Wahlen 2006: Kleine Parteien hoffen auf starke Opposition und Pluralität

Foto: CTK

Insgesamt 14 Stunden hatten die tschechischen Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, an die Wahlurne zu treten. Radio Prag war gleich zum Auftakt der Wahlen vor Ort, als einige Spitzenpolitiker in zwei Wahllokalen auf der Prager Kleinseite ihre Stimme abgaben. Hier der Bericht von Lothar Martin.

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Politiker wollen gewählt werden. Und möglichst zahlreich dazu. Deshalb ist es schon zu einer guten Tradition geworden, dass die Spitzenkandidaten der einzelnen Parteien sehr früh nach Öffnung der Wahllokale an die Urnen treten, um dort ihre Stimme abzugeben. Schon um den anderen über acht Millionen Wählerinnen und Wählern zu demonstrieren: Nehmt von eurem Wahlrecht Gebrauch und nutzt die Chance, mit zu entscheiden, wer die Verantwortung über die zukünftige Politik des Landes übernehmen soll.

Einer der ersten in seinem Wahllokal im Prager Wahlbezirk 3 war der stellvertretende Senatsvorsitzende und Christdemokrat Petr Pithart. Pithart, nicht nur bekannt als früherer Senatsvorsitzender, sondern auch als Regierungschef des tschechischen Kabinetts in der relativ kurzen Zeit der Tschechisch-Slowakischen Föderation, äußerte zunächst seine Enttäuschung darüber, mit welcher Aggressivität sich der Wahlkampf in den letzten Tagen zugespitzt habe, und dass dies auf Kosten der Wahlbeteiligung gehen könne. Deshalb hoffe er, so Pithart, dass auch seiner Partei, die sich an dieser aggressiven Meinungsmache nicht beteiligt habe, nach den Wahlen eine wichtige Rolle zukomme:

Petr Pithart
"Die Tschechische Republik braucht auch weiterhin das, was sie nicht immer hatte - eine starke demokratische Opposition. Das ist meine grundlegende Forderung, was das Ergebnis der Wahlen anbelangt. Alles andere ist zweit- und drittrangig. Aber es ist nicht selbstverständlich, dass es so kommt. Ich würde es mir jedenfalls nicht wünschen, wenn sich die beiden stärksten Parteien darauf verständigen würden, die Zügel gemeinsam in die Hände zu nehmen."

Das würde ähnliche Verhältnisse schaffen wie zur Zeit des so genannten Oppositionsvertrages zwischen den Sozialdemokraten (CSSD) und den Bürgerdemokraten (ODS), der es den Sozialdemokraten als Wahlsieger von 1998 ermöglichte, vier Jahre lang mit einer Stimmenminderheit zu regieren. Eine solche Konstellation verhindern will in jedem Fall auch die Partei der Grünen (SZ), die sich als neue Farbe endlich im Parlament etablieren will. Die Zeichen dafür stehen günstig, denn den Wahlprognosen zufolge werden die Grünen erstmals in das Abgeordnetenhaus einziehen. Und genau in diesem befand sich auch das Wahllokal des zweiten Prager Wahlbezirks, in dem Martin Bursik, der Parteivorsitzende der Grünen seine Stimme abgab. Auch gegenüber Radio Prag strich er die für ihn gestiegene Bedeutung der aktuellen Parlamentswahlen heraus:

Martin Bursik  (Foto: CTK)
"Für mich persönlich haben diese Wahlen eine außergewöhnliche Bedeutung, denn ich bin Vorsitzender einer Partei, die ins Parlament einziehen wird. Ich glaube fest daran, dass die Wähler so entscheiden werden, dass es zu einer Erweiterung der Pluralität in unserer Demokratie kommen wird. Wir werden daher eine Partei mehr in unserem Parlament haben, eine Partei, die sich sowohl in den meisten europäischen Ländern als auch im Europäischen Parlament schon etabliert hat. Ich denke, dass sie auch in die tschechische politische Szene gehört, da sie Themen anspricht, die bisher vernachlässigt wurden, und sie einen politischen Stil pflegt, der sowohl der Demokratie in diesem Land als auch der Lebensqualität der Einwohner zur Ehre gereicht."

Vor laufenden Kameras und klickenden Fotoapparaten sagte Bursik, dass das Wählervotum nun auch ihn stärker in die Verantwortung nehmen werde:

"Die Verantwortung spüre ich bereits seit dem Augenblick, als wir uns bei den Wählerumfragen der Fünf-Prozent-Marke genähert haben. Denn jeder Bürger, der uns seine Stimme gibt, hat es verdient, dass wir mit seiner Fürsprache sehr sorgsam umgehen, und dass wir das in uns gesetzte Vertrauen nicht enttäuschen werden."