Fremde Uni zum eigenen Nutzen: DAAD-Stipendien für tschechische Studenten
Viele von ihnen gehen an eine deutsche Uni, weil sie dort Forschungsmaterial nutzen können, das es an ihrer Heimathochschule nicht gibt. Oder sie bearbeiten ohnehin ein Thema mit Deutschlandbezug. Das sind Beweggründe, die auch die neuen tschechischen DAAD-Stipendiaten an die Universitäten zwischen Bodensee und Ostsee führen. Die neuen Stipendiaten erhielten Anfang Mai feierlich ihre Stipendien-Urkunden. Ein Anlass, um sich mit ihnen über ihre Erwartungen zu unterhalten und frühere Stipendiaten zu ihren Erfahrungen zu befragen.
"Nach Bayreuth."
Ob Bayreuth, Konstanz, Kiel oder Berlin - die tschechischen Stipendiaten haben sich ihre Gastuniversitäten sehr sorgfältig ausgesucht. Die Überreichung der Stipendien-Urkunden aus den Händen des Botschaftsgesandten Konrad M. Scharinger und der Leiterin des DAAD-Informationszentrums in Prag, Dorothea Uhle, war bereits Entlohnung für ein gutes Stück Arbeit. Den Antrag stellen, vor drei Kommissionen treten - und selbst damit ist noch nicht alles gelöst. Weil nun zum Beispiel noch die Wohnungssuche ansteht, wie Daniel Ondo sagt:
"Ich werde nächste Woche eine Anzeige aufgeben. Sie ist schon geschrieben, aber ich habe es heute vergessen. Ich hoffe, es wird schnell geregelt sein, wie in Leipzig damals, als das in ein oder zwei Monaten ging. Ich suche ein WG-Zimmer."
Und das in Rostock. Denn dort wird Daniel Ondo seine Doktorarbeit für die Prager Fachhochschule für Chemie vorbereiten. Sieben Monate lang ab Januar 2008. Auch das eine gezielte Wahl.
"Ich war schon zweimal in Deutschland, das erste Mal als Erasmusstudent in Rostock und das zweite Mal für drei Monate in Leipzig."Warum gerade Rostock, was kann Ihnen dort helfen für Ihre Abschlussarbeit?
"Zuerst die persönlichen Kontakte mit den Leuten am Institut für Chemie. Dann der fachliche Bereich: Sie haben dort einen Apparat, mit dem man genauere Analysen anfertigen kann. Zudem liegt es an der Küste, was ich sehr mag. Und es leben nicht so viele Menschen in Rostock wie in Dortmund oder Bonn. Es ist eine angenehme Stadt."
Deutschland hat mittlerweile auch allgemein eine gewisse Beliebtheit als Studienort für Menschen aus Tschechien erlangt, wie die Zahlen beweisen.
"Insgesamt studieren im Augenblick 2000 Tschechinnen und Tschechen an Universitäten in Deutschland. Sie wissen vielleicht, dass es einerseits bilaterale und andererseits europäische Stipendien gibt. Von den 2000 sind ungefähr 1000 Erasmus-Studenten, das heißt aus dem europäischen Austauschprogramm. Und die anderen sind also dann bilaterale, die von der Bundesrepublik Deutschland vergeben werden",
sagt der Botschaftsgesandte Konrad M. Scharinger. Zu den bilateralen Austauschprogrammen gehört auch der DAAD. Die Zahl der Stipendiaten aus Tschechien liegt in den letzten Jahren bei regelmäßig um die 100. Erstmals wurden ihnen allerdings die Stipendienurkunden in einer kleinen Feier überreicht. Die Leiterin des DAAD-Informationszentrums in Prag, Dorothea Uhle:"Die Gründe sind vielfältig. Zum einen bin ich der Auffassung, dass man einen solchen Moment - der Erhalt eines Stipendiums genauso wie der Beginn oder der Abschluss eines Studiums - feierlich begehen sollte. Zum anderen wollten wir den Stipendiaten die Gelegenheit geben, sich untereinander kennen zu lernen. Vielleicht stellen sie fest, dass ein Kollege in dieselbe Stadt geht in Deutschland oder dass sie sich von irgendwoher kennen. Zudem wollten wir den Kontakt herstellen zwischen den ehemaligen und den jetzigen Stipendiaten. So dass vielleicht gerade jetzt beim kalten Buffet Gelegenheit ist, dass die ehemaligen und die jetzigen Stipendiaten miteinander ins Gespräch kommen, Erfahrungen austauschen können, sich Tipps geben können und so weiter. "
Bringen die Stipendiaten aus Tschechien bestimmte Vorteile mit, und mit welchen Schwierigkeiten haben sie häufiger zu kämpfen?
