allein reserviert hat, ist schon mal ein großes tagtägliches Problem los. Das steht jedoch nur behinderten Menschen zu. Dennoch: Die Schilder mit dem großen "P" und dem kleinen Rollstuhl haben in letzter Zeit im Straßenbild rasant zugenommen. Christian Rühmkorf ist dem nachgegangen.

Autos in Prag
Ein Auto kommt die Lucemburska-Straße heruntergefahren, wird langsamer, hält beinahe an. Der Fahrer schaut sich um. Nichts. Er gibt Gas. Wieder eine erfolglose Parkplatzsuche. Gerade in den letzten Monaten haben jedoch in dieser Straße und anderswo auffallend viele Anwohner ihren Parkplatz mit einem Behinderten-Schild auf dem Bürgersteig ausgestattet. Hier darf nur parken, wer auch einen Behindertenausweis hat. Sonst gibt es ein Problem. So erging es auch Jaromir Jagr. Es war einer der herrlich warmen Juli-Tage im vergangenen Jahr, als der weltweit bekannte tschechische Eishockey-Star seine Limousine um den Prager Wenzelsplatz steuerte und nach einem Parkplatz Ausschau hielt. Er fand einen. Auf dem Pflaster war weiß aufgepinselt ein großer Stuhl mit Rollen. Das Problem: Die Polizei und ein Kamerateam des Privatsenders TV Nova waren vor Ort. Ein anderes Problem: Seit dem 1. Juli galt die neue Straßenverkehrsordnung, die das Parken auf Behindertenparkplätzen mit Führerscheinentzug bestraft.

"Wir haben gegen das Gesetz protestiert und zur Stunde berät die Regierung über eine Gesetzesnovelle, die nur eine Geldstrafe vorsieht. Wir wollen allerdings, dass die Strafe hoch ist, dass sie spürbar ist. Aber Führerscheinentzug ist absolut übertrieben, denn jemand, der sein Auto unberechtigt auf einem Behindertenparkplatz abstellt, gefährdet nicht das Leben anderer, er macht es ihnen nur unangenehmer. Da muss man unterscheiden."

Der, der das sagt, sitzt im Rollstuhl. Vaclav Krasa, ein Mann Ende Fünfzig. Er ist der Vorsitzende des tschechischen "Nationalrates der Menschen mit Behinderung". Aufgabe des Nationalrates ist es, die Interessen dieser Bevölkerungsgruppe zu vertreten und zu verteidigen sowie Konzepte in Politik und Gesellschaft durchzusetzen, welche die Lebensqualität für Behinderte verbessern. Und dennoch: Man solle nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen. Führerscheinentzug sei nicht adäquat, meint Vaclav Krasa. Aber wie kommt es, dass gerade in den letzten Monaten die für Behinderte reservierten Parkplätze wie Pilze aus dem Boden schießen?

"Ich glaube, dass die gekennzeichneten Parkplätze sich so vermehren, weil wir Gesetze haben, die den Behinderten diese Möglichkeit einräumen - das zum einen. Zum anderen wird das aber auch missbraucht. Denn gerade wenn der Parkplatz durch das Gesetz geschützt ist, dann ist das auch besonders interessant für einen Menschen, dem ein solcher Parkplatz eigentlich nicht zusteht. Und leider ist dieser Missbrauch in den tschechischen Verhältnissen möglich. Das ist ein Problem, das wir noch lösen müssen."

Das Verfahren für die Ausgabe der Behinderten-Karten für Autofahrer ist sinnvoll und gut, meint Vaclav Krasa. Die Karte kann nur derjenige bekommen, der den Ausweis ZTP/P besitzt. Ein Behinderter also, der eine Begleitperson braucht. Und dieser Ausweis wird in einem Verwaltungsverfahren auf der Basis eines ärztlichen Gutachtens ausgegeben. Den Ausweis, so Krasa, kann also keiner bekommen, der nicht berechtigt ist. Und erst mit diesem Schein ist es möglich, den Parkausweis für das Auto zu bekommen oder sogar einen eigenen Parkplatz, der also für ein bestimmtes Autokennzeichen reserviert ist. Das Problem liegt woanders. Die Karte lässt sich nämlich auch auf anderen Wegen beschaffen:

"Man kann sie sich zum Beispiel von jemandem leihen, der sie selten benutzt. Oder - zweite Möglichkeit - ich kopiere sie von jemandem. Die Karte hat zwar ein Wasserzeichen, aber das ist auf den ersten Blick nicht immer zu erkennen. Deswegen ist es wichtig, dass die Polizei eine eingehende Kontrolle dieser Karten durchführt."

