Socken für die tschechischen Heimkinder: Spendenzeit Weihnachten
"Stedry den" heißt der Heilige Abend auf Tschechisch, also etwa "freigiebiger Tag". Und tatsächlich: Neben den Geschenken an die Liebsten gibt es rund um Weihnachten auch stets eine erhöhte Bereitschaft zu Spenden für karitative Zwecke. Zuletzt hat das die verheerende Tsunami-Katastrophe gezeigt, die vor einem Jahr gerade am zweiten Weihnachtstag über Südost-Asien hereingebrochen ist. Wohl auch der Gegensatz von den schrecklichen Katastrophenbildern und dem heimischen Frieden hat mit dazu beigetragen, dass überall in Europa in kürzester Zeit Millionensummen für die Opfer zusammenkamen, so auch in Tschechien. Über die Spendenzeit Weihnachten in Tschechien erfahren Sie mehr von Thomas Kirschner im nun folgenden Forum Gesellschaft.
Mehr als 360 Millionen Kronen, etwa 12 Millionen Euro, sind in den Wochen nach der Katastrophe in Tschechien für die Tsunami-Opfer zusammengekommen - ein Beweis dafür, dass die Tschechen die Hilfe nicht den reicheren Ländern Westeuropas überlassen. Gesammelt hat das Geld unter anderem die Tschechische katholische Caritas. Die Caritas führt auch eine der in Tschechien inzwischen bekanntesten Weihnachtssammlungen durch - das Dreikönigssingen. Was in Westeuropa jahrzehntelange Tradition hat, gibt es hierzulande erst seit Kurzem wieder. Der Anfang war in dem postkommunistischen und betont unreligiösen Tschechien ein Wagnis, erinnert sich Oldrich Haicman, Generalsekretär der Tschechischen Caritas:
"Als wir vor fünf Jahren mit dieser Sammlung begonnen haben, hatten wir große Bedenken, ob sie erfolgreich sein kann. Viele Werbeagenturen, die sich mit Sammlungen befassen, haben gesagt, das ist zu aggressiv, wir drängen den Leuten ins Haus und so werden wir gar nichts bekommen. Aber dann hat sich wieder einmal gezeigt, dass die Leute den direkten Kontakt zu anderen Menschen letztlich schätzen. Die Dreikönigssänger haben auch Infomaterialien dabei, so dass die Leute sehen, dass ihre Spende nicht auf irgendeinem Konto verschwindet, sondern wirklich für Aktionen in ihrer Region verwendet wird."
Das erste Wiederaufleben der Dreikönigssammlung im Jahr 2000 brachte sechs Millionen Kronen, bei der diesjährigen Sammlung haben mehr als 10.000 Gruppen im ganzen Land bereits 65 Millionen Kronen gesammelt, also etwa 2,2 Millionen Euro. Weihnachten ist für die Caritas aber nicht nur eine wichtige Zeit für das Sammeln von Spenden. Das verstärkte Interesse an wohltätigen Projekten gibt der Caritas in der Weihnachtszeit auch die Möglichkeit, ihre Arbeit zu präsentieren und Werbung für sich zu machen, die dann das ganze kommende Jahr fortwirken kann. Vor allem Breitenwirkung soll erreicht werden, erläutert Generalsekretär Hajcman.
"Gerade zu Weihnachten versuchen wir, nicht nur große Firmen anzusprechen, sondern auch möglichst viele kleine Spender. Wir veranstalten Benefizkonzerte laden die Menschen zu Tagen der offenen Tür in unsere Einrichtungen ein, damit sie sehen, dass die Caritas wirklich versucht, den Bedürftigsten zu helfen."
Wenn es um Spenden zu Weihnachten geht, dann stehen immer wieder die Kinder im Mittelpunkt. Um sie kümmert sich in Tschechien seit nunmehr acht Jahren ganz besonders die Stiftung zu Entwicklung der Bürgergesellschaft NROS mit ihrem Programm "Pomozte detem!", zu Deutsch "Helft den Kindern". Der Höhepunkt der Jahreskampagne mit einer Spendengala im Tschechischen Fernsehen liegt jeweils zu Ostern - passend zu dem bekannten Maskottchen des Programms, einem gelben Comic-Küken im rot-weißen Rettungsring. Das Programm hat inzwischen einen solchen Widerhall, dass sich Vereine und Organisationen selbst mit Vorschlägen zu Benefizaktionen melden, erklärt die Programmleiterin Blanka Sramkova:
"Das funktioniert ganz natürlich und ich meine, das ist ein sehr geeignetes Modell, denn wir reagieren wirklich auf das, was die Menschen an uns herantragen. Und so entsteht ein positiver Kreislauf, denn die einzelnen Menschen und Organisationen, die zu uns kommen nehmen ihre Anregungen oft aus Fernseh- und Presseberichten über unsere Aktionen. Sie bieten dann verschiedene Veranstaltungen für unser Programm an, die auch ohne ´Pomozte detem´ stattgefunden hätten. Die Leute haben verstanden, dass sie auf diese Weise das Vergnügen mit etwas Sinnvollem kombinieren können."
