Wien 3, Sebastianplatz: Tschechische Schule in neuer Blüte

Karl Hanzl (Foto: Autor)
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Im Rahmen unserer Sendungen konnten Sie in den letzten Tagen einiges über die politische Bedeutung des Besuches hören, den der tschechische Premierminister Jirí Paroubek kürzlich in der österreichischen Hauptstadt Wien absolviert hat. Auf dem Programm der Visite standen aber nicht nur Treffen mit österreichischen Spitzenpolitikern, sondern auch ein Besuch in der Tschechischen Schule im dritten Wiener Bezirk. Gerald Schubert war dabei und hat sich bei dieser Gelegenheit mit Karl Hanzl unterhalten, dem Obmann des Schulvereins Komensky. Einige interessante Details über Geschichte und Gegenwart der tschechischen Schule in Wien hören Sie nun in der neuen Ausgabe der Sendereihe "Heute am Mikrophon":

Karl Hanzl  (Foto: Autor)
"Die Komensky-Schule ist eigentlich ein europäisches Unikat. Meines Wissens ist sie die einzige tschechisch unterrichtende Schule außerhalb der Tschechischen Republik. Derzeit haben wir drei Kindergartengruppen mit insgesamt 66 Kindern, was unsere Kapazitätsgrenze darstellt. Dann haben wir - ab dem nächsten Schuljahr - zwei Parallelklassen der ersten und zwei Parallelklassen der zweiten Volksschule sowie eine dritte und eine vierte Volksschulklasse. Darauf aufbauend gibt es vier Klassen Sekundarschule, was der Unterstufe eines Gymnasiums gleichkommt. Und dann haben wir noch vier Klassen Oberstufenrealgymnasium, wo es dieses Jahr den zweiten Maturajahrgang gab."

... sagt Karl Hanzl, der Obmann des Schulvereins Komensky. So sieht also die Gegenwart der tschechischen Schule in Wien aus. Ihre Geschichte ist lang und wechselvoll. Hanzl gibt einen kurzen historischen Überblick:

"Der Schulverein wurde im Jahr 1872 gegründet. In den ersten, sehr schweren Jahren musste das nötige Geld gesammelt werden. Es bestand die Meinung, dass die vielen tschechischsprachigen Einwohner Wiens die Möglichkeit haben sollten, auch eine entsprechende Schule zu besuchen. Bald wurden die ersten Gebäude gekauft. Aber die Eröffnung dieser Schulen wurde von den Behörden mit allen nur möglichen legalen Mitteln unterdrückt. Das war die Politik des damaligen langjährigen Bürgermeisters Dr. Karl Lueger, der hier eine sehr populistische Linie fuhr. Nach dem Ersten Weltkrieg blühte der Schulverein auf. Mit Unterstützung aus der Ersten Tschechoslowakischen Republik wurden hier hintereinander fünfzehn Schulgebäude errichtet. Das letzte und modernste war dieses Schulgebäude hier auf dem Sebastianplatz, das 1934 entstand. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Schule dann geschlossen und enteignet. Nach dem Jahr 1945 hat sie sich langsam wieder erholt und ist jetzt, in den letzten zehn Jahren, zu einer neuen Blüte gekommen."

Diese Blüte schlägt sich auch in der Tatsache nieder, dass es längst nicht nur Kinder von Tschechen sind, die die Komensky-Schule in Wien besuchen:

"Etwa die Hälfte der Kinder hier stammt noch aus traditionell zweisprachigen Familien. Aus Familien wie meiner, die schon in der vierten Generation in Wien lebt. Aber es kommen immer mehr Kinder aus Familien hinzu, in denen Tschechisch nicht mehr gesprochen wird, oder nie gesprochen wurde. Diese Kinder lernen die Sprache dann im Kindergarten, und die Eltern lernen teilweise mit. Eine andere größere Gruppe besteht aus Kindern von neuen Arbeitnehmern in Wien - Tschechen und Slowaken, die teilweise in dieser Stadt bleiben und teilweise nur vorübergehend hier sind. Wir haben also ein sehr buntes und sehr interessantes Publikum an Kindern hier."

