80 Jahre slowakischer Rundfunk - Gespräch mit dem Redakteur Oto Görner
Der öffentlich-rechtliche Slowakische Rundfunk begeht in dieser Woche seinen 80. Geburtstag. Die Geschichte dieser Rundfunkanstalt war über weite Strecken identisch mit der des Tschechischen Rundfunks. Jahrzehntelang, solange die Tschechoslowakei bestand, sendeten beide Anstalten unter einem Dach vereint für Tschechen und Slowaken. Mit der Teilung des gemeinsamen Staates 1993 trennten sich ihre Wege wieder. Im Gespräch mit dem slowakischen Redakteur Oto Görner blickt Silja Schultheis auf die bewegte Zeit der Teilung zurück und fragt nach der aktuellen Situation im Slowakischen Rundfunk. Oto Görner arbeitet in der Nachrichtenredaktion des Slowakischen Rundfunks und war für diese auch mehrere Jahre Korrespondent in Tschechien.
Herr Görner, Sie haben 1992 als Radioredakteur begonnen, noch vor der Teilung der Tschechoslowakei. Wie sah damals die Situation im Tschechoslowakischen Rundfunk aus, stand die Arbeit schon im Zeichen der nahenden Teilung, sprach man über mögliche Folgen für den Rundfunk?
"Ich habe sieben Monate vor dem Zerfall des gemeinsamen Staates im damaligen föderalen Rundfunk begonnen. Je näher der 1. Januar 1993 rückte - das Datum, an dem sich beide Staaten selbständig machten - desto näher rückte auch das Ende der gemeinsamen Rundfunksendungen für Tschechen und Slowaken. Es kam ein Gesetz über das Ende des Senders Ceskoslovensko (Tschechoslowakei) und am Sylvestertag 2002 wurde die letzte gemeinsame Sendung ausgestrahlt. Für mich persönlich war das Ende des gemeinsamen Rundfunks sicherlich nicht so schlimm wie für diejenigen Redakteure, die seit vielen Jahren dort arbeiteten. Die Tatsache, dass es jetzt zwei getrennte Staaten gab, wurde mir bewusst, als ich mich wegen des Gesetzes über die Anerkennung der Staatsbürgerschaft entscheiden musste, wo ich künftig leben und arbeiten will.
Wie hat sich die Situation im Rundfunk nach der Teilung des Staates verändert?
Gleich am 1. Januar, als beide Staaten selbständig wurden, begann man mit eigenen Radiosendungen. Auf den Frequenzen des früheren Senders "Ceskoslovensko" begann in der Tschechischen Republik das Radiozurnal zusenden, auf denselben Frequenzen in der Slowakei der Sender "Slovensko 1" (Slowakei 1).
Für welche Redaktion haben Sie damals gearbeitet?
"Nach der Teilung habe ich noch drei Monate lang im Tschechischen Rundfunk gearbeitet, für die slowakischen Auslandssendungen. Die wurden aber 1993 eingestellt, weil natürlich der Slowakische Rundfunk mit eigenen Auslandssendungen begonnen hat. Und so führte mein Weg definitiv wieder nach Bratislava, wo ich bis heute in der Nachrichtenredaktion des Slowakischen Rundfunks arbeite."
In den Jahren 1997-2001 waren Sie als Korrespondent des Slowakischen Rundfunks in Prag. In dieser Zeit begannen Sie auch mit dem Tschechischen Rundfunk zusammenarbeiten. Wie haben Sie damals, vier Jahre nach der Teilung des gemeinsamen Senders, den Unterschied zwischen beiden Rundfunkanstalten wahrgenommen? Der Slowakische Rundfunk hatte damals schon einige Jahre Meciar-Regierung hinter sich....
"Ehrlich gesagt hätte ich nicht gedacht, dass ich nach vier Jahren in die Tschechische Republik zurückkehren würde, diesmal als slowakischer Korrespondent. Das war schon eine andere Erfahrung. Der Unterschied zwischen den Sendungen des Tschechischen und des Slowakischen Rundfunks war damals groß. Der Tschechische Rundfunk entwickelte sich dynamisch, während der Slowakische angesichts der größeren Emotionen in der Bevölkerung nach der Teilung des gemeinsamen Staates während der Regierungszeit von Vladimir Meciar eher als Meinungsträger der damaligen politischen Führung wahrgenommen wurde. Aber seitdem hat sich der Slowakische Rundfunk maßgeblich verändert.