Dabei wird die Nummer des Behindertenausweises ZTP/P verglichen mit der Nummer auf dem Park-Ausweis. Wenn sie nicht übereinstimmen oder derjenige gar keinen Behindertenausweis besitzt, dann ist das Betrug. Das Verfahren ist gut. Aber leider umgehen es die Leute auf verschiedene Art und Weise, wie Vaclav Krasa erzählt:

"Ich kann mich daran erinnern, dass mich sogar einmal jemand darum gebeten hat, ihm die Parkkarte zu kopieren. Er wollte mir Geld dafür geben! Also ich muss schon sagen, das war wirklich unglaublich! Ich hab ihn gefragt, ob er verrückt geworden ist!"

Problematischer ist es bei den Ausweisinhabern, denen es sozial schlechter geht, meint der Vorsitzende des Nationalrates:

"Wenn da einer ankommt und sagt: kopier mir die Karte und ich gebe dir 5000 Kronen, dann macht er das, wenn er die Karte selber wenig benutzt oder zum Beispiel nie ins Stadtzentrum fährt. Die Arten zu betrügen sind vielfältig. Und meiner Ansicht nach, kann man das nur durch konsequente eingehende Kontrollen in den Griff bekommen. Wenn ich ein verdächtiges Auto sehe, das vielleicht auch noch so hoch ist, dass ein Behinderter kaum einsteigen kann, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass dieser Mensch die Karte missbraucht."

Auf alle Fälle ist der Parkausweis nicht übertragbar, wie Vaclav Krasa betont. Den Ausweis muss der Fahrer dann dabei haben, wenn der Behinderte im Auto sitzt. Wenn das nicht der Fall ist, darf man die Karte nicht benutzen.

"Wenn also meine Frau mit unserem Auto fährt, dann darf sie die Karte nicht benutzen und nicht auf den für Behinderte ausgewiesenen Plätzen parken. Wenn ich dabei bin oder sie mich irgendwohin bringt, ist das in Ordnung. Meine Frau fährt oft allein, weil ich immer irgendwo unterwegs bin. Aber dann darf sie das einfach nicht."

Aber auch, wenn man die Frau des Vorsitzenden des Nationalrates für Menschen mit Behinderung ist, kann einem ein Fauxpas passieren:

"Einmal hatte sie das vergessen und dann musste sie Strafe zahlen. Da hab ich nur gesagt, dass ihr das recht geschieht, dass sie das eben nicht vergessen darf. Sie hat das nicht mit Absicht gemacht, sie weiß das. Aber sie musste zahlen und so ist das nun mal im Leben."

Der Fehler liegt also, um es zusammenzufassen, nicht beim Gesetzgeber, sondern...

"...bei den Leuten selbstverständlich! ...und natürlich auch bei der Polizei, die strenger kontrollieren muss. Aber die Polizei sagt, dass sie viele andere Aufgaben und zu wenig Leute hat. Man findet natürlich immer eine Entschuldigung, wenn man eine braucht. Ich habe sogar den Verdacht, dass die Polizei sich bewusst nicht mit diesen Betrügern befasst, weil... weil...- und weiter werde ich das nicht kommentieren."

Wie viel Betrug, Klüngel und Schmiergeld beim Kampf um Parkraum im Spiel sind, kann aber auch Vaclav Krasa nicht sagen. Auf Rücksichtslosigkeit trifft er in Tschechien jedoch häufiger, als bei seinen Dienstreisen ins Ausland.

"Wenn Sie bei uns mal schauen, wie das vor den Kaufhäusern und Einkaufszentren aussieht, dann finden Sie da Behinderten-Parkplätze, auf denen üblicherweise jemand steht, der nicht die erforderliche Karte hat. Das ist hier völlig normal. Ein freier Platz - also parkt man dort. Und wenn man die Leute noch darauf aufmerksam macht, dann reagieren sie auch noch aggressiv. Die Leute sind nicht fähig Dinge zu respektieren, die woanders ganz normal sind. Ich glaube, dass das auch mit einer bestimmten generellen Missachtung des Gesetzes in Tschechien zusammenhängt. Wir sind sehr undiszipliniert und es ist geradezu unser Sport, unser Hobby, die Gesetze zu umgehen und den Amtsschimmel zu beschwindeln. Das gehört zu unserem Naturell. Aber in manchen Dingen ist das eben sehr unangenehm, wie ich finde."

Und deshalb hat Vaclav Krasa auch noch eine Botschaft an die tschechischen Autofahrer:

"Die Botschaft ist ziemlich einfach: Niemand kennt den Zeitpunkt - die Minute oder die Sekunde - wann aus einem völlig gesunden Menschen ein Mensch wird, der angewiesen ist auf verschiedene Hilfsmittel, auf die Hilfe anderer oder besondere Einrichtungen. Dessen sollte sich jeder bewusst sein. Aber, es ist ja wirklich so, unser Leben hängt am seidenen Faden. Und das sollte jedem klar sein."