Harte Zeiten für Tschechiens Sozialdemokraten
In einigen Tagen wird die Mitte-Rechts-Regierung von Premier Mirek Topolanek ihre ersten hundert Tage im Amt hinter sich haben. Gewöhnlich ist dies ein willkommener Anlass, eine erste Bilanz der Regierungsarbeit zu ziehen. Wir wollen aber heute einen Blick auf die andere Seite der Barrikade werfen, auf die sozialdemokratische Opposition.
Lässt sich also erwarten, dass die Sozialdemokraten nun ihre Taktik gegenüber der Regierung ändern werden? Dazu der Politikwissenschaftler Zdenek Zboril vom Prager Institut für internationale Beziehungen.
"Das kann man sicherlich annehmen, weil die Oppositionsrhetorik bisher zwar sehr laut war, aber hinter diesem Lärm fanden sich nur einige wenige Abgeordnete. Die anderen schweigen oder sind sogar illoyal gegenüber der Parteiführung und unterstützen im Parlament einige prozedurale Entscheidungen, die von Politikern der Koalition vertreten werden. Dazu gehört eine Gruppe von ungefähr zehn Abgeordneten, die bei den Sitzungen oft fehlen und somit die Reihen der Opposition schwächen. Der Koalition wird dabei indirekt geholfen, ihre Tagesordnung im Parlament durchzusetzen."
Heißt das, die Parteiführung der Sozialdemokraten hat nun eingesehen, dass nach acht Jahren in der Regierung die Partei endgültig in der Opposition angekommen ist? Zdenek Zboril:"Ich weiß nicht, ob sie das schon eingesehen haben. Ich habe nämlich das Gefühl, dass mindestens ein Drittel aller Abgeordneten und Funktionäre in den unteren Chargen diesen Rollenwechsel noch nicht wahrgenommen hat. Viele Sozialdemokraten gaben sich in den letzten Jahren oft der Illusion hin, dass die Partei eine homogene Gruppe ist, in der es zwar gewisse Meinungsverschiedenheiten gibt, es aber gleichzeitig zu keiner Fraktionsbildung kommt. Das war aber reines Wunschdenken. In Wahrheit befindet sich die Partei in einer tiefen Krise. Das zeigte sich auf dem Parteitag vor einigen Tagen, wo die Delegierten in ihren Reden und bei den Abstimmungen der Unzufriedenheit freien Lauf ließen. Bezeichnend für den Zustand der Partei ist vielleicht, dass man über deren Positionen indirekt oft nur aus Aussagen der tschechischen Kommunisten erfährt, die die Sozialdemokraten für den angeblichen Verrat am Wahlprogramm kritisieren."
In der noch relativ jungen Geschichte Tschechiens nach der Wende ist es nach Parlamentswahlen bislang nur zweimal zu einem Machtwechsel gekommen. Im Jahr 1998 lösten die Sozialdemokraten die Bürgerdemokraten (ODS) in der Regierung ab, acht Jahre später kehrten die Bürgerdemokraten zurück. Gerade diese Partei hat die Oppositionszeit dafür genutzt, sich programmatisch weiter zu entwickeln. Die letzte Konsequenz war dann der Wahlkampf des vergangenen Jahres, wo sich die Bürgerdemokraten, die früher für eine Marktwirtschaft ohne Adjektive eintraten, sehr moderat gaben und ihre soziale Ader entdeckten. Ist so eine Änderung im Programm und Stil auch bei den tschechischen Sozialdemokraten zu erwarten? Dazu sagt Zdenek Zboril:
"Mir scheint, und das leite ich vom Verhalten der wichtigsten Vertreter der Partei in den letzten zwei oder drei Monaten ab, dass das praktisch nicht möglich ist. Die ODS hat nämlich nicht aus taktischen Gründen die Sozialpolitik in den Vordergrund gestellt. Vielmehr ist das die Folge einer organischen Entwicklung und auch des Einflusses der unteren Parteigliederungen, die in allen Teilen des Landes präsent sind. Den Sozialdemokraten fehlt aber so etwas, und ihre ganze Politik wurde in den letzten Jahren von oben, also entweder aus der Parteizentrale oder der Regierung verkündet, was beim Parteivolk schon einen starken Eindruck hinterlassen konnte. Aber jetzt als Oppositionspartei mussten die Sozialdemokraten zur Kenntnis nehmen, dass das Parlament als Bühne dieses Defizit nicht wettmachen kann. Einer der wenigen, die das begriffen haben, ist Jiri Paroubek, der die Partei nun modernisieren will. Diese Modernisierung soll sich aber lediglich auf die Organisationsstruktur und den Parteiapparat beziehen. Doch das reicht nicht aus. Die Veränderung müsste schon tief greifend sein; und das hat ein Großteil der Parteibasis wie auch der Führung immer noch nicht begriffen."
Vor dem sozialdemokratischen Parteitag, der vor einigen Tagen stattfand, sorgte der Entschluss des früheren Regierungschefs und sozialdemokratischen Parteivorsitzenden Milos Zeman, die Partei zu verlassen, für Aufsehen. Auch wenn diese Entscheidung Zemans auf den ersten Blick überraschend kam, war sein Verhältnis zur Partei schon seit Jahren gestört, was sich auch darin äußerte, dass Zeman die Politik seiner Nachfolger oft öffentlichkeitswirksam kritisierte. Auch das Verhältnis eines anderen markanten Politikers zu seiner Heimatpartei ist heute oft von Spannungen geprägt - nämlich die Beziehung von Präsident Vaclav Klaus zur Demokratischen Bürgerpartei, die er seinerzeit gründete und deren Vorsitzender er war.Lässt sich also sagen, dass die tschechischen Parteien generell ein Problem im Umgang mit ihren ehemaligen Spitzenvertretern haben? Dazu abschließend noch einmal der Politikwissenschaftler Zdenek Zboril:
"Ich denke sogar, dass das überhaupt kein politisches Problem ist, sondern ein soziales, oder noch brutaler gesagt: das Fehlen von guten Manieren. Die Parteien wissen nicht, wie sie mit ihren Gründern würdevoll umgehen sollen. Die ODS hat geglaubt, dass Vaclav Klaus eine Ehrenfunktion ausüben und der Partei nicht mehr im Weg stehen wird, wenn sie ihn als Präsidenten auf die Burg schickt. Immerhin war das eine noch verhältnismäßig korrekte Verhaltensweise ihm gegenüber. Das Gleiche lässt sich nicht aber auch von den Sozialdemokraten. Die Illoyalität gegenüber Zeman bei der Präsidentenwahl hat seither nicht nur die Beziehung zwischen Zeman und der Partei getrübt, sondern ist so etwas wie ein Stigma, das lange zu sehen sein wird. Hier handelt es sich höchstwahrscheinlich um etwas, was Zeman persönlich als Unrecht empfindet, vielleicht sogar als eine Demütigung - und das ist immer der Ausgangspunkt für die Entstehung von negativen Emotionen, auch wenn das Zeman vielleicht geschickt zu überdecken weiß. Vielleicht wird er sich jetzt anderswo engagieren, aber sicherlich nicht mehr als einer der Hauptverantwortlichen, sondern als glossierender Kommetator oder als Ideengeber."