So findet sich das gelbe Osterküken vom Kinderhilfsprogramm "Pomozte detem!" auch auf manchen Weihnachtsmärkten zwischen Engeln und Nikoläusen wieder, etwas fremd, aber sehr willkommen. Die gesammelten Spenden leitet die Stiftung dann in einem jährlichen Auswahlverfahren an Initiativen und Projekte weiter, die mit bedürftigen Kindern arbeiten. Ein Weg, den Programmleiterin Blanka Sramkova vor allem in der Weihnachtszeit häufig erklären muss:"Gerade zur Weihnachtszeit treten oft Firmen an uns heran, die keine ausgearbeitete Spendenstrategie haben, sich aber dazu entschlossen haben, etwas Gutes zu tun. Und manchmal haben sie dabei die Vorstellung, dass es unmittelbar bei uns in der Stiftung arme Kinder gibt, denen die Firma helfen könnte. Da müssen wir dann jedes Jahr aufs Neue Aufklärungsarbeit leisten."
Nicht an der Hilfsbereitschaft mangelt es, eher an dem Wissen, wie geholfen werden kann. Nicht selten sind es wohlgemeinte Klischees der Spender, gegen die Sramkova angehen muss.
"In der tschechischen Gesellschaft ist teils immer noch die fixe Vorstellung verbreitet, dass bedürftige Kinder vor allem Kinder aus Kinderheimen sind. Das ist zu einem Teil natürlich wahr, aber es gibt auch viele andere Gruppen, die allerdings meist nicht wahrgenommen werden. Daher werden dann häufig solche - in Anführungszeichen - romantischen Wünsche an uns herangetragen, wie: ´Wir wollen den Heimkindern Spielzeug kaufen!´ Die aber brauchen meist etwas ganz anderes als materielle Geschenke."
Dennoch bemüht sich Sramkova, für alle Angebote eine Verwendung zu finden. Wo möglich vermittelt sie den Kontakt an Institutionen, die unmittelbar mit Kindern arbeiten. Ob Firmenspende oder öffentlich Sammlung - wichtig ist in jedem Fall die Rückmeldung an die Spender, betont die Leiterin des Stiftungsprogramms "Helft den Kindern":
"Die Menschen müssen wissen, was mit diesem Spenden geschieht. Es reicht nicht, nur zu sagen: Wir machen etwas Gutes und brauchen Geld dafür! Man muss den Spendern dann auch zeigen, was aus ihrem Geld geworden ist - und das betrifft Sammlungen in der Weihnachtszeit genauso wie irgendwann sonst im Jahr."Weihnachtszeit ist Spendenzeit. Sowohl Blanka Sramkova von der Stiftung NROS wie auch Oldrich Hajcman von der Tschechischen Caritas betonen aber: Das Gehör, das die Menschen um karitativen Aktionen die Weihnachtszeit schenken, soll nicht nur für Spendenaufrufe genutzt werden. Wichtiger sei es, in der Gesellschaft ein Bewusstsein für gegenseitige Hilfe und Rücksichtnahme zu schaffen. Das höchste Ziel, so Hajcman, bleibt für die karitativen Organisationen, sich selbst überflüssig zu machen.
"Zusammen mit anderen Organisationen bemühen wir uns, die Bürgergesellschaft zu stärken, eine Gesellschaft, in der sich die Menschen wechselseitig helfen. Es geht nicht nur darum, so viel Geld wie möglich zu sammeln. Wenn wir es schaffen, dass die Leute selbst die einsamen und bedürftigen Menschen mehr wahrnehmen, dann braucht es keine Caritas als Organisation mehr, dann liegt die Caritas, also die Nächstenliebe wirklich in den Beziehungen zwischen den Menschen."