Jan Patera: Besuchen, zuhören, Kontakte bewahren

Jan Patera (Foto: Autor)
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Was haben der neue ungarische Präsident Laszlo Solyom, der am Freitag sein Amt angetreten hat, und der Prager Student Jan Patera gemeinsam? Beide sind ehemalige Hertie-Stipendiaten. Dass auch Patera es einmal zum Staatsoberhaupt bringt, ist aus statistischen Gründen nicht besonders wahrscheinlich. Politik macht auf seine Weise aber auch er. Zum Beispiel, indem er nun das Prager Programm für Hertie-Stipendiaten aus Frankfurt am Main organisiert, wo er wiederum selbst vor einem Jahr ein Praktikum absolviert hat. Patera ist einer der vielen Knotenpunkte im Netz der tschechisch-deutschen Beziehungen, das - gerade im Bereich des Jugendaustausches - in den letzten Jahren besonders dicht geworden ist. Gerald Schubert hat mit ihm gesprochen:

Laszlo Solyom
Für unser heutiges Gespräch gibt es mehrere Gründe. Du bist ein Kollege vom Inlandsfunk des Tschechischen Rundfunks, aber du hast auch viele Erfahrungen in Deutschland gesammelt. Vor kurzem hast du ein Praktikum in Frankfurt am Main absolviert. Was hast du dort gemacht?

"Dank der Hertie-Stiftung konnte ich ein zweimonatiges Praktikum im Amt für multikulturelle Angelegenheiten der Stadt Frankfurt absolvieren. Die Stiftung hat mir und noch sieben anderen Kollegen aus Prag, die aber an ganz anderen Orten gearbeitet haben, dieses Praktikum vermittelt. Das heißt, die Hertie-Stiftung hat uns ermöglicht, in Deutschland zu arbeiten, aber auch, die Stadt Frankfurt von verschiedensten Seiten kennen zu lernen. Wir haben uns mit dem Regierungschef getroffen, wir waren im Rathaus, aber wir waren etwa auch in einer Drogenberatungseinrichtung. Zu meinem Praktikum: Das war zwar zu kurz, als dass ich in dem Amt, in dem ich gearbeitet habe, wirklich etwas leisten hätte können. Aber ich konnte sehr viel über die Arbeit lernen. Und vor allem habe ich meine Deutschkenntnisse auf ein ganz anderes Niveau gebracht. Ich habe mit den Deutschen ganz offen in ihrer Arbeit über ihre Arbeit gesprochen. Das war völlig anders als zum Beispiel in Konstanz, wo ich zuvor ein halbes Jahr studiert und mich fast nur mit Professoren oder anderen ausländischen Studenten unterhalten habe."

Was ist denn die Hertie-Stiftung?

"Die Hertie-Stiftung ist eine gemeinnützige Organisation mit Sitz in Frankfurt. Ihre finanziellen Mittel kommen aus der Hertie-Kaufhauskette. Sie arbeitet auf vielen Feldern, etwa bei der Unterstützung der Neurowissenschaft oder bei der Förderung von besonders begabten Kindern aus Migrantenfamilien, die in Deutschland studieren. Und sie unterstützt auch Praktikanten wie mich."

Kannst du noch mehr von deiner Arbeit auf dem Amt für multikulturelle Angelegenheiten erzählen?

"Ich habe zugehört! Ich habe aber auch eine Kindertagesstätte für Roma besucht und eine Datenbank für Beratungsfälle im Zusammenhang mit Diskriminierung angelegt. Und ich habe die Presseauswertung gemacht - also alles kopiert, was für das Amt interessant war. Außerdem habe ich verschiedene Sitzungen besucht, unter anderem im Stadtparlament oder in der Ausländervertretung."

Jan Patera  (Foto: Autor)
Ist mit dem Ende des Praktikums auch dein Kontakt zur Hertie-Stiftung und zur Stadt Frankfurt beendet?

"Nein. Es ist ein Ziel der Hertie-Stiftung, die Kontakte zu bewahren. Gemeinsam mit einem Kollegen organisiere ich jetzt das Begleitprogramm für die Frankfurter, die dieses Jahr nach Prag kommen."

Auf Gegenbesuch sozusagen?

"Ja, das gibt es jetzt zum ersten Mal. Das Programm entwickelt sich immer weiter, und der nächste Schritt ist eben der Schritt nach Prag. Wir werden den Praktikanten hier wahrscheinlich auch bei Orientierungs- oder Sprachschwierigkeiten helfen. Sie können nämlich noch nicht Tschechisch. Darin besteht ein großer Unterschied zu uns, denn wir mussten schon sehr gut Deutsch sprechen, als wir nach Frankfurt gekommen sind. Das Programm, das wir organisieren, soll den Frankfurtern jedenfalls ermöglichen, nicht nur wie Touristen das historische Prag kennen zu lernen, sondern auch in Betriebe zu schauen, hinter die Kulissen."

Zum Beispiel hinter die Kulissen des Tschechischen Rundfunks. Wir haben ja schon vereinbart, dass wir die Praktikanten aus Frankfurt auch zu uns einladen werden. Wie bereits erwähnt arbeitest du als externer Mitarbeiter beim Ersten Programm des Inlandssenders. Was machst du da genau?

"Ich war bis jetzt bei der Sendung HandyCamping tätig, die das Leben von Menschen mit verschiedenen Behinderungen betrifft. Da habe ich zum Beispiel eine Reportage von einer Sportveranstaltung für Behinderte gemacht. Einmal bin ich auch mit einem Kollegen, der ein Rollstuhlfahrer ist, durch Prag gefahren, und wir haben ausprobiert, wie es ist, hier als Rollstuhlfahrer die öffentlichen Verkehrsmitteln zu benutzen."

Kommen wir am Schluss noch zu dir selbst und zu deinen guten Deutschkenntnissen. Hast du Deutsch auch studiert?

"Die Deutschkenntnisse kommen vor allem von der Erfahrung aus der deutschen Umwelt. Die Schule hat mir dabei glaube ich nicht sehr geholfen. Jetzt freue ich mich schon auf einen Aufenthalt in Regensburg, wo ich für das nächste Jahr ein Stipendium bekommen habe. Bis Juni 2006 werde ich also wieder in Deutschland sein. Ich hoffe sehr, dass ich meine Sprachkenntnisse dort noch weiter verbessern kann. Mein Ideal wäre es, später als Dolmetscher oder Übersetzer tätig zu sein."

Was hast du bis jetzt studiert?

"Ich habe meinen Bachelor in Politikwissenschaft gemacht. Jetzt studiere ich Medienwissenschaft - das werde ich auch in Regensburg tun. Wahrscheinlich komme ich aber zurück, um meinen Abschluss hier in Prag zu machen."