Ein musikalischer Rückblick
Die Komposition von der tschechischen Gruppe Njorek erinnert mich an einige musikalische Erlebnisse aus der jüngsten Zeit. Aus rein musikalischer Sicht war das soeben vergangene Jahr übrigens reich an angenehmen Überraschungen. Denn innerhalb einer kurzen Zeit - im letzten Herbst - erlebte ich einige Musikereignisse, die man nicht gleich vergessen wird.
Eigentlich sind sie miteinander schwierig zu vergleichen, weil es um Musiker aus völlig unterschiedlichen Musikbereichen geht. Der vorher in Tschechien wenig bekannte mexikanische Tenor Rolando Villazon begeisterte mit seinem ersten Konzert in Prag das Publikum - die Standing Ovations waren endlos, und eine gute Nachricht für alle seine neuen Prager Fans ist, dass der Sänger schon bald wieder in der tschechischen Hauptstadt auftreten wird. Michal Nyman mit seiner Band war dagegen in Prag kein Unbekannter, die CDs vor allem mit seiner Filmmusik sind in Prag ständig ausverkauft. Das alte gute Ständetheater erlebte während Nymans Konzerts eine Jubelorgie wie in einem Fußballstadion. Auch Bob Dylan hat seine Anhänger bei seinem vierten Tschechien-Besuch nicht enttäuscht.
Und schließlich gab es zum Glück im Herbst wieder das internationale Gitarrenfestival in Prag, das zwar nicht gerade im Mittelpunkt der medialen Aufmerksamkeit steht, bei dem man aber oft ein paar musikalische Perlen hören kann. Für mich stellte der im Festivalrahmen zum ersten Mal veranstaltete Abend der europäischen Weltmusik einen der Festivalhöhepunkte dar, denn die Veranstalter zeigten den Mut, dabei weit über den Rahmen der Gitarrenmusik zu gehen. Neben der finnisch-britischen Gruppe Taith und dem tschechischen Ensemble Njorek stellte sich an dem Abend in Prag die deutsche Gruppe Malbrook vor, die nach Inspiration in der norddeutschen und skandinavischen Musik sucht und in einer beachtenswerten Instrumentalbesetzung spielt. Den Leiter des Ensembles Wolfgang Meyering fragte ich nach der Entstehung der ungewöhnlichen Band:
"Ursprünglich war Malbrook ein reines CD-Projekt, das heißt ich habe eine CD gemacht, weil schon immer meine Vorstellung von norddeutscher Musik verwirklichen wollte: Mit traditionellen Themen, die ich aber bearbeite und mit dem Hintergrund, den ich selber musikalisch habe, weil ich an sehr unterschiedlichen Projekten gearbeitet und mit sehr unterschiedlichen Musikern zusammengearbeitet habe. Ich habe irgendwann festgestellt, dass es sehr viele kulturelle Verbindungen zwischen Norddeutschen und Südskandinavien gibt. Das war der Anlass, und ich habe mit Musikern aus Norddeutschland und aus Skandinavien eine CD aufgenommen. Wir haben gemeinsam musiziert und viel voneinander gelernt und viele Gemeinsamkeiten festgestellt an Tanzformen und Melodien, die es auf beiden Seiten gibt. Da es uns so viel Spaß gemacht hat, haben wir gesagt, lass uns doch ruhig auch auf die Bühne gehen. Das war ursprünglich nicht so geplant, aber es hat sich dann so ergeben."
Spielen Sie in einer festen Zusammensetzung oder auch mit Gastmusikern?
"Wir spielen auch mit verschiedenen Gastmusikern, aber es gibt einen festen Stamm von Leuten. Das sind jetzt wir vier. Am Anfang waren wir zu dritt: Merit Zloch an der Geige, Ralf Gehler am Dudelsack und Schlüsselfidel und ich an Mandola, Flöten und Gesang und mittlerweile haben wir auch ein viertes Mitglied Vivien Zeller, die Geige spielt."Wolfgang Meyering und seine Band waren im Herbst 2005 zum ersten Mal auf Tournee durch Tschechien:
"Es ist unsere erste Tour durch Tschechien. Es hat uns hier sehr gut gefallen und es hat uns sehr viel Spaß gemacht. Außerdem war es für uns eine gute Erfahrung, in Tschechien zu spielen und zu schauen, wie hier die Atmosphäre ist und wie das Publikum reagiert."
