Kellner für fünf Monate und ein neues Leben ohne Drogen

restaurace_therapy1.jpg

Nach der politischen Wende 1989 in der Tschechoslowakei, musste sich das Land auf dem neu eingeschlagenen Weg - wie es hieß - "zurück nach Europa" den in vielen Bereichen üblichen Standards des Westens anpassen. Plötzlich gab es harte Nüsse zu knacken: Prostitution und Drogenkonsum, und mit beiden tun sich tschechische Politiker bis heute schwer. Dem letzteren Problem gilt unsere heutige Rubrik "Tschechien in Europa, Europa in Tschechien. Hier zunächst eine kurze Einleitung von Jitka Mladkova.

Foto: Archiv ČRo 7
Vor zweieinhalb Jahren war es wohl zum letzten Mal, als es aus dem damaligen Kabinett verlautete: Eine neue Antidrogen-Politik soll her! Vertreter der einzelnen Parteien der Regierungskoalition haben in der Debatte um ein neues Strategiekonzept verschiedenste Maßnahmenvorschläge beigesteuert - von ganz moderaten bis hin zu sehr strengen - die insgesamt eine neue Basis für den Umgang mit dem bedrohlich steigenden Drogenkonsum schaffen sollten.

Am radikalsten in ihrem Vorgehen waren wohl die Christdemokraten, die u.a. die gesetzlich verankerte Unterscheidung von so genannten "weichen" und "harten" Drogen aufheben wollten. Die Konsequenz wäre gewesen: Ob jemand mit Haschisch oder Heroin dealt oder eins von beiden konsumiert, sollte in Zukunft keinen Unterschied mehr bei der Strafverfolgung machen. Die Parteien konnten aber keine gemeinsame Sprache finden und ihre Einigung in der Drogenfrage blieb letztendlich aus. Dafür haben sie sich auch viel Kritik von Experten eingehandelt. Einige von ihnen nahmen kein Blatt vor den Mund und warnten, die von Populismus getragenen Ideen zur Veränderung der bestehenden staatlichen und nicht staatlichen Antidrogen-Politik würden zu Zerstörung des Systems in diesem Bereich führen.

Foto: Archiv ČRo 7
Nun, die Minister kommen und gehen, die Besetzung der tschechischen Regierung hat sich seither mehrmals geändert, die Antidrogenpolitik ist allerdings bislang in keiner Weise mehr so groß wie im Jahr 2004 thematisiert worden. Dies bedeutet natürlich nicht, dass Tschechien das Drogenphänomen losgeworden ist. Im Gegenteil! Hierzu ein paar jüngste Angaben des Tschechischen Statistischen Amtes von August 2006:

Die Tschechen geben jährlich etwa 6,5 Milliarden Kronen, ca 220 Millionen Euro, für Drogen aus. Von Schwarzmarkt-Dealern oder der eigenen Herstellung stammen rund 10 Tonnen Marihuana, 1,2 Millionen Ecstasy-Tabletten, über eine Viertelmillion LSD-Trips, 3,5 Tonnen Pervitin und 2,2 Tonnen Heroin! Der Kampf gegen die Drogenhydra ist mühsam, doch zum Glück gibt es u.a. dank verschiedenen sozialen Projekten auch Positives zu berichten!

Soziale Projekte haben es aber nicht leicht in Tschechien. Oft kämpfen sie vor allem um die Finanzierung. Einen etwas anderen Ansatz verfolgt die Wohltätigkeitsorganisation Sananim. In einem Restaurant im Herzen Prags verbindet sie konkrete Lebenshilfe und Betreuung mit der nötigen Finanzierung. Denn während die Gäste ihre Speisen und Getränke genießen, lernen ehemalige Drogenabhängige wieder ein geregeltes Leben fernab der Sucht zu führen. Über ein konkretes Projekt berichtet jetzt Fabian Schweyher:

Im Umfeld des Wenzelsplatzes bevölkern gewöhnlich überwiegend Touristen die Einkaufsstraßen mit ihren vielen Geschäften, Cafés und Restaurants. In der etwas versteckt liegenden Skolska-Straße, Hausnummer 30, befindet sich eines von ihnen. Die rot gestrichene Fassade mit den großen Glasfenstern lädt zum Einkehren ein. Das einzig Außergewöhnliche daran ist der Name: "Restaurant Therapy". Was die meisten Passanten vielleicht für einen kreativen Namen halten, steht in Wirklichkeit in einem weitaus engeren Bezug zu dem Lokal als viele vermuten dürften. Denn das Restaurant gehört der Wohltätigkeitsorganisation Sananim. Sie bietet Drogenabhängigen viele Hilfsangebote rund um die Sucht. Eines davon hat sie mit dem Restaurant vermischt. Dazu der Manager des Restaurants, Jan Karel:

"Mit dem Cafe Therapy bieten wir ehemaligen Drogenabhängigen einen vorübergehenden Arbeitsplatz. Unser Programm ist für diejenigen unter ihnen gedacht, die schwer auf dem Arbeitsmarkt zu vermitteln sind, etwa weil sie straffällig geworden sind oder hohe Schulden haben. Das Programm läuft fünf Monate und danach stellen wir ihnen eine Empfehlung aus, so dass sie es auf dem normalen Arbeitsmarkt leichter haben."

