Der Konflikt bei der tschechischen Wochenzeitung Respekt

Die tschechische Wochenzeitung Respekt sorgte in den vergangenen Jahren mit ihren Berichten und Reportagen immer wieder für Aufsehen. Egal, ob Korruptionsfälle, längst vergessene Massaker an Angehörigen der Minderheit der Roma, oder an Sudetendeutschen unmittelbar nach dem Kriegsende - die Zeitschrift griff oft Themen auf, die von anderen Medien entweder gar nicht, oder nur vorsichtig behandelt wurden. Jetzt sorgt jedoch Respekt mit einem öffentlich ausgetragenen Streit zwischen den meisten Redakteuren und dem Verlagsdirektor für Aufsehen. Mehr über die Hintergründe des Konflikts erfahren Sie nun von Thomas Kirschner und Robert Schuster in einer weiteren Folge von Im Spiegel der Medien.

Die renommierte tschechische Wochenzeitung Respekt sorgte in den vergangenen Tagen für Schlagzeilen. Schließlich kommt es nicht oft vor, dass bis auf einige Ausnahmen alle Redakteure praktisch von einem Tag auf den anderen kündigen. Der Grund für diesen radikalen Schritt sind die geplanten Veränderungen bei Respekt, welche der angesehenen Zeitschrift ab Beginn des nächsten Jahres nicht nur ein neues Gesicht bescheren, sondern Respekt auch für neue Leser attraktiver machen sollen.

Die Wochenzeitschrift ist seit Jahren das Flaggschiff unter den seriösen tschechischen Enthüllungsmedien und ihre Entstehung ist eng mit der politischen Wende des Jahres 1989 verbunden. Damals gründete eine Gruppe von Journalisten, die bisher im Samisdat tätig waren, den so genannten "Informationsdienst". Sehr bald erschien jedoch die Zeitschrift unter ihrem heutigen Namen. In den folgenden Jahren profilierte sich Respekt mit Beiträgen über Korruption oder Fälle von Wirtschaftskriminalität in Tschechien.

Dennoch ist Respekt aus wirtschaftlicher Sicht seit vielen Jahren ein Verlustgeschäft. Mehrere Versuche Respekt in ein größeres in- oder ausländisches Medienhaus zu integrieren und somit seine Existenz abzusichern, scheiterten. Seit der Jahrtausendwende wird die Wochenzeitung von Fürst Karl Schwarzenberg herausgegeben. Dennoch ging die Suche nach einem strategischen Partner weiter, bis zum Frühjahr dieses Jahres, als der Unternehmer Zdenek Bakala als neuer Investor in die Verlagsgesellschaft eingestiegen ist.

Hängen also die dramatischen Ereignisse der letzten Tage eben mit dieser Veränderung bei der Eigentümerstruktur zusammen? Das fragten wir den stellvertretenden Chefredakteur der Zeitschrift, Erik Tabery, der ebenfalls zusammen mit seinen Kollegen vergangene Woche kündigte:

"Ausschlaggebend war ein Zusammenspiel von mehreren Gründen. Einerseits haben wir von unserem strategischen Direktor Milos Cermak nach und nach erfahren, dass größere inhaltliche Veränderungen geplant sind, ohne aber, dass wir gewusst hätten, was konkret damit gemeint war. Zum anderen haben einige der bisherigen Ressort-Leiter bei Respekt aus anderen Quellen erfahren, dass Cermak bereits Ersatz für sie gefunden habe. Der dritte Punkt war, dass wir befürchten, dass die geplanten Neuerungen die Unabhängigkeit von Respekt beeinträchtigen. Gerade diese Unabhängigkeit ist das Wertvollste, was die Zeitschrift seit ihrer Gründung besitzt. Zudem bekamen wir den Eindruck, dass die Eigentümer von so einer Entwicklung gar nicht wussten. Deshalb haben wir uns zu diesem Schritt entschieden, um dagegen zu protestieren. Nun wollen wir die Verhandlungen der Redaktionsleitung mit den Eigentümern abwarten, um zu sehen, ob die bisher publik gewordenen Pläne von ihnen unterstützt werden. Danach werden wir über die weitere Vorgangsweise entscheiden."

Der bereits erwähnte Milos Cermak ist seit einem Viertel Jahr für die weitere strategische Entwicklung von Respekt verantwortlich. Vorher war er Journalist und schrieb Kolumnen für einige tschechische Tages- und Wochenzeitungen. Sein Engagement bei Respekt hängt eng mit dem Einstieg des tschechischen Financiers Zdenek Bakala bei Respekt zusammen. Die Vorgabe Bakalas ist nämlich ziemlich klar: Die Zeitschrift soll profitabel werden und muss sich somit ändern.

In erster Linie sollen das bisherige Zeitungsformat und der Schwarz-Weiß-Druck aufgegeben werden. Milos Cermak begründet das mit der Notwendigkeit Respekt der veränderten Lage auf dem tschechischen Medienmarkt, sowie den Erwartungen der Leser anzupassen. Seiner Meinung nach ist Respekt, trotz seiner großen Verdienste um die Etablierung eines demokratischen Zeitungswesens in Tschechien, in seiner Entwicklung irgendwo stecken geblieben.

