Topolanek vor Nagelprobe: Ohne Abgeordnetenmehrheit keine Führungsrolle mehr

Mirek Topolanek (Foto: CTK)

Neues Jahr - neuer Versuch. Das tschechische Kabinett, das auf der Basis einer Abgeordnetenmehrheit mit einem gesicherten Mandat regieren kann, muss endlich gefunden werden. Darüber ist man sich in der hiesigen Politszene inzwischen (fast) einig. Aber es mehren sich auch die Stimmen, die meinen, dass das schon nicht mehr mit Mirek Topolanek an der Spitze einer Mitte-Rechts-Regierung gelingen kann.

Mirek Topolanek  (Foto: CTK)
"Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben". Dieser berühmt gewordene Ausspruch des ehemaligen sowjetischen Regierungschefs Michail Gorbatschow, der damit den späteren Untergang der DDR in gewisser Weise voraussagte, lässt sich auch auf die gegenwärtigen politischen Verhältnisse in Tschechien übertragen: Wer die Macht nicht fest ergreift, dem wird der Thron weggezogen, noch ehe er ihn bestiegen hat! Und genau in diese missliche Situation hat sich Mirek Topolanek, der Vorsitzende der Demokratischen Bürgerpartei (ODS) und gleichzeitig mit der Führung der von ihr gestellten Minderheitsregierung beauftragte Premier, mittlerweile hineinmanövriert. Das von ihm geleitete Kabinett führt die Regierungsgeschäfte nämlich ohne die mehrheitliche Unterstützung des Abgeordnetenhauses aus, und die von ihm nun favorisierte Regierung einer aus ODS, Christdemokraten (KDU-CSL) und Grünen (SZ) gebildeten Dreierkoalition steckt aller Wahrscheinlichkeit in derselben Klemme. Denn ohne "Abweichler" aus dem linken Lager wird auch sie keine Mehrheit in der unteren Parlamentskammer erhalten. Deshalb hat Topolanek - sich seiner Gratwanderung inzwischen bewusst - bereits verkündet:

"Selbstverständlich trage ich die volle Verantwortung, und in dem Falle, dass wir zwar alle 100 Stimmen der Koalitionsabgeordneten, aber eben nicht die Unterstützung der Abgeordnetenmehrheit erhalten, trete ich von meiner Funktion zurück."

Um es noch deutlicher zu sagen: Wenn Mirek Topolanek auch bei dem zweiten Versuch seiner Regierungsbildung an der Vertrauensfrage scheitern sollte, dann muss er nicht nur als Premierminister demissionieren, sondern er wird auch von seiner Funktion als Chef der stärksten Parlamentspartei zurücktreten! Denn auch in den eigenen Reihen häuften sich die zuletzt die kritischen Stimmen. Insbesondere die ODS-Mitglieder aus Prag und Mittelböhmen zeigen sich unzufrieden über den von Topolanek ausgehandelten Koalitionsvertrag und die personelle Zusammensetzung seines neuen Kabinetts. Außerdem missfällt ihnen sehr, dass der Leitvogel der "blauen Vögel" - wie man die Bürgerdemokraten aufgrund ihres Parteilogos auch bezeichnet - in seiner Führungsrolle immer mehr ins Schlingern gekommen ist und dabei auch Parteikollegen nicht gerade kollegial behandelt hat. Einer seiner größten Kritiker, der Prager Oberbürgermeister und hauptstädtische ODS-Chef Pavel Bem, hat ihm daher schon nahe gelegt, dass es für ihn nur noch eine Chance gibt:

ODS-Mitglieder  (Foto: CTK)
"In der Politik erhalte ich immer nur eine Chance, in außergewöhnlichen Fällen vielleicht auch zwei. Aber eine dritte Chance erhalten nicht einmal die Pioniere. Für mich selbst kann ich sagen: Wenn ich in der Position von Mirek Topolanek wäre, dann würde ich nach dem zweiten misslungenen Versuch zurücktreten."

Bem, der nun kräftiger mit den Hufen schart, wird in Politikerkreisen schon als der designierte Nachfolger von Topolanek gehandelt, falls der ODS-Chef an seinem zögerlichen Führungsstil scheitern sollte. Und Jiri Paroubek, der lange Zeit etwas ins Abseits gedrängte Parteichef der Sozialdemokraten, lässt derzeit auch keine Möglichkeit aus, um zu betonen, dass er sich während seiner politischen Zeit im Prager Rathaus immer mit Bem habe einigen können. Ganz im Gegensatz zu den Koalitionsverhandlungen, die er während der zurückliegenden sieben Monate immer wieder einmal, aber nie mit Nachdruck, mit Topolanek führen durfte:

"Es tut mir leid, aber wir haben keine gemeinsame Sprache gefunden, und ich denke nicht, dass das durch meine Unfähigkeit verursacht wurde."

Für Mirek Topolanek, dem wankelmütigen Steuermann der ODS und der noch amtierenden Regierung, stehen nun also alle Zeichen auf Sturm. Spätestens jetzt muss er beweisen, dass er auch durch einen solchen hindurchgehen kann.