Das Restaurant Therapy wurde im November 2005 eröffnet. Momentan arbeiten dort 14 Beschäftige, von denen acht ehemalige Drogenkonsumenten sind. Diese jungen Erwachsenen zwischen 20 und 25 Jahren befinden sich bei Sananim in der Nachsorge. Das bedeutet: Nachdem sie in einer betreuten Wohngemeinschaft außerhalb Prags den Absprung von den Drogen geschafft haben, werden sie nun unterstützt, wieder in ein normales Leben zurückzufinden. Dazu zählt therapeutische Betreuung aber auch soziale Hilfe. Denn unerlässliche Dinge für ein stabiles Leben sind eine feste Unterkunft, eine reguläre Arbeitsstelle und ein gesundes soziales Umfeld. Damit dies gelingt bietet ihnen das Restaurant Therapy die Chance, genau dies unter Anleitung kennen zu lernen. Dazu Ales Kuda von der Nachsorge bei Sananim:

"Der größte Nutzen für die Drogenabhängigen liegt in dem Kontakt mit der so genannten 'normalen' Gesellschaft, wo sie sich soziale Fähigkeiten aneignen können. Dies fördert ihre Rückkehr in ein normales Leben."

Vier von ihnen arbeiten unter der Aufsicht eines Mitarbeiters an der Bar. Die anderen vier sind in der Küche tätig. Dort arbeiten sie 168 Stunden im Monat, und nach insgesamt fünf Monaten endet das Programm. Mit einem Arbeitszeugnis in der Tasche können sie sich für andere Jobs bewerben. Denn ohne Zeugnis oder Berufserfahrung ist es außerordentlich schwer einen Job zu finden, was wiederum wichtig für ein stabiles Leben ist.

Die betreuten Angestellten des Restaurants haben früher Drogen wie Heroin und Pervitin genommen. Wobei Pervitin eine speziell in Tschechien verbreitet Substanz ist, die stimuliert und stark süchtig macht. Auch Tomas kam mit diesen Drogen in Kontakt. Sieben Jahre lang konsumierte der 23jährige aus Teplice / Teplitz illegale Stoffe. Nun ist er clean und arbeitet seit knapp fünf Monaten im Restaurant Therapy. Die letzten Stationen seines Lebens beschreibt Tomas so:

"Seit dem Jahr 1997 war ich drogenabhängig. Später kam ich in eine psychiatrische Klinik, und danach wohnte ich in einer betreuten Wohngemeinschaft für Süchtige. Dann folgte die Nachsorge. Inzwischen lebe ich allein, arbeite hier und mir geht es gut."

Tomas hat Bauberuf gelernt und war nie längerfristig beschäftigt, abgesehen von kurzen Jobs. Über seinen Job an der Bar sagt er:

"Diese Arbeit ist etwas komplett Neues für mich, und es macht mir Spaß. Dies ist ein neuer Anfang. Ich möchte hier bleiben."

Auch wenn sich dieses Programm relativ einfach anhört, so besitzt es doch für die ehemaligen Konsumenten einige Hürden. Die größte Gefahr geht von einer legalen Droge aus, berichtet Jan Karel:

"Der Anfang im Cafe Therapy ist für die ehemaligen Drogenabhängigen schwierig. Ehemalige Konsumenten befinden sich stets in der Gefahr, dem Alkohol zu verfallen. Im Restaurant begegnen sie täglich Menschen, die Alkohol zu sich nehmen. Manchmal haben unsere Angestellten Probleme damit, dann schalten wir uns ein und bestätigen sie in dem, was sie machen. Oder wir weisen sie zurecht, wenn sie etwas falsch machen."

Und so gestaltet sich der Weg zu einem geregelten Leben oft alles andere als glatt. Nicht nur deshalb ist eine geschützte Arbeitstelle mit psychologischer Betreuung extrem wichtig für die ehemaligen Konsumenten. Jan Karel:

"Denn häufig befinden sie sich in einer sehr schwierigen Situation, haben niemanden, an den sie sich nach der Heilung wenden können, haben keinerlei Umfeld und meistens kein Geld, sondern nur Schulden."

Bisher haben erst zwei Personen den fünfmonatigen Einstieg in die Arbeitswelt abgeschlossen, was daran liegt, dass die Gaststätte Therapy erst seit acht Monaten existiert. Nicht, dass ein falscher Eindruck entsteht: Das Restaurant Therapy ist eine ganz normale Gaststätte mit 80 Sitzplätzen, einem Spielraum für Kinder und Konferenzraum. Seit der Eröffnung zählen vor allem tschechische Berufstätige zu den Stammgästen. Vielen von ihnen ist das Konzept aus Restaurant und Sozialprojekt nicht einmal bekannt. Mit Absicht, da viele der ehemaligen Drogenkonsumenten nicht als solche wahrgenommen werden wollen. Die Betreiber halten sich daher über die Hintergründe des Restaurants bedeckt. Manager Jan Karel:

"Anfangs war es für uns ein großes Problem, ob wir uns unseren Gästen als Organisation Sananim zu erkennen geben sollten oder nicht. Wenn sich heutzutage jemand erkundigt, versuchen wir unseren Gästen klarzumachen, dass jeder Gewinn aus dem Restaurant zur Heilung und Prävention von Drogenabhängigkeit beiträgt."





Folgende Hinweise bringen Ihnen noch mehr Informationen über den Integrationsprozess Tschechiens in die Europäische Union:



www.integrace.cz - Integrace - Zeitschrift für europäische Studien und den Osterweiterungsprozess der Europäischen Union

www.euroskop.cz

www.evropska-unie.cz/eng/

www.euractiv.com - EU News, Policy Positions and EU Actors online

www.auswaertiges-amt.de - Auswärtiges Amt