Verbieten oder nicht verbieten - Diskussion um die Kommunistische Partei
Es wird lediglich eine Frage der Zeit sein, bis die kommunistische Partei und ihre weitgehend älteren Wähler von selbst aussterben - dachte nach der Samtenen Revolution von 1989 mach einer in Tschechien. Heute, 16 Jahre später, ist genau das Gegenteil eingetreten. Die Kommunistische Partei Böhmens und Mährens (KSCM), die sich im Unterschied zu anderen kommunistischen Parteien des früheren Ostblocks nie von den Verbrechen des Vorgängerregimes distanziert hat, etabliert sich zunehmend im politischen System und gewinnt bei den Wählern an Popularität. Die tschechische Gesellschaft ist in der Frage, wie man dieser Entwicklung begegnen soll, gespalten. Diskussionen über die Kommunisten erhitzen regelmäßig die Gemüter. Doch neben ideologischen Debatten wird auch immer stärker der Ruf nach gesetzlichen Schritten gegen die Kommunistische Partei laut.
Mit diesen Worten beginnt eine Petition mit der Überschrift "Lasst uns die Kommunisten abschaffen", die bereits über 50.000 Bürger unterzeichnet haben und die am Dienstag dem Senatsvorsitzenden Premysl Sobotka übergeben wurde. Hinter der Petition stehen in vorderster Reihe die beiden Senatoren Martin Mejstrik von der Partei "Weg der Veränderung" und Jaromir Stetina (Grüne). Beide haben in der vergangenen Woche im Senat eine Gesetzesnovelle durchgebracht, die kommunistische Propaganda zum Straftatbestand erklärt. Im Grunde handelt es sich dabei um die Konkretisierung eines bereits bestehenden, allgemeiner formulierten Gesetzes, das die Unterstützung von Bewegungen unter Strafe stellt, die Grund legende Rechte und Freiheiten verletzen. Einen entsprechenden Vorstoß, die Propagierung namentlich der kommunistischen Ideologie gemeinsam mit der nationalsozialistischen zum Straftatbestand zu erklären, hatte es in Tschechien bereits 1992 gegeben. Damals hatte allerdings das Verfassungsgericht nachfolgend einer Klage der Kommunisten stattgegeben und das Gesetz für ungültig erklärt. Bislang ist der Vorschlag nur von der oberen Parlamentskammer verabschiedet. Mejstrik und Stetina sind jedoch optimistisch, dass der Vorstoß diesmal erfolgreich ist und auch vom Abgeordnetenhaus unterstützt wird - auch wenn hier Sozialdemokraten und Kommunisten über eine Stimmenmehrheit verfügen. Martin Mejstrik:
"Es scheint im Abgeordnetenhaus eine große Chance zu geben, da die demokratischen Parteien offenbar wirklich zu begreifen beginnen, dass dieser Kommunismus eine Gefahr für unsere Demokratie ist."Wenn die Initiative des Senats tatsächlich die Unterstützung des Abgeordnetenhauses fände, würde dies faktisch bedeuten, dass die Kommunistische Partei zumindest ihren Namen ändern müsste. Jaromir Stetina:
"Praktisch würde das bedeuten, dass jedes Schild mit der Aufschrift KSCM im Grunde ein Straftatbestand wäre. Das bedeutet, man dürfte gar nicht die Bezeichnung Kommunistische Partei verwenden, denn allein schon der Gebrauch des Namens kommt einer Propagierung dieser Bewegung gleich"
Für den Entwurf sprachen sich auch die Senatoren der Demokratischen Bürgerpartei (ODS) aus, die sich zuvor skeptisch gezeigt hatten. Ministerpräsident Jiri Paroubek hingegen bezeichnete den Vorstoß als "politische Dummheit", Verbote würden die Kommunisten nur stärken und die Gesellschaft spalten.
Gespalten ist die Gesellschaft ohne Zweifel schon lange, was die Frage nach dem "richtigen" Umgang mit der Kommunistischen Partei anbelangt. Gegen die Initiative, der Kommunistische Partei strafrechtlich an den Kragen zu gehen, ist etwa der Politologe Bohumil Dolezal:"Diese Partei kann man nicht einfach verbieten und so tun, als gebe es sie nicht. Das ist eine furchtbar starke Partei, die von etwa 20% der Gesellschaft unterstützt wird und ich weiß nicht, wie man damit umgehen soll. Es wird gesagt, dass das Protestwähler sind, aber das stimmt nicht. Ich fürchte, dass in dieser Gesellschaft die Demagogie von der sozialen Gerechtigkeit ihre Früchte trägt und die Menschen sich daher den Kommunisten nahe fühlen. Das sind diese Kleinigkeiten, in denen unsere Gesellschaft in der kommunistischen Vergangenheit verwurzelt ist und worin die faktische Stärke dieser Partei beruht."
