Sozialhilfegesetz treibt Behinderte in Armut – Ombudsmann fordert Novelle
Mehreren Tausend Menschen mit Behinderungen droht in Tschechien Armut. Darauf hat Ombudsmann Otakar Motejl am Donnerstag aufmerksam gemacht. Der Grund ist die Neufassung des Gesetzes über Sozialhilfezahlungen. Seit Beginn vergangenen Jahres ist sie in Kraft.
Eigentlich sollen Sozialhilfeempfänger dazu bewegt werden, sich intensiv um eine Arbeitsstelle zu kümmern. Das Gesetz von 2009 droht deswegen mit Kürzungen der Hilfsgelder für all jene, die über längere Zeit keine sozialversicherungspflichtige Arbeit nachweisen können. Doch wird dabei nicht differenziert. Das Gesetz gilt in seiner ganzen Härte auch für Schwerstbehinderte und seine Wirkung wird nun spürbar. Seit Beginn dieses Jahres wurde Tausenden Menschen die Behindertenrente gestrichen, so dass sie nur noch das Existenzminimum erhalten. Václav Krása ist Vorsitzender des Nationalrates behinderter Menschen in Tschechien:
„Niemand stellt diese Menschen ein, Büroarbeit wird ihnen nicht angeboten, maximal Putzjobs. Diese Menschen, die gerne arbeiten würden, werden auch noch dafür bestraft, dass sie nicht arbeiten können“, so Krása gegenüber dem Tschechischen Fernsehen.
Das Existenzminimum liegt in Tschechien bei 2020 Kronen, das sind umgerechnet nicht einmal 80 Euro. Mit dieser Summe ohne zusätzliche Einnahmen zu überleben, ist fast unmöglich. Doch wie konnte es zu dieser Gesetzesnovelle kommen? Wahrscheinlich durch schlampige Arbeit, wie Ombudsmann Otakar Motejl andeutete:„Das Gesetz greift einfach daneben. Ob das nun durch fachlich schlechte Arbeit zustande gekommen ist oder durch die Laienhaftigkeit der Änderungsvorschläge im Parlament.“
Otakar Motejl hält das Gesetz für unvereinbar mit der tschechischen Verfassung. Die verbietet nämlich, dass Rentner und Schwerstbehinderte nur noch auf das Existenzminimum angewiesen sind. Motejl hat deswegen die Parlamentarier aufgefordert, unverzüglich zu handeln. Die haben nun reagiert und eine Novelle der Novelle aufgelegt. Die bürgerdemokratische Abgeordnete Alena Parálová:
„Diese Novelle bessert all das nach, über das hier gesprochen wurde. Die Novelle wird von allen politischen Parteien unterstützt.“Das Gesetz soll im beschleunigten Verfahren im Parlament durchgewinkt werden. Allerdings: Frühestens in Kraft treten kann es zum 1. Mai dieses Jahres. Diese Verzögerung wäre indes nicht nötig gewesen. Auf die Diskriminierung von Behinderten durch die Sozialhilferegelung hatte Ombudsmann Motejl zum ersten Mal schon vor einem halbe Jahr aufmerksam gemacht. Da hatten die Parlamentarier aber wohl gerade andere Dinge im Kopf. Wäre Motejl schon damals erhört worden, wäre vielen behinderten Menschen in Tschechien einiges erspart worden.