Milos Cermak sieht deshalb andere Ursachen für seinen Konflikt mit einem Großteil der Redaktion, wie er im folgenden Gespräch gegenüber Radio Prag erläutert:

"Ich denke nicht, dass die geplanten Veränderungen bei Respekt die wahre Ursache sind, sondern das ist eher vorgeschoben. Die künftigen Neuerungen bei Respekt werden mit Sorgfalt und einem großen Maß an Gefühl gegenüber dieser traditionsreichen Wochenzeitung geplant. Meine Vorstellungen, als ich vor einem Viertel Jahr in den Verlag kam war, dass wir in maximaler Weise das Potential der Redaktion wie auch der Leser nützen wollen, weil sich in einer Zeitschrift die Autoren, wie auch die Leser fast schon in einem intimen Verhältnis miteinander befinden. Das wollten wir nicht aufs Spiel setzen, in dem wir die Redaktion oder den Inhalt von Respekt geändert hätten. Das Ziel ist, dass Respekt breiter wird - sowohl bei der vertreten Meinung, wie auch, was die journalistischen Gattungen angeht. Meine Vorstellung war, dass ungefähr achtzig Prozent des heutigen Respekt sechzig Prozent des künftigen Respekt bilden sollten. Ich denke auch, dass die Redaktion mit der Grundausrichtung dieser Linie von Beginn an einverstanden war. Die Probleme liegen im persönlichen Bereich. Wahrscheinlich haben beide Seiten irgendwelche Fehler gemacht, Fehler in der gegenseitigen Kommunikation. Es ist aber kein Streit um die Zukunft von Respekt, sondern um den Einfluss auf Respekt."

Wie nicht anders zu erwarten, steht hier also Aussage gegen Aussage. Es ist jedoch nicht uninteressant, dass es nicht das erste Mal ist, das es bei der renommierten Wochenzeitung zu Turbulenzen gekommen ist. Ähnliche Konflikte gab es bereits in der Vergangenheit, zuletzt etwa im Sommer vergangenen Jahres, als es darum ging einen neuen Chefredakteur zu bestellen und die Redaktion jenen Kandidaten, der vom Eigentümer Schwarzenberg favorisiert wurde, ablehnte. Der stellvertretende Chefredakteur Erik Tabery meint jedoch, dass der jetzige Konflikt mit den früheren nicht zu vergleichen ist:

"Das würde ich getrennt behandeln, weil der vorherige Konflikt um die Person des neuen Chefredakteurs damit zusammenhing, dass diese Personalentscheidung vom Mehrheitseigentümer nicht mit der Redaktion und Vertretern der Minderheitsaktionäre besprochen wurde, was vom Redaktionsstatut her vorgesehen ist. Das war damals eher eine technische Angelegenheit. Diesmal ist aber der Konflikt von grundsätzlicher Natur, weil es um die Grundsubstanz von Respekt geht. Es geht überhaupt nicht darum, dass die Redaktion gegenüber dem neuen Investor eine Mitbestimmung bei der Wahl des Chefredakteurs verlangen würde. Vielleicht hing das aber auch damit zusammen, dass sich Milos Cermak der ganzen Redaktion gegenüber zunächst als strategischer Direktor vorstellte. Auf einmal aber begann er sich als Chefredakteur zu deklarieren und hat begonnen die bisher geltenden Regeln zu ändern. Unseren Informationen zu Folge war dies auch gar nicht mit den Eigentümern besprochen. Wenn es hier also einen Interessenskonflikt gibt, dann erwarten wir, dass sich etwas ändert; falls aber die Eigentümer diese Linie unterstützen sollten, wollen wir ihren Plänen nicht im Wege stehen. Das wäre fair für beide Seiten und man muss sich daran nicht um jeden Preis daran beteiligen."

War diese von Erik Tabery angedeutete starke Mitbestimmung der Redaktion nicht etwas, womit Milos Cermak bei seinem Antritt rechnen musste? Das er nämlich bei den geplanten Änderungen sehr bald einen Großteil der Redaktion gegen sich haben könnte? Dazu sagt Milos Cermak im Rückblick:

"Natürlich habe ich mit so etwas gerechnet, ich kannte die Risiken und ich habe das bewusst in Kauf genommen. Die Situation hat sich dadurch verändert, weil ein neuer Investor gekommen ist, der mir diese Position angeboten hat. Das ist also anders im Vergleich zu früheren innerredaktionellen Schwierigkeiten, die Respekt heimgesucht haben. Ebenso - im Gegensatz zu früher, wo den neu eingesetzten Chefredakteuren von Beginn Wind ins Gesicht blies, hat mein Engagement ursprünglich keine Emotionen geweckt. Man darf nicht vergessen, dass es sich bei Respekt im Grunde genommen um eine Redaktion handelt, die eine sehr starke Stellung hat und auch kompakt ist. Ich habe aber nicht erwartet, dass sich die Lage so zuspitzen könnte."

In den kommenden Tagen soll jedenfalls entschieden werden, wie es bei Respekt weiter gehen wird. Vertreter der Redaktion werden mit den beiden Eigentümern Schwarzenberg und Bakala, über die weitere Zukunft des Blattes verhandeln. Wir werden Sie jedenfalls in unseren Sendungen auf dem Laufenden halten.