Kommunal- und Senatswahlen in Tschechien bestätigten bisherige Kräfteverteilung
Können die Ergebnisse der tschechischen Kommunal- und Senatswahlen die seit Monaten festgefahrenen Fronten zwischen den Parlamentsparteien aufbrechen, bzw. können sie zur Ernennung einer neuen Regierung führen? Das waren die wohl wichtigsten Fragen, die im Vorfeld des Wahlwochenendes gestellt wurden. Mehr über die beiden Wahlgänge sowie die möglichen Konsequenzen aus dem Ergebnis nun von Robert Schuster in einer weiteren Ausgabe der Sendereihe Schauplatz.
Die Wahlen zu den Gemeindevertretungen und zum Senat standen diesmal unter einem ganz besonderen Vorzeichen - der bereits seit mehr als einem Vierteljahr dauernden politische Krise, die mit der Suche nach einer stabilen Regierung verbunden ist. Das war vielleicht auch einer der Gründe, warum im Vergleich zu den Kommunalwahlen vor vier Jahren die Beteiligung diesmal bei 46 Prozent lag und somit um vier Prozent höher war.
Ob aber die einzelnen Ergebnisse als Reaktion auf die Krise verstanden werden können, darüber herrscht keine einheitliche Meinung. Fest steht, dass die rechtsliberale Demokratische Bürgerpartei (ODS), die bereits im Juni die Wahlen zum Abgeordnetenhaus gewann, im Vergleich zu den anderen Parlamentsparteien auch diesmal die meisten Mandate auf kommunaler Ebene erreichen konnte. Das Ergebnis der ODS wird vor allem durch die überzeugenden Siege in Prag, wie auch in den anderen großen Städten des Landes untermauert. In der tschechischen Metropole können die Bürgerdemokraten sogar erstmals nach der Wende ohne einen Koalitionspartner regieren.Leicht verbessern konnten sich bei den Kommunalwahlen diesmal auch die Sozialdemokraten, wenn auch, was die Zahl der Mandate angeht, der Rückstand auf ihren wichtigen Rivalen von der ODS mit 13 Prozent immer noch hoch ist.
Traditionell gut konnten, vor allem in kleinen Gemeinden, diverse Namenslisten bzw. unabhängige Kandidaten abschneiden. Einen leichten Rückgang mussten hier jedoch die Kommunisten sowie die Christdemokraten einstecken.
Viele hatten im Vorfeld erwartet, dass von den Wahlen ein wichtiges Signal zu der künftigen politischen Richtung im Land ausgeht. Auch Präsident Vaclav Klaus hatte mehrmals angekündigt, die weitere Vorgangsweise bei der Bestellung einer neuen Regierung erst nach dem 28. Oktober bekannt geben zu wollen. Also dann, wenn auch die zweite Runde der Senatswahlen abgeschlossen ist. Haben die Wahlen also die gewünschte Signalwirkung gehabt? Dazu der Politikwissenschaftler Bohumil Dolezal von der Prager Karlsuniversität:"Ich glaube wichtig ist das Ergebnis der Senatswahlen und auch das Ergebnis der Kommunalwahlen in den großen Städten. Das ist in gewisser Weise relevant. Gleichzeitig lassen sich Signale nur ganz beschränkt erwarten. Die Wahlen werden lediglich zeigen, wie die Parteien von der Bevölkerung beurteilt werden, aber es wird eher ein schwaches Signal sein, aus dem meiner Meinung nach keine dramatischen Schlüsse gezogen werden können. Man kann nicht erwarten, dass wenn zum Beispiel Sozialdemokraten-Chef Paroubek eine Niederlage erleiden würde, er danach gleich zurücktreten oder seine aggressive Politik komplett verändern würde. Das kann man nicht erwarten."
Viel wurde in den vergangenen Wochen und Tagen über den neuen Premierminister spekuliert, der nach den Kommunal- und Senatswahlen von Präsident Klaus ernannt werden könnte und zwar mit dem Auftrag, die Einigung zu einer Übergangsregierung zu erzielen. Die Medien brachten dabei zuletzt verschiedene Persönlichkeiten ins Spiel: Vom gegenwärtigen Präsidenten der Tschechischen Akademie der Wissenschaften, den Biochemie-Professor Vaclav Paces, bis hin zum ehemaligen sozialdemokratischen Regierungschef und nunmehr bekanntesten Polit-Rentner des Landes, Milos Zeman. Welche Variante hält der Politologe Bohumil Dolezal für die wahrscheinlichste?"Dazu wage ich nur zwei Bemerkungen. Die erste ist, dass es nicht wichtig ist, wer an der Spitze der Regierung stehen wird, sondern im welchem Sinne es sich um eine Übergangsregierung handeln wird. Die einzige Konstellation, die in diesem Zusammenhang Sinn macht, ist eine Übergangsregierung für einen Zeitraum von fünf bis sechs Monaten. Kommt sie, ist es verhältnismäßig unwichtig, wer an ihrer Spitze steht. Dann der zweite Punkt. Die Spannung zwischen den zwei Lagern in der tschechischen Politik - zwischen den Sozialdemokraten und den Bürgerdemokraten, wobei die anderen Parteien an die eine oder andere der zwei großen Parteien angeknüpft sind - ist enorm groß. Der einzige Regierungschef, der diese Spannung auffangen könnte, wäre der liebe Gott höchstpersönlich. Ich fürchte aber, dass er nicht bereit sein wird, diese Rolle zu übernehmen."
Es scheint mehr als sicher zu sein, dass es im Frühjahr kommenden Jahres in Tschechien vorgezogene Neuwahlen geben wird. Diese Lösung wird mittlerweile nicht nur von Präsident Vaclav Klaus favorisiert, sondern scheint angesichts der verfahrenen Fronten bei den Verhandlungen zwischen den Parteien auch immer öfter von ihren Spitzenvertretern als einziger Ausweg verstanden zu werden. Lediglich die Sozialdemokraten sträuben sich noch gegen eine vorzeitige Auflösung des Parlaments und pochen darauf, vom Präsidenten die Gelegenheit zu erhalten eine tragfähige Regierungsmehrheit zusammenzustellen.Sollte es also tatsächlich zu Neuwahlen kommen, dann wären das nach den jetzigen Kommunal- und Senatswahlen und den Wahlen zum Abgeordnetenhaus vom Juni dieses Jahres bereits die dritten Wahlen innerhalb eines knappen Jahres. Müsste darunter nicht zwangsläufig die Wahlbeteiligung leiden? Dazu noch einmal Politikwissenschaftler Bohumil Dolezal von der Prager Karlsuniversität:
"Es wird sich gewiss irgendwie in der Wahlbeteiligung widerspiegeln. Auf der anderen Seite ist es aber nicht schwer zu begreifen, dass diese Wahlen erstens notwendig sind und zweitens, dass sie eine maßgeblich Rolle bei der künftigen Orientierung der tschechischen Politik spielen dürften. Das könnte gegen die Tendenz wirken, diese Wahlen zu ignorieren. Ich wünsche mir, dass die Teilnahme der Wähler verhältnismäßig groß sein wird, denn das gibt den Wahlen eine größere Legitimität."