Mitteleuropäer von Welt: Zum Tod von Karel Schwarzenberg
In der Nacht auf Sonntag ist im Alter von 85 Jahren der ehemalige tschechische Außenminister Karel Schwarzenberg in Wien verstorben. Quer durch das politische Spektrum wurde große Trauer über das Ableben des Politikers geäußert. Radio Prag International blickt auf das bewegte Leben des mitteleuropäischen Politikers von Weltrang zurück.
Die traurige Nachricht vom Tod Karel Schwarzenbergs verkündete in der Nacht zu Sonntag Tschechiens ehemaliger Finanzminister Miroslav Kalousek (Top 09). Im sozialen Netzwerk X teilte er mit:
„Karel Schwarzenberg ist gestorben… Mir war klar, dass dieser Moment kommen würde, es trifft mich dennoch wie ein Schlag. Er war einer der wichtigsten und liebenswertesten Menschen in meinem Leben. Möge er in Frieden ruhen. Die Tschechische Republik sollte ihm in alle Zeiten dankbar sein für das, was er uneigennützig für sie geleistet hat.“
Die schlichte Anzahl an Beileidsbekundungen, sei es vonseiten des Staatspräsidenten, des Premiers, Vertretern aus Opposition und Regierung, lässt erahnen, welch wichtige Rolle Karel Schwarzenberg für die Geschichte Tschechiens spielte.
Karel Schwarzenberg oder Karl von Schwarzenberg, wie er in seinem Schweizer Pass hieß, wurde 1937 in Prag geboren. Er stammte aus der Orlík-Linie seines Adelsgeschlechts. Nach dem kommunistischen Umsturz emigrierte seine Familie 1948 nach Österreich. Schwarzenberg studierte Jura und Forstwirtschaft in Wien, Graz und München.
In den 1980er Jahren wurde er der erste Vorsitzende der Internationalen Helsinki-Föderation für Menschenrechte. In seine Heimat zurück kehrte Schwarzenberg erst nach der Samtenen Revolution. Bis 1992 war er dort dann Kanzleichef von Präsident Václav Havel. Später war er entscheidend an der Entstehung der Deutsch-Tschechischen Erklärung von 1997 beteiligt.
Den ersten Schritt in die Spitzenpolitik Tschechiens wagte Schwarzenberg 2004, als er zum Senator gewählt wurde. Später war er Parlamentarier im Abgeordnetenhaus und schließlich zweimal tschechischer Außenminister – in den Regierungen von Mirek Topolánek und später Petr Nečas (beide Bürgerdemokraten).
2009 wurde Schwarzenberg Vorsitzender der neugegründeten Partei Top 09. Damals sagte er:
„Die Top 09 soll eine Alternative anbieten. Uns ist absolut klar, dass dieser Schritt für uns ein Risiko bedeutet, denn Miroslav Kalousek und ich haben uns mit der Zeit ein gewisses politisches Kapital erarbeitet. Dieses setzen wir nun aufs Spiel, und wir wissen nicht, wie das ausgeht.“
Es ging gut aus. Bis 2015 stand Schwarzenberg an der Spitze der Mitte-Rechts-Partei, später wurde er der Ehrenvorsitzende der Gruppierung, die heute mit in der Regierung sitzt.
Der „Fürst“, wie er hierzulande mitunter genannt wurde, zählte in Tschechien zu den beliebtesten Politikern. Bei der Präsidentschaftswahl 2013, die zum ersten Mal in direkter Wahl durchgeführt wurde, startete der Adelige in die zweite Runde durch. Sein Kontrahent hieß damals Miloš Zeman. Zum Wahlkampfthema wurde auch die Vertreibung der Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg. Zu diesem Thema vertrat Schwarzenberg eine gänzlich andere Ansicht als Zeman. Seine Haltung hatte der Adelige etwa bereits 2003 in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks deutlich gemacht:
„Ich bin der Überzeugung, dass ein Verbrechen noch lange kein weiteres Verbrechen rechtfertigt. Wir Tschechen haben eben nicht von Masaryk gelernt und uns anders verhalten. Wir haben das leider nicht geschafft, und darin liegt für mich die Tragödie. Die Vertreibung ist für mich deshalb kein Problem der Sudetendeutschen. Sie ist kein deutsches oder österreichisches Problem. Sie ist ein Problem der Tschechen, meiner Nation. Wir müssen irgendwie damit klar kommen, dass auch wir in unserer Geschichte nicht immer die Unschuldslämmer waren.“
Im Duell in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl unterlag Schwarzenberg schließlich seinem Kontrahenten Miloš Zeman. Aus dem politischen Leben zog er sich jedoch nicht zurück. Bis zu den Wahlen 2021 saß er im Parlament und wurde damit zum dienstältesten Abgeordneten. Berühmt war er stets auch für seinen Humor. Als er einmal von Fotografen abgelichtet wurde, wie er in seiner Bank im Abgeordnetenhaus schlummerte, kommentierte Schwarzenberg die Bilder nur mit den Worten: „Wenn dort Unsinn geredet wird, schlafe ich eben.“
Für seine Verdienste in der Politik wurde Karel Schwarzenberg vielfach ausgezeichnet. Das Bundesverdienstkreuz und das Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich waren da nur die Sahnehäubchen. Als Schwarzenberg im Jahr 2009 mit dem Mitteleuropa-Preis ausgezeichnet wurde, bat Radio Prag International den Politiker vors Mikrophon. Er sagte:
„In meinem Beruf sind solche Ehrung eher eine Alterserscheinung. Ab einem gewissen Alter kommen solche Sachen eben. Aber wehe dem, der sich selbst deswegen mehr ernst nimmt.“
Eine bedeutende Ehrung kam zuletzt aber doch noch hinzu. Am 28. Oktober dieses Jahres verlieh Tschechiens amtierender Staatspräsident, Petr Pavel, die höchstmögliche Ehrung Tschechiens, den Orden des Weißen Löwen, an Schwarzenberg. Dieser konnte die Auszeichnung jedoch bereits nicht mehr persönlich entgegennehmen. In der vergangenen Woche wurde Karel Schwarzenberg in ein Wiener Krankenhaus gebracht. Dort starb er in der Nacht auf Sonntag im Kreise seiner Familie. Er wurde 85 Jahre alt.