"Nicht sexy": Tschechisches EU-Büro will geringes Interesse an EU-Themen ändern

"Man kann nicht nicht kommunizieren": So brachte einmal der Soziologe Paul Watzlawick das Phänomen des Mitteilens auf einen Punkt. Dass es sich mit dem Mitteilen dann doch nicht ganz so einfach verhält und gerade Nichtgesagtes häufig eher wahrgenommen wird als Gesagtes, kennt Petra Masinova vom tschechischen Regierungsamt aus ihrer täglichen Arbeit. Trotzdem oder vielmehr gerade deswegen setzt sich die Leiterin der Abteilung für Informationen über europäische Angelegen-heiten für eine umfassende und transparente Informationspolitik ein. Sandra Dudek berichtet, welche konkreten Maßnahmen dabei getroffen und wie diese von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden:

Der Begriff "Eurocentrum" weckt durchaus interessante Assoziationen: Ein kulturelles Zentrum könnte es sein, in dem alle europäischen Länder vertreten sind, oder etwas, das mit der europäischen Währung zu tun hat. So richtig im Bewusstsein der Bevölkerung verankert scheint das Prager "Eurocentrum" jedenfalls noch nicht zu sein, wie eine nicht repräsentative Straßenumfrage ergeben hat. Dabei ist das im November vergangenen Jahres eröffnete Zentrum ein wesentlicher Bestandteil der integrierten Informationsstrategie des tschechischen Regierungsamts. Doch hierzulande, so der einhellige Tenor, werde gerade von offizieller Seite unzureichend und vor allem nicht zeitgerecht über europäische Angelegenheiten informiert. Dieser Meinung ist auch der Student Petr Hlavac:

"Ich denke, vor allem die Regierung sollte dafür mehr machen, denn es gibt eigentlich keine Aufklärungskampagne oder etwas Ähnliches. Ich meine, dass die Bürger von den offiziellen Stellen sehr schlecht informiert werden."

60 Millionen Kronen hat die tschechische Regierung im Juli vergangenen Jahres für die neue Informationsstrategie veranschlagt. Für deren Ausarbeitung und Umsetzung ist die speziell dafür eingerichtete Abteilung für Informationen über europäische Angelegenheiten verantwortlich. Obwohl die Abteilung strukturell zum tschechischen Regierungsamt gehört, bestehe ihre Hauptaufgabe in der Vermittlung neutraler Informationen ohne politischen Beigeschmack, meint die Leiterin Petra Masinova. Im Mittelpunkt der Aufklärungsarbeit stünden praktische Maßnahmen, die den tschechischen Bürgerinnen und Bürgern Europa näher bringen und transparenter machen sollen, meint Petra Masinova, die Leiterin des EU-Büros, für theoretische Debatten rund um die EU fühle sie sich nicht zuständig:

"Es ist wichtig, zuerst einen absoluten Informationszugang zu schaffen, damit sich jeder wohl fühlt, wenn er oder sie etwas sucht und weiß, dass er oder sie es finden wird. Und dann muss man sich bemühen, das Interesse für attraktive Themen zu erhöhen. Aber die Debatte mit den Bürgern, von der die politische Elite ständig redet, muss sie bitte selbst eröffnen."

Konkret handelt es sich um fünf Informationsinstrumente, die den absoluten Informationszugang gewährleisten sollen: Noch in diesem Jahr sollen dem Prager Eurozentrum weitere Zentren in den Regionen folgen, die den tschechischen Bürgerinnen und Bürgern flächendeckend den persönlichen Zugang zu Informationen über die Europäische Union ermöglichen. Wer Informationen lieber telefonisch einholt, kann dies über das Eurofon, eine Beratungshotline, tun. Und im Internet-Zeitalter ist das natürlich auch virtuell möglich: Unter der Adresse www.euroscop.cz findet man sämtliche Informationen, ob man nun Student oder Angestellter ist oder etwas über die Politiker oder Institutionen der EU erfahren möchte, aber auch, wenn man was aus der Legislative wissen oder sich um ein europäisches Projekt bewerben möchte, meint Petra Masinova und erläutert dies an einem Beispiel:

"Wenn Sie auf der Euroscop-Seite eingeben "Ich bin Feuerwehrmann und ich will eine neue Wasserspritze und ich möchte wissen, ob ich sie mit EU-Geldern bezahlen kann", dann erhalten Sie eine Liste von Fonds, in diesem Fall zum Beispiel den Innovationsfond, mit dessen Hilfe Sie das bezahlen können und erfahren auch, wo Sie beraten werden und das entsprechende Formular bekommen."