Wie kam es überhaupt dazu, dass Sie zu diesem Gitarrenfestival eingeladen wurden?
"Ich arbeite noch in Rudolstadt beim größten Folk-Roots-Weltmusik-Festival in Deutschland und organisiere dort den so genannten Magieschwerpunkt. Das ist ein Instrumentenschwerpunkt, wo Musiker aus verschiedenen Ländern zusammenkommen. Im vergangen Jahr hatten wir die Zither und da war auch Michal Müller von der tschechischen Gruppe Njorek mit dabei. Ich habe ihn eingeladen, mit anderen Musikern zu spielen. Über Michal habe ich Standa Barek kennen gelernt, der Festivaldirektor und auch Mitglied der Gruppe Njorek ist. Er fragte mich, ob wir Lust hätten, nach Prag zu kommen und zu spielen. Ich sagte gern zu, obwohl wir ein bisschen verwirrt waren, da keiner von uns Gitarre spielt, und das hier ist eigentlich ein Gitarrenfestival im weiteren Sinne. Aber ich halte es für ganz toll, dass der Festivalrahmen nicht eng ist. Es würde uns natürlich freuen, wieder zu kommen. Ich wohne in Berlin und da ist es gar nicht so weit."In den Kreisen der Weltmusik-Fans ist Malbrook ein Begriff, denn die Gruppe wurde vor kurzem mit einem Preis ausgezeichnet, wie Wolfgang Meyering erklärt:
"Ja, das ist ein Weltmusikpreis in Deutschland - die RUTH - ein Preis, der an uns für das neues Projekt verliehen worden ist. Deswegen heißt der Preis auch Newcomer, was ein bisschen verwirrend ist. Dieser Preis sagt explizit, es ist ein Preis für neue Bands, aber auch für neue Projekte ist, und in dem Sinne haben wir den Preis dafür bekommen, dass wir uns mit der traditionellen Musik in Norddeutschland beschäftigt haben."
Wolfgang Meyering sprach sich über seine tschechische Kollegen von der Gruppe Njorek sehr lobend aus. Durch Kontakte zu einem ihrer Mitglieder - Michal Müller - ist die Zusammenarbeit mit dem Prager Gitarrenfestival zustande gekommen. Meyering schätzt auch weitere tschechische Ensembles hoch:
"In Tschechien passiert musikalisch sehr viel, es gibt hier viele interessante Gruppen in einem relativ kleinen Land im Vergleich zu Deutschland. Die Gruppen finden hier manchmal ganz eigene Wege, um Musik zu bearbeiten. Da ich selber auch beim Rundfunk arbeite, versuche ich immer viel Musik aus Tschechien im Rundfunk vorzustellen. Sehr schön finde ich die Musik von Raduza, mit dieser Art von tschechischen Chansons. Bei den Indies Records gibt es eine Reihe von guten Bands, die sehr gute keltische Musik spielen. Mir gefällt die Gruppe Cechomor oder auch die traditionelle Zimbelkapelle aus Mähren Namens Hradistan. Es ist manchmal nicht leicht in Deutschland an CDs zu kommen, aber es wird allmählich besser. Ich finde es sehr spannend, Musik aus dem Nachbarland vorzustellen, denn in Deutschland herrscht relativ viel Unwissenheit darüber, was in den Nachbarländern passiert. Der Sender, bei dem ich arbeite, ist ein bundesweiter Sender. Er heißt Deutschlandradio Kultur, und da kann man solche Sachen vorstellen. Das macht mir sehr viel Spaß."
Hören Sie jetzt eine Kostprobe von der tschechischen Gruppe Njorek: