Mehr als Sightseeing: Frankfurter Studenten als Praktikanten in Prag

Prag

Prag - fast jeder war schon einmal hier, hat ein Wochenende lang Karlsbrücke, Hradschin und Altstädter Ring besichtigt. Mehr als nur eine Sightseeingtour absolvieren gerade sieben Studenten aus Frankfurt, die mit einem Stipendium der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung sieben Wochen lang in Prag leben und als Praktikanten in verschiedenen Prager Institutionen arbeiten. Ziel des Programms ist die Förderung junger Akademiker aus Mittel- und Osteuropa.

Sie studieren vollkommen verschiedene Fächer, von Kunstgeschichte bis Wirtschaftsrecht, machen vollkommen verschiedene Praktika, im Prager Nationaltheater, im Magistrat oder in der Nationalgalerie: Sieben Studenten aus Frankfurt, die im Rahmen der Städtepartnerschaft Frankfurt - Prag am so genannten kafka-Programm der gemeinnützigen Hertie-Stiftung teilnehmen. Kafka - die Abkürzung steht für "Kommunaler Austausch für Fortbildung und Kooperation junger Akademiker." Prag und Tschechien kannten die meisten vor Beginn des Praktikums noch gar nicht, bereut hat die Wahl jedoch keiner. Tobias Hering studiert Politikwissenschaften und bereitet als Praktikant bei NROS, Stiftung zur Entwicklung der Zivilgesellschaft, ein Seminar für tschechische Schülerclubs vor. Er erzählt, warum er nach Prag kam:

"Für mich war speziell die Arbeitsstelle entscheidend, weil sie mit meinem Studium eng verbunden ist und ich genau in diesen Nichtregierungsbereich heineinschnuppern wollte, aber im Nachhinein hat sich Prag als Stadt auf jeden Fall auch gelohnt."

Die Wirtschaftsrechtsstudentin Jessica Rothenbücher kam zufällig, durch einen Aushang an der Frankfurter Fachhochschule, auf die Idee, sich für das kafka-Programm zu bewerben, das in diesem Sommer zum zweiten Mal stattfindet:

"Eigentlich wollte ich einfach nur ein Praktikum bei einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft machen, und als ich das Programm der Hertiestiftung sah, dachte ich: Super, gleich eine Kombination aus meinem Praktikum, das ich ja wollte, und einem Aufenthalt in Prag."

Prag und Frankfurt sind nicht die einzigen beiden Städte, zwischen denen der Austausch besteht und in den nächsten Jahren weiter gefördert werden soll. Jan Patera, der Betreuer der deutschen Praktikanten in Prag, erklärt:

"Kafka ist ein Projekt, das junge Leute aus verschiedenen Städten Deutschlands und Mitteleuropas verbindet. Es bietet besonders begabten Studenten Praktika in ausgewählten Betrieben an. Studenten aus Frankfurt können ein Praktikum in Prag, Krakau oder in Budapest machen, Studenten aus Prag in Frankfurt. Dazu kommt, dass sie die Stadt sehr gut kennen lernen, und zwar durch ein Begleitprogramm, das immer freitags stattfindet: Die Stadt und das Land werden hier aus verschiedenen Aspekten dargestellt. Das Ziel ist eine europäische Vereinigung durch persönliche Kontakte."

Foto: Autorin
Vier Tage die Woche schnuppern die Praktikanten in die tschechische Arbeitswelt hinein, immer Freitags geht es auf Entdeckungstour ins Prager Leben unter kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Blickwinkeln: Vom Besuch der deutsch-tschechischen Industrie- und Handelskammer bis zur Diskussion über das Bild Tschechiens in den deutschen Medien mit Redakteuren der neuen Tageszeitung "Prazsky Denik" - Einblicke, die "normale Touristen" selten bis gar nicht bekommen, findet Anna Gerhards, die in Frankfurt Theater-, Film- und Medienwissenschaften studiert und ihr Praktikum beim Prager Nationaltheater absolviert:

"Das Freitagsprogramm hat mir sehr gut gefallen, weil wir Eindrücke von ganz verschiedenen Prager Institutionen bekommen haben. Wir hatten Themen wie Politik und Wirtschaft, einen Kulturtag, an dem wir zum Beispiel ein Filmanimationsstudio besucht haben und die Nationalgalerie - zuhause in der eigenen Heimatstadt würde man sich so ein Programm manchmal auch wünschen, weil man so einen umfassenden, generellen Einblick in die Stadt bekommt."

Vor der Abreise gab es für die Teilnehmer einen einwöchigen Tschechisch-Intensivkurs, der den Studenten wenigstens die einfachsten Redewendungen vermittelt hat. Im Gegensatz zu tschechischen Studenten, die sehr gute Deutschkenntnisse mitbringen müssen, um eine Praktikumsstelle in Frankfurt zu bekommen, sind Tschechischkenntnisse für die deutschen Bewerber keine Voraussetzung.

"Es wäre natürlich optimal," meint der Betreuer der Hertie-Stpendiaten, Jan Patera, "aber wir beziehen uns ja nicht auf das Grenzgebiet, sondern wir wollen Leute aus Frankfurt ansprechen, die vielleicht noch gar nicht in Tschechien waren."

Auch wenn es mit der Verständigung etwas hapert: Die Studenten fanden sich schnell in ihren Arbeitsstellen zurecht, sind erstaunt über die Aufgeschlossenheit und Hilfsbereitschaft der tschechischen Arbeitskollegen. Natalie Bzik studiert Politikwissenschaften und arbeitet im Magistrat an einem Vergleich der Stadtparlamente aller Prager Partnerstädte:

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"Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu meinen tschechischen Arbeitskolleginnen. Was ich sehr erstaunlich finde, ist, dass sie schnell auch privat etwas mit mir unternehmen, dass sie mit mir in die Mittagspause gehen oder sogar mal in den Zoo."

Rene Vazac ist Wirtschaftsprüferin bei Rödl und Partner - das Unternehmen hat bereits zum zweiten Mal eine Praktikumsstelle im Rahmen des kafka-Programms angeboten.

"Uns gefällt die Idee dieses Projekts, da die Studenten während ihres Praktikums interessante Erfahrungen sammeln, die sie gegenseitig austauschen. Außerdem richtet sich dieses Projekt auf unsere gemeinsame Zukunft und nicht auf unsere Vergangenheit."

Nach vorne statt zurück blicken - in Prag leben und arbeiten - keiner der Frankfurter Studenten hat die Entscheidung bereut, die Sommersemesterferien in Tschechien verbracht zu haben. Am Sonntag fährt die Gruppe wieder nach Deutschland zurück - die meisten wären gerne länger geblieben, und alle haben sie vor, auf jeden Fall bald wieder nach Prag zu kommen, in die Stadt, die in den sieben Wochen durch die vielen unterschiedlichen Begegnungen und Einblicke zu ihrer zweiten Heimatstadt geworden ist, wie Natalie Bzik zusammenfasst:

"Ich habe noch nie eine Stadt erlebt, in der man sich so schnell so zuhause fühlt. Dieses Gefühl ist einfach unersetzlich und nicht mit einem Urlaubsaufenthalt zu vergleichen, weil man da ja nur die touristischen Attraktionen sieht, von denen die Prager selbst sich eher fernhalten. Wir bekommen richtig das Prager Leben mit."