Foto: Europäische Kommission
Weitere Instrumente der Informationsstrategie sind der Eurokurier, in dem aktuelle Nachrichten über die öffentliche Verwaltung nachgelesen werden können und Fördergelder für Projekte, bei denen die Aufklärung der Öffentlichkeit über europäische Angelegenheiten im Mittelpunkt steht. Außerdem wird, sozusagen als Präventivmaßnahme gegen zukünftige Beschwerden über Informationsdefizite, auf die jüngste Zielgruppe gesetzt: Mit dem Projekt "EU in der Schule" soll die Qualität der Vermittlung von EU-relevanten Informationen verbessert und somit schon die Kleinsten auf ein Leben im europäischen Staatenbund vorbereitet werden.

Das Hauptproblem sei nämlich nicht die mangelnde Information, sondern der Umgang mit ihr, meint Petra Masinova vom EU-Büro des tschechischen Regierungsamts. Diese Orientierungslosigkeit sei aber kein tschechisches Phänomen, sondern wäre auch in Brüssel erkennbar. Dafür beeinflusse in Tschechien ein anderer Aspekt die Aufklärungsarbeit über die EU, so Masinova:

Das sei auch logisch, so Masinova weiter, denn die Tschechen betrachteten es als Selbstverständlichkeit, in der EU zu sein und dadurch Sicherheit und Stabilität und auch viele andere Vorteile zu erhalten, die der Normalbürger nicht so direkt mitbekomme.

Fast jeder fünfte Tscheche ist sehr, mehr als die Hälfte ziemlich stolz, ein Europäer zu sein - die Identifikation mit Europa ist im Vergleich zu so manchen anderen Staaten also sehr hoch, warum also groß darüber diskutieren? Einen Grund für den negativen Ruf als Euroskeptiker, der den Tschechen hartnäckig anhafte, ortet Petra Masinova vom EU-Büro des tschechischen Regierungsamts außerhalb der öffentlichen Meinung:

"Ich glaube, dass die Tschechische Republik generell, auch dank der Meinung des Herrn Präsidenten, unnötigerweise zu euroskeptisch aussieht. Es tut mir Leid, dass wir dieses Image in allen Mitgliedsländern haben, aber wir haben gerade eine Sekundäranalyse über die Einstellung der tschechischen Bürger zur Europäischen Union seit dem Jahr 1993 gemacht, bei der 1600 Menschen befragt wurden. Dabei ist herausgekommen, dass die Unterstützung der EU durch die tschechische Öffentlichkeit seit dem Jahr 1993 nie unter die 50 Prozent-Marke gefallen ist, im Schnitt bewegt sie sich bei 60 Prozent, zur Zeit sind es 64 Prozent."

Befragt man die tschechische Elite, so sieht das Ergebnis noch einmal anders aus: 99 Prozent der 150 befragten Führungskräfte aus Politik und Wirtschaft unterstützen die Mitgliedschaft der Tschechischen Republik in der EU. Mit der Diskussion um die EU-Verfassung sei die Identifikation noch einmal stärker geworden, meint Masinova. Vorher sei bei EU-Themen die Frage im Mittelpunkt gestanden, was mit Tschechien passieren würde, mittlerweile fragen die Bürger nach den Auswirkungen für die gesamte Europäische Union. Eine gemeinsame Verfassung, so glauben laut einer Eurobarometer-Umfrage die Hälfte der Tschechinnen und Tschechen, mache die EU demokratischer, effizienter und transparenter. Zwei Drittel sind der Meinung, dass dadurch die EU in der Welt eine stärkere Position einnehmen werde.

Derzeit ist das Thema EU-Verfassung nicht so relevant für die Öffentlichkeit, steht doch bis heute auch nicht fest, ob per Referendum darüber abgestimmt werden soll oder nicht. Daher wird sich das EU-Büro vorerst auf das Hauptziel ihrer EU-Aufklärungsstrategie konzentrieren und weiterhin informieren, informieren, informieren.





Folgende Hinweise bringen Ihnen noch mehr Informationen über den Integrationsprozess Tschechiens in die Europäische Union:



www.integrace.cz - Integrace - Zeitschrift für europäische Studien und den Osterweiterungsprozess der Europäischen Union

www.euroskop.cz

www.evropska-unie.cz/eng/

www.euractiv.com - EU News, Policy Positions and EU Actors online

www.auswaertiges-amt.de - Auswärtiges Amt