Erneut Aufregung um Kernkraftwerk Temelin
Der österreichische Nationalrat hat am Donnerstag einstimmig einen Entschließungsantrag aller fünf Parlamentsparteien angenommen. Gegenstand ist wieder einmal das südböhmische AKW Temelin, das den Österreichern ein Dorn im Auge ist. Gerald Schubert hat die Entwicklung verfolgt.
Gerald, worum ging es konkret bei dem Entschließungsantrag?
Der Nationalrat hat die Bundesregierung zunächst einmal ersucht, an die tschechische Regierung heranzutreten und von ihr den Nachweis über die Umsetzung aller offenen Sicherheitsmaßnahmen einzufordern. Erst im zweiten Punkt des Antrags steht: Wenn dieser Nachweis nicht erbracht wird, dann soll die österreichische Regierung rechtliche Schritte einleiten, zum Beispiel in Form einer Völkerrechtsklage wegen des Bruchs der Abmachungen, die im so genannten Melker Protokoll vereinbart wurden. Hier liegt auch der Hauptstreitpunkt: Die tschechische Seite ist der Ansicht, dass die Sicherheitsbestimmungen erfüllt sind und dass sie die Österreicher auch ausreichend über alle relevanten Schritte informiert hat. Und in Wien sehen das die meisten eben anders. Wenn man dann noch bedenkt, dass es im kernenergiefreien Österreich einen breiten Anti-Atom-Konsens gibt, und zwar sowohl in der Gesellschaft als auch quer durch die Parlamentsparteien, dann ist die Entscheidung des Parlaments nicht überraschend.
Gab es inzwischen in Tschechien Reaktionen auf diesen Beschluss?
Ja, Reaktionen gab es eine ganze Menge, und sie fielen teilweise recht heftig aus. Präsident Vaclav Klaus zum Beispiel hat das Abstimmungsergebnis wörtlich als "skandalös" bezeichnet. Das zeigt natürlich, dass die die Diskussion rund um Temelin das bilaterale Verhältnis derzeit doch recht stark belastet. Außenminister Alexandr Vondra sieht den Konsens über das Melker Protokoll gefährdet, in dem sich beide Seiten auf die entsprechende Kommunikation in Sicherheitsfragen geeinigt hatten. Überhaupt gibt es Unterschiede in der Auslegung des Melker Protokolls: Der tschechische Botschafter in Wien, Jan Koukal, hat etwa gesagt, dass es sich dabei um keinen völkerrechtlich bindenden Vertrag handelt. Auch das wird in Österreich wahrscheinlich zu Verstimmungen führen, aber Fragen wie diese werden auf jeden Fall noch zu klären sein, sollte sich Österreich tatsächlich für eine Klage gegen die Tschechische Republik entscheiden. Eine Reaktion gibt es auch von Martin Riman, dem tschechischen Minister für Industrie und Handel. Riman weist darauf hin, dass es in den Nachbarländern Österreichs insgesamt 23 Kernkraftwerke gibt, aber noch keines solche Reaktionen ausgelöst hat wie Temelin.Gibt es auch andere Stimmen in Tschechien, z. B. von den ökologischen Initiativen?
Ja, solche Stimmen gibt es. Ich habe heute zum Beispiel mit einer Vertreterin der Umweltschutzinitiative Südböhmische Mütter gesprochen, die bereits seit langem gegen Temelin Stellung bezieht. Dort ist man der Meinung, dass Tschechien tatsächlich die Abmachungen des Melker Protokolls gebrochen hat, und dass Österreich das Recht hat, entsprechend zu reagieren.