Auch der Journalist Jan Culik, Herausgeber der Internet-Zeitung "Britske listy", hat grundsätzliche Vorbehalte gegen die im Senat verabschiedete Gesetzesnovelle:
"Ich respektiere die bitteren Erfahrungen mit den kommunistischen Repressionen. Aber ich habe ein großes Problem damit, wenn jemand bestimmt, was wir denken und sagen dürfen und was nicht. Und die britische Demokratie hat mich gelehrt, dass wenn jemand mit Ansichten auftritt, die ich für inakzeptabel halte, dass man dann auf politischer Ebene natürlich scharf dagegen argumentieren und zeigen muss, dass sie falsch sind. Aber dass sich jemand hinstellt und sie strafrechtlich verbieten will, das ist einfach arrogant."
Befürworter eines Verbots argumentieren mit den grausamen Verbrechen des kommunistischen Regimes, von denen sich die KSCM bis heute nicht losgesagt hat. So etwa der Politologe Jiri Pehe, der die Petition als einer der ersten unterzeichnete:
"Ich bin davon überzeugt, dass man mit einer Partei und einer Ideologie, die solche Verbrechen auf dem Gewissen hat, ähnlich umgehen sollte wie mit der nationalsozialistischen Partei. D.h. der Name und die Symbole dieser Partei sollten in einer demokratischen Gesellschaft verboten sein."
Praktisch hingegen, so räumt Pehe ein, sei ein Verbot der Partei 16 Jahre nach der Wende unrealistisch und führe zu nichts. Stattdessen schlägt er vor, in Tschechien nach französischem Vorbild ein Mehrheitswahlrecht mit zwei getrennten Wahlgängen einzuführen. In Frankreich habe dies etwa bewirkt, dass die rechtsextremistische Partei von Le Pen trotz eines relativ großen Rückhalts in der Bevölkerung bei den letzten Wahlen keinen Sitz in der Nationalversammlung erzielen konnte.
Die Initiatoren der Gesetzesnovelle berufen sich auf den Wunsch der Bürger, die eigene Vergangenheit zu bewältigen und der schizophrenen Situation ein Ende zu setzen, dass zwar offiziell keine politische Partei mit den Kommunisten zusammenarbeitet, diese andererseits jedoch nicht als extremistische Partei klassifiziert werden. Die Gesetzesnovelle würde hier für klare Verhältnisse sorgen. Ota Novotny, Berater von Ministerpräsident Jiri Paroubek, beobachtet in der tschechischen Gesellschaft hingegen einen anderen Trend:
"Nach einer Umfrage, die wir unlängst in Auftrag gegeben haben, hat die Öffentlichkeit - und zwar nicht nur diejenigen, die bereits vor 1989 die Kommunisten gewählt haben, sondern quer durch das politische Spektrum hindurch - eine ziemlich große Aversion gegen ein Verbot. Ein großer Teil der Gesellschaft vertritt die Meinung, dass sich die Kommunisten entweder demokratisieren sollten oder man sie definitiv verbieten sollte. Statt sie in diesem Zwischenstadium zu konservieren und mit verschiedenen Gesetzen beschränken. Dazu sind die Menschen zu schlau als zu glauben, dass sich die Partei dadurch ändern würde."
Einen entscheidenden Impuls für den weiteren Umgang mit der Kommunistischen Partei dürften die Wahlen zum tschechischen Abgeordnetenhaus im kommenden Frühsommer spielen. Sollten die Kommunisten aus ihnen als zweitstärkste Partei hervorgehen, wie manche Beobachter vorhersagen, würde die zentrale Frage lauten: Soll, kann, darf man die Kommunisten an der Regierung beteiligen und von den bisherigen Grundsätzen abrücken? Oder ist es ratsamer, sich als Regierung von ihnen dulden zu lassen und ihnen dadurch erneut die Möglichkeit geben, alles zu kritisieren, ohne selbst in der Verantwortung zu stehen? Es steht zu erwarten, dass sich diese Entscheidung auch auf den Rückhalt der Kommunisten in der Bevölkerung niederschlägt.