Uni lebenslänglich - Seniorenbildung in Tschechien

Universität des dritten Lebensalters (Foto:www.ct.upce.cz)

"Lebenslanges Lernen" ist in den westlichen Informationsgesellschaften in den letzten Jahren zu einem Schlagwort der Bildungspolitik geworden. Zunehmend machen sich auch Senioren diese Forderung zu Eigen - nicht mehr zur beruflichen Fortbildung, sondern um das dritte Lebensalter erfüllt und aktiv zu gestalten. Auch in Tschechien gibt es inzwischen zahlreiche Bildungsangebote für Senioren. Thomas Kirschner hat sie sich für unsere Sendereihe Forum Gesellschaft genauer angeschaut.

Natürlich könne man sich nach der Rente die Zeit mit Spaziergängen, Büchern oder Konzerten vertreiben, meint die pensionierte Anthropologin Marie Novakova. Der heute 91-jährigen war das aber bald nicht mehr genug:

"Daher war ich war froh, als mich vor Jahren eine Kollegin auf die Universität des dritten Lebensalters aufmerksam gemacht hat, und ich habe mich angemeldet. Es freut mich nicht, dass ich hier schon seit zwei Jahren die Älteste bin, aber es freut mich sehr, dass ich in der ganzen Zeit eine ganze Reihe ausgezeichneter Vorträge von den besten Fachleuten der Prager Hochschulen gehört habe."

Die 1914 geborene, rüstige und hellwache Dame ist die älteste Studentin des Prager Zentrums für lebenslanges Lernen, das zahlreiche Bildungs- und Aktivitätsangebote für Senioren bündelt, darunter auch die so genannte "Universität des dritten Lebensalters", die bereits seit 1988 besteht. Hier werden Vorlesungszyklen für Senioren angeboten, etwa in Geschichte, Kunstgeschichte oder Psychologie und das jeweils im Umfang von acht bis 16 Semestern.

Universität des dritten Lebensalters  (Foto:www.ct.upce.cz)
"Wir bieten hier die Gelegenheit, einen wirklich detaillierten Einblick in Fächer zu erhalten, die sich Viele zum Hobby gewählt haben, ohne sie regulär studieren zu können, weil die Plätze an den Hochschulen sehr begrenzt sind", erklärt Dana Steinova, Initiatorin und Leiterin des Prager Zentrums für lebenslanges Lernen.

An den regulären Universitäten gibt es längst nicht mehr genug Plätze für Seniorenstudenten: Seit der Wende 1989 hat sich die Nachfrage mehr als verzehnfacht. Einen Ausweg bietet gerade die Universität des dritten Lebensalters. Das Prager Kursangebot entstehe in enger Zusammenarbeit mit den regulären Hochschulen in der Stadt, so Steinova:

"Die Kurse sind sozusagen ein Defilee der brillantesten Prager Köpfe, denn wir können hier aus dem Potential der örtlichen Hochschulen schöpfen. Und das ist auch der Grund, warum das Angebot so gut angenommen wird: Die Senioren bekommen hier hochklassige Vorlesungen für einen ausgezeichneten Preis, den sie sich auch erlauben können. Denn es ist ja bekannt, dass die Rentner in Tschechien heutzutage keine großen Sprünge machen können."

200 Kronen beträgt die Studiengebühr im Semester, etwa sechs Euro. Finanziert wird das Angebot vor allem aus dem Etat der Hochschulen, eine Zuwendung gibt es auch vom Sozialministerium. Allein in Prag haben sich mehr als 4000 Seniorenstudenten für die Kursangebote eingeschrieben. Zu den ältesten gehört Helena Wolfova, ebenfalls Jahrgang 1914:

"Man kann sagen, dass ich mein ganzes Leben lang gelernt habe. Ich habe mehr als nur eine Matura und ein ganze Reihe von Hochschulprüfungen hinter mir. Gearbeitet habe ich auf der Onkologie, da musste ich mich auch immer weiterbilden: Histologie, Zytologie und so weiter. Dann habe ich geheiratet und hatte drei kleine Kinder, aber es hat mich immer gelockt, also habe ich nebenbei noch drei Sprachen gelernt. Später gab es dann eine Reihe von Todesfällen in der Familie und ich stand auf einmal allein da. Und da habe ich festgestellt, dass es hier das Kursangebot gibt, und inzwischen habe ich schon fast alle Fächer absolviert."

