Tschechien und China schlagen neues Kapitel in ihren Wirtschaftsbeziehungen auf

Chinesischer Premierminister Wen Jiabao und sein tschechischer Amtskollege Jiri Paroubek (Foto: CTK)

Tschechien und China sind zwei unterschiedlich große Staaten. Dennoch ist beiden Ländern an bilateral gut florierenden wirtschaftlichen Beziehungen sehr gelegen. Wie gut diese Beziehungen sind bzw. werden sollen, dazu mehr von Lothar Martin und Gerald Schubert im jetzt folgenden Wirtschaftsmagazin.

Finanzminister Bohuslav Sobotka und Premierminister Jiri Paroubek  (Foto: CTK)
China, die 1949 gegründete Volksrepublik im Herzen Asiens, ist mit seinen über 1,3 Milliarden Einwohnern schon längst zu einem unausweichlichen Magneten für ausländische Geschäfts- und Finanzleute geworden. Dass die Tschechische Republik bei diesem Wettlauf um "das goldene Kalb" auch nicht zurückstecken will, davon konnte sich die hiesige Öffentlichkeit erst Ende vergangener Woche überzeugen. Denn am Donnerstag und Freitag weilte der chinesische Premierminister Wen Jiabao zu seinem ersten offiziellen Besuch in Prag, den sein tschechischer Amtskollege Jiri Paroubek mit einigem Getöse sogleich zum "Besuch des Jahres" deklarierte. Der Grund für diese Gewichtung ist schnell gefunden, wenn man die chinesische Visite nur bzw. gerade aus dem wirtschaftlichen Blickwinkel betrachtet. Denn Paroubek, Wen Jiabao und einige Minister beider Staaten haben vergangene Woche nicht weniger als 14 Verträge über die Zusammenarbeit zwischen den Regierungen, Ministerien und Unternehmen beider Länder auf ökonomischem, politischem und kulturellem Gebiet unterschrieben. Der am aufmerksamsten registrierte und diskutierte Vertrag ist dabei das Abkommen über den Schutz und die Unterstützung von Investitionen mit China. Im Vorfeld der Vertragsunterzeichnung hat Finanzminister Bohuslav Sobotka das Abkommen noch wie folgt gelobt:

"Es handelt sich um ein Abkommen, das die Position der tschechischen Investoren in China merklich verbessert. Außerdem bedeutet es einen beträchtlichen Fortschritt bezüglich der Harmonisierung mit dem EU-Recht."

Chinesischer Premierminister Wen Jiabao und sein tschechischer Amtskollege Jiri Paroubek  (Foto: CTK)
Nach der Vertragsunterschrift, die auch von Sobotka getätigt wurde, hörte sich das Ganze schon nicht mehr so viel versprechend an. Das Finanzministerium monierte jetzt auf einmal, dass das Abkommen nicht im Einklang mit dem EU-Recht stehe. Anderseits verwies es jedoch darauf, dass der darin fehlende Artikel über die grundlegenden Sicherheitsinteressen der EU der Tschechischen Republik keine ernsthaften Probleme bereiten sollte. Marek Zeman, der Sprecher des Ministeriums, führte sogar an, dass einige weitere EU-Staaten mit China ähnliche Vereinbarungen getroffen hätten, die hinsichtlich ihrer Kompatibilität zum EU-Recht noch weiter auseinander driften als das tschechisch-chinesische Abkommen. In die gleiche Kerbe schlug auch der Regierungschef, der davon sprach, dass das Abkommen einen gewissen Fortschritt gegenüber dem Ist-Zustand darstelle und dass es voll und ganz vergleichbar sei mit den Dokumenten, die andere EU-Länder mit China unterzeichnet hätten. Daher versäumte es Paroubek auch nicht, die seiner Meinung nach enormen Vorteile der zukünftigen Zusammenarbeit herauszustreichen:

"Wir haben ein allgemeines Interesse daran, dass die chinesischen Investitionen in Tschechien weiter zunehmen. In dieser Richtung sollte vor allem unsere exportfreundliche Politik zum Tragen kommen, bei der wir ziemlich großzügige Investitionsanreize bieten. Was nichts anderes heißt als de facto mehrjährige Steuerferien für Investoren, und darüber hinaus hoch qualifizierte und relativ billige Arbeitskräfte."

Wesentlich kritischer betrachtet die einheimische Presse die tschechisch-chinesischen Verträge. Die Tageszeitung "Hospodarske noviny" bezeichnete sie als "nicht allzu günstig" aus tschechischer Sicht und warf Premier Paroubek zudem vor, diese "aus unerklärlichen Gründen eilfertig unterschrieben zu haben". Im Gegensatz zum französischen Airbus-Geschäft mit China hätten die Prager Dokumente nämlich nicht den dicken Speck anzubieten, für den es sich lohne, den Chinesen in Tschechien Tür und Tor zu öffnen, kritisiert das Blatt. Und selbst im Vergleich mit den Slowaken schneide das eigene Vertragswerk schlechter ab, schreibt der Autor. Denn den slowakischen Unternehmern wären bei ihren finanziellen Transaktionen nicht derart die Hände gebunden wie ihren tschechischen Kollegen, ergänzt das Blatt.

