Dreiparteienkoalition erlitt bei Wahl des neuen Abgeordnetenchefs erste Schlappe
Knapp ein Monat ist seit den Wahlen zum tschechischen Abgeordnetenhaus vergangen, eine neue Regierung aber ist noch nicht gefunden. Und bei der ersten Nagelprobe, der Wahl des neuen Abgeordnetenhauschefs, mussten die heißesten Anwärter auf die Ministerposten - die Politiker der aus Bürgerdemokraten, Christdemokraten und Grünen gebildeten Dreiparteienkoalition - am Donnerstag bereits ihre erste Schlappe einstecken. Wie die ersten beiden Wahlgänge ausgingen, dazu mehr von Lothar Martin.
In der Hoffnung, bei der Wahl des Abgeordnetenhauschefs die einzige Kandidatin für den Vorsitz, die Bürgerdemokratin Miroslava Nemcova, mit Hilfe einer oppositionellen Stimme durchbringen zu können, hatten die Bürgerdemokraten eigens ihren erkrankten Abgeordneten Milos Patera zur Abstimmung bringen lassen. Doch im ersten Wahlgang erhielt Miroslava Nemcova nicht einmal alle 100 Stimmen aus dem eigen Lager, sondern nur 98. Nachdem Patera vor dem zweiten Wahlgang das Abgeordnetenhaus verlassen hatte, weil das linke Lager per üblichem Gentleman´s agreement auch auf einen Stimmenträger verzichtete, war die Ernüchterung groß, dass Nemcova mit 98 Stimmen die Mehrheit erneut verfehlte. Die aufgrund fehlender Stimmen aus den eigenen Reihen erlittene Pleite versuchte ODS-Chef Mirek Topolanek anschließend herunterzuspielen:
"Ich habe dafür keine Erklärung. Es kann sich hier um eine systematische Wahl oder eine Stimmenenthaltung handeln, es kann aber auch eine rationale Entscheidung gewesen sein. Auf jeden Fall haben wir Zeit, uns auf die weiteren Schritte vorzubereiten, und am nächsten Freitag werden wir schlauer sein."
In der hitzigen Debatte, die der Abstimmung vorangegangen war, hatten vornehmlich die Sozialdemokraten den Vertretern der möglichen Regierungskoalition massiv vorgeworfen, die Werte der pluralistischen Demokratie zu missachten. Noch-Gesundheitsminister David Rath kritisierte zum Beispiel, dass die Politiker der ODS nunmehr fast alle wichtigen Funktionen im Lande besetzen würden, und zwar angefangen von den Landkreisvorsitzenden bis hin zum Präsidenten, der sich zudem - so der CSSD-Abgeordnete Zdenek Jicinsky, weder überparteilich noch unparteiisch verhalten würde.
Hintergrund der sozialdemokratischen Attacken ist der von ihnen erhobene Anspruch auf den Posten des Abgeordnetenhauschefs. Ihre Forderung begründen sie u. a. damit, diesen Vorsitz als Ausgleich für die mögliche Duldung einer ODS-geführten Koalitionsregierung erhalten zu wollen. Sozialdemokratenchef Jiri Paroubek bezeichnete die Abstimmungsniederlage von Nemcova daher als eine Lektion, die die Koalition für ihr "Triumphieren" verdient erhalten hätte. Doch während die Vertreter der Bürger- und Christdemokraten noch nach Erklärungen für die Schlappe suchten, hielt der Parteivorsitzende der Grünen, Martin Bursik, schon ein pragmatische Lösung aus dem Dilemma parat:"Ich würde empfehlen, den Fuß etwas vom Gas zu nehmen. Wir sollten aufhören, zurück in den Spiegel zu schauen, was alle sich vor den Wahlen gegenseitig angetan haben. Vielmehr sollten wir sachlich über den Inhalt der zukünftigen Regierungsarbeit verhandeln. Und ebenso sollten wir auf die Sozialdemokraten zugehen, denn sie sind nun einmal ein politischer Partner, dessen Unterstützung das Projekt der von den Grünen mitgetragenen rechten Koalition benötigt."
Aller Voraussicht nach wird der nächste Wahlvorgang zur Wahl des Abgeordnetenhausvorsitzenden am kommenden Freitag stattfinden.