"Das ist schwer generell zu sagen. Aber ich denke, einer der Vorteile, die gerade tschechische Studierende oder Doktoranden mitbringen, sind in der Regel ihre sehr guten Sprachkenntnisse. Wir haben kaum einmal das Problem, dass jemand wegen fehlender Sprachkenntnisse abgelehnt werden muss. Und hilfreich ist auch die kulturelle Nähe zwischen Deutschland und Tschechien. Zu den Problemen, mit denen tschechische Studierende vielleicht zu kämpfen haben: Das Studium in Tschechien ist häufig noch klassisch auf den Erwerb der Kenntnis von Fakten ausgerichtet. Die etwas anderen Unterrichtsmethoden in Deutschland sind für sie am Anfang vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig. Aber sie gewöhnen sich sehr schnell an den deutschen Unterrichtsstil."
Wie beispielsweise für Pavel Cech, der 2004 in Münster fünf Monate lang über alte semitische Sprachen geforscht hat. Ihm ist bei seinem Aufenthalt in Nordrhein-Westfalen noch etwas aufgefallen:
"Den Hauptunterschied würde ich in dem Verhältnis zwischen den Studenten und den Professoren sehen. Das ist nicht etwa die andere Seite der Barrikaden, wie es meist bei uns ist, sondern es sind wirklich Freunde. Das wirkt sich sehr positiv auf die Autorität der Hochschullehrer aus."
Und was die Ausstattung anbetrifft: Wenn ich durch die philosophischen Fakultäten an der Prager Karlsuniversität gehe, dann habe ich das Gefühl, dass man sieht, dass lange Jahre im Kommunismus kein Geld da war...
"Die humanistischen Fächer sind bei uns vernachlässigt, das ist klar. Wenn Geld da ist, dann geht es vor allem in die Fächer, die wirtschaftlich gesehen etwas zusammenbringen. Ich würde sagen, dass es riesige Unterschiede gibt bei der Ausstattung an den philosophischen Fakultäten und beispielsweise der wirtschaftlichen Hochschule, die heutzutage vergleichbar ist mit den besten in der Welt."
Das Hauptlos der neuen DAAD-Stipendiaten aus Tschechien hat im Übrigen keine Tschechin, sondern eine Lettin gezogen. Marija Grismanova erhielt das längste Stipendium und geht nach Hamburg, um dort ihre Promotion zu schreiben. Und nicht nur das: Sie wird dies ausgerechnet im Fach Slawistik machen:
"In der Slawistik gibt es so ein Thema: die russischen Urkunden, die mit der Hanse verbunden sind. Ich mache eine vergleichende Studie zu Russisch, Niederdeutsch und Latein."
Wie lange hat denn das Verfahren für den Antrag gedauert, und war es schwierig, das Stipendium zu bekommen?
"Für mich schon, weil ich aus Lettland komme und alle meine Urkunden aus Lettland stammen. Das heißt, ich hatte in Tschechien mal wieder das Problem einen Übersetzer zu finden, der mir die Urkunden aus dem Lettischen ins Deutsche überträgt. Das war ein großes Problem, aber wir haben es gelöst. Fast zwei Kilo haben meine Dokumente gewogen. Und ich habe das am letzten Tag abgegeben, weil ich so viele Papiere sammeln musste."
Auf den letzten Drücker - das kennt wahrscheinlich jeder von uns.