Die Komensky-Schule ist eine Privatschule mit Öffentlichkeitsrecht, verwaltet vom Schulverein, dem Karl Hanzl vorsteht. Das Schulgeld beträgt 60 Euro im Monat. Geboten wird in den Räumlichkeiten der Komensky-Schule aber weit mehr als nur klassischer Unterricht. So gibt es etwa auch einen verhältnismäßig großen Theatersaal:

"Der Saal hat 400 Sitzplätze. Außerdem haben wir jetzt einen neuen Clubraum mit 120 Plätzen, einen kleineren Clubraum mit 60 Plätzen und dazu noch drei adaptierte Räume für Sprachunterricht. Wenn wir auch den Turnsaal dazuzählen, dann können wir nach Schulschluss also fünf bis sechs Gruppen bis zum Abend beherbergen."

Die Komensky-Schule und ihre gut ausgestatteten Räumlichkeiten dienen daher auch anderen Zwecken, die nicht unbedingt etwas mit dem täglichen Betrieb der Klassen zu tun haben:

"Sie ist einerseits ein Treffpunkt für unsere Schüler, aber auch Heimstätte der zahlreichen Wiener Vereine. Es gibt derzeit etwa 70 aktive tschechische Vereine in Wien, und davon haben 14 ihre Adresse am Sebastianplatz."

Über den Besuch des tschechischen Premierministers Paroubek hat sich Vereinsobmann Hanzl besonders gefreut:

Jirí Paroubek | Foto: Zdeněk Vališ,  Radio Prague International
"Das haben wir dem tschechischen Botschafter Rudolf Jindrák zu verdanken, dem es in den letzten Jahren immer wieder gelungen ist, Vertreter der tschechischen Regierung hier an unsere Schule zu lotsen. Das ist für uns sehr wichtig, weil es auch eine Art Anerkennung dieser Institution durch die Tschechische Republik ist und auch unseren Stellenwert gegenüber den österreichischen Behörden auf Landes- und Bundesebene erhöht. Es war also ein wichtiger, historischer Besuch, zumal der tschechische Ministerpräsident das erste Mal hier war. Vor zwei Jahren war auch der österreichische Bundeskanzler bei uns. Das heißt, wir durften bereits beide aktuellen Regierungschefs einmal auf dem Boden dieser Schule begrüßen."

Auch die beiden Staatspräsidenten Heinz Fischer und Václav Klaus haben im Zusammenhang mit der Komensky-Schule kürzlich eine Rolle gespielt. Und zwar bei der Ehrung der Gewinner eines Aufsatzwettbewerbes zum Thema Nachbarschaft, der gemeinsam mit der österreichischen Schule in Prag abgehalten wurde:

"Die Wiener Schüler, also unsere Schüler aus der Komensky-Schule, waren in Prag bei Präsident Klaus, und die Schüler der österreichischen Schule in Prag waren bei unserem Bundespräsidenten Fischer in Wien. Dabei wurden jeweils die Autoren der drei besten Aufsätze begrüßt."

Eine Frage zum Abschluss: Ist die Komensky-Schule in Wien heute allgemein akzeptiert? Oder wird die tschechische Schule in der österreichischen Hauptstadt vielleicht doch hin und wieder mit Skepsis betrachtet? Obmann Karl Hanzl:

"Wir verfolgen mit unserer Schule eine Art Nischenpolitik und nehmen den anderen Wiener Schulen ja kaum etwas weg. Wir versuchen Leute anzusprechen, die ihre Kinder gezielt mehrsprachig aufwachsen lassen wollen. Das können sie in dieser Form eigentlich nur bei uns. Tschechisch nur als Fremdsprache mitzunehmen, das geht bereits an vielen Schulen. Wer Unterricht auf Französisch will, der geht ins Lycée, für englischen Unterricht gibt es die Internationale Schule. Das heißt, wir belegen da ein Spezialgebiet und haben dadurch auch keinen direkten Konkurrenten. Und wo kein Konkurrent, da auch kein direkter Feind."