Foto: CTK
Die von Tschechien mit China unterzeichneten Wirtschaftsverträge haben jedoch nicht nur ihre Schattenseite. Sie definieren vielmehr auch konkret und deutlich die neue Form der Zusammenarbeit auf den Gebieten der Land- und Forstwirtschaft, des Fremdenverkehrs, der Kultur und im Sozialwesen. Der größte tschechische PKW-Hersteller Skoda Auto zum Beispiel hat sich zum Verkauf der Produktionslizenz für den Octavia in seiner Filiale in Schanghai entschieden. Die tschechische Finanzgruppe PPF wiederum wird in China eine Gesellschaft gründen, die auf dem dortigen Markt den Bürgern der Volksrepublik Verbraucherkredite anbieten wird. Mit 80 Prozent will PPF dabei als Hauptaktionär der Gesellschaft in Erscheinung treten.

Ein tschechisch-chinesisches Joint Venture soll ab dem Ende nächsten Jahres im nordböhmischen Bilina realisiert werden. Dann nämlich will die chinesische Gesellschaft Shanghai Maling Aquarius alle Voraussetzungen dafür getroffen haben, um hier in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft Gastro Sunwick ihre Fleisch- und Wurstkonserven produzieren zu lassen. Dazu soll in Bilina eine 100 Millionen Kronen teure Fabrik entstehen, von der aus dann die Konserven vor allem nach Westeuropa und in die Vereinigten Staaten geliefert werden. Eine gewisse Vorreiterrolle bei den chinesischen Investitionen in Tschechien soll jedoch das Fernsehgerätewerk der Firma Changhong einnehmen, das im mittelböhmischen Nymburk entstehen wird. Weshalb das so ist, dazu sagte die Sprecherin der staatlichen Gesellschaft Czechinvest, Jana Viskova:

"Den Großteil der Produktion in Nymburk wird die Herstellung von Plasma-Fernsehgeräten einnehmen. In der ersten Phase wird das Werk jährlich eine Million dieser TV-Geräte erzeugen, die vornehmlich für den westeuropäischen Markt bestimmt sind. Die Investition der Firma Changhong ist auch deshalb so wichtig, weil es sich bei ihr um die erste chinesische Investition bei uns handelt. Und diese sollte eine hervorragende Referenz sowie einen Impuls für weitere potenzielle chinesische Investoren darstellen. In nachfolgender Zukunft will die Firma Changhong zudem ihre Forschungs- und Entwicklungsabteilung auf dem Gebiet des TV-Designs nach Tschechien verlegen. Das wiederum würde weitere Berufschancen und Arbeitsmöglichkeiten vor allem für unsere Hochschüler schaffen."

In der bereits erwähnten ersten Phase aber will der chinesische Investor nahezu 245 Millionen Kronen (ca. acht Millionen Euro) für den Bau der neuen TV-Fabrik ausgeben. Diese soll bereits im nächsten Jahr ihre Produktion aufnehmen und dabei bis zu 300 Arbeitnehmer beschäftigen. Die Firma Changhong, die jährlich rund zehn Millionen Fernseher herstellt, ist auch schon in den USA präsent. Der dortigen Tageszeitung "International Herald Tribune" zufolge soll sie nicht gerade zimperlich und mit Glacéhandschuhen handeln. Nun, vielleicht wird sich die tschechische Belegschaft auch darauf einstellen müssen.

Wen Jiabao aber, der chinesische Premierminister, zeigte sich zufrieden mit den Ergebnissen seines Auftaktbesuches in der "Goldenen Stadt". Nichtsdestotrotz hegt auch er noch einen großen Wunsch, den er so artikulierte:

"In war 18 Jahre lang nicht bei euch, und während dieser Zeit hat sich die tschechische Metropole sehr verändert. Das hunderttürmige Prag ist in der Tat ein architektonisches Juwel und ich hoffe, dass immer mehr chinesische Touristen die Stadt besuchen werden. Wir haben ein Interesse daran, dass zwischen Peking und Prag schon bald eine direkte Flugverbindung hergestellt wird."

Angesichts so vieler Initiativen und Vertragsabschlüsse auf dem tschechisch-chinesischen Wirtschaftsfeld wird auch die direkte Fluglinie zwischen Prag und Peking nicht mehr lange auf sich warten lassen. Und dann werden mitten in Europa, im Herzen des alten Kontinents, nicht nur Bürger der EU-Mitgliedsstaaten, sondern auch asiatische Wirtschaftsbosse wie Urlauber das Stadtbild prägen.