Dass es für die Anstrengung keinen akademischen Titel mehr gibt, stört Helena Wolfova nicht: Ihr geht es vor allem darum, fit und flexibel zu bleiben. Wer dabei nicht auf akademische Bildung setzt, für den hat Dana Steinova noch eine Reihe anderer Möglichkeiten:

"Das einzigartige an dem Zentrum für lebenslanges Lernen ist, dass es neben den Vorlesungszyklen noch ein reiches Programm an Aktivitäten gibt. Im Rahmen des so genannten ´Klubs der wechselseitigen Verständigung´ bieten die Teilnehmer dabei auch selbst Kurse an."

Mehr als 20 Sprachkurse sind derzeit im Angebot, daneben reicht die Palette von Tai-Chi, Yoga, Gymnastik, und Renaissancetanz bis hin zu Bridge- und Handarbeitskursen. Eine Kollegin war es, die Marie Neubergerova auf die Kurse aufmerksam gemacht hat. Inzwischen ist die bereits im sechsten Jahr dabei:

Illustrationsfoto
"Ich besuche die Seminare quasi als Medizin. Zuerst habe ich mit Gesundheitsgymnastik angefangen, im nächsten Semester habe ich dann den Kurs ´Gesunder Lebensstil´ belegt, und jetzt gehe ich auch zur Vorlesungen aus der Psychologie."

Wie ambitioniert das Projekt ist, beweist am eindrucksvollsten der internationale Austausch, an dem auch die Prager Senioren teilnehmen. Bereits seit 1991 bestehen Kontakte zu anderen Seniorenuniversitäten weltweit, so die Leiterin des Prager Zentrums für lebenslanges Lernen, Dana Steinova:

"Glauben Sie mir, ich habe unsere Studenten schon buchstäblich um die ganze Welt gejagt: Wir waren zweimal in Australien, in Neuseeland, dreimal in Amerika, in Kanada, dreimal in Großbritannien und fast in allen europäischen Staaten. Nächstes Jahr steht ein Austausch mit den Senioren-Universitäten in Rio de Janeiro sowie Melbourne und Hobart in Australien an. Und außerdem erwarten wir eine Gruppe aus Singapur. Singapur hat komplett unser Modell der generationsübergreifenden Weiterbildung übernommen."

Fortbildung im Seniorenalter ist dabei kein Selbstzweck, auch wenn die erworbenen Kenntnisse nicht mehr im Beruf eingesetzt werden. Auch in Tschechien altert die Gesellschaft zunehmend, und damit gewinnt auch die Frage an Bedeutung, wie man gegen Alterseinsamkeit vorgehen und die körperliche und geistige Fitness der Senioren erhalten kann. Nicht nur für die 91-jährige Helena Wolfova ist ein aktives Leben das beste Rezept für ein zufriedenes und lebenswertes Altern:

"Ich sage Ihnen eine Sache, die sich bei mir bewährt hat. Mein hohes Alter ist nicht in meinen Genen verankert, sondern ich habe immer versucht, mich fit zu halten - nicht nur das Gehirn, sondern auch den Körper. Ich war noch nicht sechs, da bin ich schon zu Rhythmik-Kursen und schwedischen Gymnastik gegangen. Und jetzt mache ich schon 25 Jahre Yoga! Inzwischen bin leider schon überall die älteste, aber diese Sachen halten mich beieinander!" Konec cesky

Und so ist das Motto des Zentrums für lebenslanges Lernen zugleich auch der Leitspruch von Helena Wolfova: "Lernen, lernen. lernen und üben, üben, üben!"