Nach Parteiaustritt: Chance auf Mehrheitsfindung im Abgeordnetenhaus
Vielleicht ist es der Schlüssel, um die fast fünf Monaten dauernde politische Krise in Tschechien zu lösen. Am Mittwoch trat der sozialdemokratische Abgeordnete Michal Pohanka aus seiner Partei und seiner Fraktion aus. Mittlerweile hieß es, dass der 37-Jährige als freier Abgeordneter nun die Bürgerdemokraten unterstützen könnte. Das würde das Patt von 100 zu 100 Sitzen zwischen der Linken und dem Mitte-Rechts-Lager im Abgeordnetenhaus beseitigen.
Allerdings hatte der tschechische Präsident Vaclav Klaus letztens erst gesagt, dass er, "keine Koalition von Gnaden eines Überläufers unterstützen" werde. Und ODS-Chef Mirek Topolanek plant auch keine Änderung seines Plans, eine nur vorläufige Regierung zusammenzustellen:
"Wir wollen darüber verhandeln, wie wir ohne Schrammen zu vorgezogenen Neuwahlen gelangen können. Für uns heißt der Austritt Pohankas nichts anderes, als nun weiter zu verhandeln, nachdem Präsident Klaus bereits einmal mit den Vertretern aller Parteien gesprochen hat. Unsere Ausgangsposition hat sich in dem Sinne nicht verändert - außer, dass wir jetzt nicht mehr nur 100 Stimmen haben."
Wenn nicht für Topolanek, so könnte aber für den Chef der Sozialdemokraten, Jiri Paroubek, das neue Kräfteverhältnis im Abgeordnetenhaus zum Schicksal werden. Politologen sowie die Kommentatoren aus der Presse sind sich einig, dass Paroubek nun seine Ambitionen, selbst eine Regierung zusammenzustellen, begraben könne und auch seine Position in der Partei erschüttert sein dürfte.Denn Michal Pohanka erhebt Vorwürfe gegen die Sozialdemokraten. So habe ihn der sozialdemokratische Fraktionschef Michal Hasek im Beisein von Jiri Paroubek zur Niederlegung seines Abgeordnetenmandats aufgefordert, schreibt er in einer Presseerklärung. Hintergrund ist, dass Pohankas Name in einer Fernsehreportage zur Affäre um die mögliche Unterschlagung von EU-Geldern aufgetaucht war. Fraktionschef Hasek sieht das allerdings anders:
"Ich bin mir nicht bewusst, dass eine solche Aufforderung gefallen ist. Natürlich haben wir darüber gesprochen, welche Reaktion auf das, was veröffentlicht wurde, adäquat wäre. Ich habe das aber nicht als so intensiv empfunden, dass ich Herrn Pohanka zur Niederlegung seines Abgeordneten-Mandats aufgefordert hätte."
Michal Pohanka hat aus der Situation scheinbar das Beste gemacht. Anstatt, dass über seine mögliche Verwicklung in die Bestechungsaffäre gesprochen wird, gilt er nun als möglicher Steigbügelhalter für Topolanek, auch wenn dieser nur eine Übergangsregierung plant. Die Sozialdemokraten haben hingegen eine Schlappe erlitten - und das zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt. Denn am Freitag und Samstag findet die zweite Runde der Senatswahlen statt.