Wann genau trat die Änderung ein?
"Die Veränderung kam mit dem Regierungswechsel 1998, als Vladimir Meciar abgewählt wurde und Mikulas Dzurinda zum ersten Mal an die Regierung kam. Von da ab erhielten die Sendungen ein anderes Gesicht und waren nicht mehr so durch die Vergangenheit belastet wie zuvor."
Es wird heute oft gesagt, dass sich Tschechen und Slowaken immer weniger verstehen, dass junge Tschechen bereits kein slowakisch mehr verstehen und umgekehrt. Ist das auch Ihre Erfahrung?
"Ich will niemandem Unrecht tun, aber schon während meiner Prager Korrespondentenzeit, vier Jahre nach der Teilung, habe ich festgestellt, dass die slowakische Sprache den Tschechen fremd wird. Man hat das vor allem in alltäglichen Situationen gemerkt, wenn man Worte gebraucht hat, die es im Tschechischen nicht gibt. Ich will damit nicht sagen, dass wir uns nicht verständigt hätten. Die zwischenmenschliche Kommunikation funktionierte perfekt und dadurch wurden sprachliche Missverständnisse in den Hintergrund gedrängt. In der Slowakei war und ist die Situation anders und meiner Meinung nach besser. Im slowakischen Fernsehen ist noch heute jeden Tag tschechisch zu hören, in einigen Kabelprogrammen sogar ausschließlich. Den Slowaken rückt das Tschechische sozusagen nicht von der Pelle.
Seit den diesjährigen Parlamentswahlen sitzen zwei nationalistische Parteien mit im slowakischen Kabinett. Was bedeutet das für die Situation der Medien, haben sich etwa die Bedingungen im Rundfunk geändert?
Die Situation im Rundfunk hat sich bislang inhaltlich nicht zum Negativen verändert. Anders sieht es mit der Finanzierung aus. Darunter hatten bislang am meisten die Auslandssendungen des Slowakischen Rundfunks zu leiden. Aus Geldmangel werden sie jetzt nicht mehr über Kurzwelle, sondern nur noch via Satellit und Internet ausgestrahlt. Die neue Regierung hat aber versprochen diesen Zustand zu ändern. Im öffentlich-rechtlichen Slowakischen Fernsehen wird jetzt ein neuer Intendant gewählt. Die Regierung lässt aber offiziell keine Leute aus den eigenen Reihen auf diesen Posten.
Der Slowakische Rundfunk feiert in dieser Woche seinen 80. Geburtstag. Welche Zukunftsvisionen werden diskutiert, welche Tendenzen gibt es zu beobachten? Im Tschechischen Rundfunk ist ja ein besonders wichtiges Thema jetzt die Digitalisierung, außerdem bemüht man sich um die Erschließung neuer Hörerkreise. So ist etwa in diesem Jahr der Jugendsender Radio Wave und die populär-wissenschaftliche Station Leonardo auf Sendung gegangen. Gibt es ähnliche Tendenzen beim Slowakischen Rundfunk?"Sicherlich wird auch hier über Digitalisierung gesprochen, es gibt auch schon erste Versuche damit. Weiter will der Slowakische Rundfunk will im Februar kommenden Jahres seine Sendestruktur verändern. Das erste Programm soll dem tschechischen Radiozurnal angenähert werden, das es bei uns noch nicht gibt. Umgekehrt hat der Slowakische Rundfunk bereits seit 1995 einen Jugendsender. Und Projekte wie Radio Leonardo sind mit der zunehmenden Digitalisierung natürlich auch in der Slowakei zu erwarten. Es gibt auch Überlegungen, den Slowakischen Rundfunk in Zukunft mit dem Slowakischen Fernsehen zu verbinden. Aber das muss man mal abwarten, solche Überlegungen hört man hier nicht zum ersten Mal."