Wirtschaftswachstum: Tschechischer Anteil höher als EU-Durchschnitt

Foto: Europäische Kommission

Die Europäische Union hat noch keine eigenständige Verfassung, tritt außenpolitisch noch zu häufig nicht mit einer Stimme auf und hat auch sonst noch nicht die gesellschaftlich-kulturelle Klammer gefunden, die alle EU-Bürger fest zusammen hält. Daher wird bei Diskussionen um das Für und Wider der EU noch stets der wirtschaftliche Aspekt hervorgehoben. Die Wirtschaftszahlen, die jüngst das Statistikamt Eurostat veröffentlicht hat, lassen jedoch auch kaum Beifall zu. Lothar Martin nennt die neuesten Zahlen zum europäischen Wirtschaftswachstum und zum tschechischen Anteil im Verbund der 25 Mitgliedsstaaten.

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Das Bruttoinlandsprodukt in den Ländern der Europäischen Union stieg im vierten Quartal des Vorjahres lediglich um 0,3 Prozent. Das war ein viel langsamerer Anstieg als noch im dritten Quartal, als 0,7 Prozent verzeichnet wurden. Und auf das gesamte Jahr bezogen muss ebenso konstatiert werden, dass das wirtschaftliche Wachstumstempo in der EU merklich zurückgegangen ist. Dem Zuwachs von 2,4 Prozent im Jahr 2004 steht nämlich nur noch ein Anstieg von 1,6 Prozent im Jahr 2005 gegenüber. Dabei konnten auch die sehr guten Ergebnisse, die Litauen und die Slowakei vorzuweisen haben, das zähflüssige Voranschreiten der westeuropäischen Ökonomien nicht kompensieren. Die westeuropäischen Länder hatten vor allem mit den hohen Rohstoffpreisen, einem unflexiblen Arbeitsmarkt und mit dem Fortgang einiger Großinvestoren zu kämpfen, erklärt der Chefökonom der Tschechoslowakischen Handelsbank (CSOB), Petr Dufek, und ergänzt:

"Die Tschechische Republik hat einen tief greifenden Restrukturierungsprozess hinter sich, der sich am nachhaltigsten in der Industrie und im Export des Landes niederschlägt. Die direkten Auslandsinvestitionen, die in den zurückliegenden Jahren in die Tschechische Republik geflossen sind, haben eine sehr starke Exportbasis geschaffen. Wir haben daher die große Chance, das Niveau der Europäischen Union zu erreichen, aber es wird noch einige Jahre dauern."

Petr Zahradnik
Im dritten Quartal des vorigen Jahres lag die tschechische Wirtschaft mit einem Prozent Wachstum um 0,3 Prozent über dem EU-Durchschnittswert, analysierten die Eurostat-Methodiker. Die detaillierten Zahlen des vierten Quartals wiederum werden erst am Donnerstag vom Tschechischen Statistikamt veröffentlicht. Fest steht aber schon jetzt, dass die Europäischen Union als Wirtschaftsverband den Ökonomien der Vereinigten Staaten und Japans nach wie vor hinterher läuft. Die US-Amerikaner konnten ihr Bruttoinlandsprodukt im vergangenen Jahr nämlich um 3,5 Prozent steigern, während es die Japaner auf 2,8 Prozent brachten. Die EU blieb also in diesem Vergleich um 1,9 bzw. 1,2 Prozent zurück. Und sie tritt auch in anderen Bereichen weiter auf der Stelle. Zum Beispiel im Dienstleistungsbereich, wo die erst jüngst in Straßburg verabschiedete EU-Dienstleistungsrichtlinie für ein neues Hemmnis sorgte. Der Ökonom des Bankhauses Ceska sporitelna, Petr Zahradnik, beschreibt es so:

"Insbesondere in den neuen EU-Ländern trifft man auf Dienstleistungsanbieter voller Elan, die ihre Dienste auch gern in hohem Umfang auf den Märkten der älteren EU-Länder realisieren würden. Leider erlaubt ihnen das die Richtlinie zurzeit noch nicht."