Nachwehen des Wahlkampfs verhindern einen raschen Regierungswechsel in Tschechien

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Einen Monat nach den tschechischen Parlamentswahlen sind die Aussichten, dass es bald eine tragfähige Regierungsmehrheit geben könnte, äußerst gering. Zu stark wird die tschechische Innenpolitik auch jetzt noch von den Nachwehen des vergangenen Wahlkampfs beeinflusst.

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Genau einen Monat nach den Wahlen zum tschechischen Abgeordnetenhaus sind die Konturen der künftigen politischen Konstellation in der Tschechischen Republik immer noch nicht in Sicht. Zwar konnten die drei bürgerlichen Parteien, also die rechtsliberalen Bürgerdemokraten, die Christdemokraten und die Grünen in den vergangenen Tagen ein Regierungsprogramm vereinbaren und eine komplette Ministerliste präsentieren. Das Drei-Parteien-Bündnis hat aber den Sieg bei der verfassungsmäßig vorgeschriebenen Vertrauensabstimmung im Abgeordnetenhaus immer noch nicht sicher.

Schuld daran ist in erster Linie die Pattstellung im Parlament, bei der sowohl die drei bürgerlichen Parteien wie auch die Sozialdemokraten und Kommunisten zusammen jeweils hundert Mandate haben. Die beiden letztgenannten Parteien lehnen eine Unterstützung für das bürgerliche Kabinett entweder dezidiert ab - so die Kommunisten - oder aber fordern, wie im Fall der Sozialdemokraten, als Preis für eine parlamentarische Tolerierung weitgehende programmatische Zugeständnisse.

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Ein weiteres Hindernis für eine Einigung der Parteien ist jedoch der Umstand, dass selbst einen Monat nach den Wahlen das politische Gesprächsklima immer noch von den Nachwehen des vergangenen Wahlkampfs beeinflusst ist. Jüngstes Beispiel war die konstituierende Sitzung des neuen Abgeordnetenhauses, auf der traditionell der neue Parlamentspräsident gewählt wird. Was ansonsten eher eine Formalität ist, wurde diesmal zum Politikum. Nicht nur, dass es nicht gelungen ist einen Vorsitzenden zu wählen, sondern einige Redner griffen während der Debatte ihre politischen Konkurrenten frontal an. War das bereits ein Warmlaufen für mögliche Neuwahlen im Herbst - getreu dem Grundsatz: Nach der Wahl ist vor der Wahl?

Aber zurück zu den drei bürgerlichen Parteien und deren Einigung auf eine gemeinsame Regierung. Ist dieses Bündnis angesichts der fehlenden Unterstützung im Parlament überhaupt eine ernstzunehmende politische Option? Das fragten wir den Politikwissenschaftler Bohumil Dolezal von der Prager Karlsuniversität:

"Meiner Meinung nach kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Regierung letzten Endes auch von den Sozialdemokraten toleriert werden kann, unter gewissen Bedingungen, die werden aber die Sozialdemokraten stellen. Das wird gewiss nicht in den nächsten Tagen passieren, denn die Wahlkampagne war sehr heftig, die Parteien haben sich massiv angegriffen und beleidigt und aus dieser Atmosphäre der Konfrontation muss man jetzt in eine Atmosphäre der Verhandlungen übergehen. Das wird ein bisschen mühsam sein. Ich will es aber nicht gleich ausschließen."

Jiri Paroubek  (Foto: CTK)
Auffallend in den letzten Wochen war, wie schnell es den Bürgerdemokraten, Grünen und Christdemokraten gelungen ist, sich auf ein gemeinsames Programm zu einigen und dabei oft diametral entgegen gesetzte Positionen unter einen Hut zu bringen, wie etwa bei der Frage der weiteren Nutzung der Kernkraft. Was zählt ist, dass der Kompromiss gelungen ist und Wortmeldungen der politischen Konkurrenz, wie etwa die Reaktion des amtierenden sozialdemokratischen Premiers Jiri Paroubek, der meinte, der Text käme einem "journalistischen Machwerk auf niedrigstem Niveau" gleicht, nicht ernst genommen werden können.

Was hält der Politologe Bohumil Dolezal von dem beschlossenen Programm der blau-schwarz-grünen Regierung? Lassen sich darin irgendwelche Punkte festhalten, die das Land weiterbringen könnten?

"Meiner Meinung nach unterschätzt Herr Paroubek das Programm allzu sehr. Ich denke, dass es jetzt nach acht Jahren sozialdemokratischer Regierung zu einer Wende kommen sollte und dass dieses Programm im Grunde vernünftige Züge hat, vor allem was die Steuerreform betrifft und auch die vorgesehen Einschränkungen bei den finanziellen Ausgaben des Staates. Selbstverständlich muss jetzt Paroubek Stärke demonstrieren und zeigen, dass er imstande ist, spürbare Veränderungen dieses Programms durchzusetzen. Das muss aber nicht unbedingt bedeuten, dass das Programm gleich zunichte gemacht wird."

Eine zentrale Rolle wird in den kommenden Tagen Präsident Vaclav Klaus spielen. Er gilt als Meister der politischen Taktik, der seine Entscheidungen ähnlich einem Schachspieler einige Züge voraus denkt. Kann aber, gesetzt den Fall, dass sich der Präsident verschätzt und den Freiraum, den ihm die Verfassung bei der Regierungsbildung gewährt, überspannt, nicht sein Amt darunter leiden? Dieser Fall könnte zum Beispiel eintreten, wenn Klaus zweimal mit seinem Vorschlag für den Premierminister scheitert und die Initiative dann auf den Parlamentspräsidenten übergehen würde. Dazu meint der Politologe Dolezal:

Es ist auffällig, dass einige so genannte politische Schwergewichte, von denen man annehmen konnte, sie würden sicher mit dabei sein, im neuen Regierungsteam fehlten. Das trifft insbesondere auf den Europaabgeordneten Jan Zahradil zu, der als Schatten-Außenminister der Bürgerdemokraten wie kein anderer in den letzten Jahren das außenpolitische Profil seiner rechtsliberalen Partei bestimmte und die Partei stark europaskeptische Töne anschlagen ließ. Gibt es eine Erklärung für das Fehlen Zahradils im künftigen Regierungsteam, oder ist das bloß Zufall? Hören Sie dazu abschließend noch einmal die Einschätzung des Politikwissenschaftlers Bohumil Dolezal von der Prager Karlsuniversität:

"Nein, ich würde sagen, dass die Tatsache, dass Jan Zahradil nicht als Außenminister vorgesehen und nicht in der Regierung ist, die Chance vergrößert, dass die Regierung auch für die Sozialdemokraten akzeptabel ist. Zahradil fährt nämlich einen sehr konfrontativen Kurs gegen die Europäische Union. Die anderen Vertreter der ODS, die nun für die Außenpolitik zuständig sein sollen, also Alexandr Vondra und Petr Gandalovic, die für die Posten des Außenministers, bzw. des Europaministers nominiert sind, sind viel offener und ich glaube, dass bedeutet auch unter anderem, dass es in diesem Bereich zu keiner ausgeprägten Konfrontation kommen kann zwischen den Sozialdemokraten und der Koalition."