Eis im Auto, Schnee im Kopf
Im Radio-Feuilleton wirft Thomas Kirschner einen frostigen Blick auf eine neue Eis-Zeit in den tschechisch-deutschen Beziehungen.
Horni Blatna im nordböhmischen Erzgebirge, irgendwann vergangene Woche. Die Welt liegt ungestört in frühmorgendlicher Ferienidylle, bis die Idiotien der Zeit mit einem Schlag auch diesen Flecken erreichen: Rund 35 Deutsche, so berichtet ein Anwohner später der Tageszeitung Mlada fronta Dnes, seien in den Morgenstunden mit vier Minibussen und einem Lieferwagen herangerumpelt. Ihr Ziel: Die Eisklamm am Plattenberg (Blatenský vrch), wo auch bei der größten Sommerhitze der Gefrierpunkt nicht überschritten wird. Das Eis haben schon die verwundeten Soldaten in den Napoleonischen Kriegen genutzt - und nun auch die deutschen Gäste. Die eher ein Bergbaukommando waren: Mit Kübeln und Schubkarren wurde das Gefriergut in den Lieferwagen verfrachtet, ungeachtet dessen, dass man sich hier an einem Naturdenkmal bediente. Das Einschreiten von Anwohnern führte erst zum Erfolg, als Fotoapparate und die Polizei mit ins Spiel kamen. Als die Ordnungshüter eintrafen, hatte sich die deutsche Brigade jedoch schon aus dem Staub gemacht. Was zurückblieb, war ein Loch im Eis, ein großes Fragezeichen und eine Reihe zu Recht verärgerter Anwohner und Naturschützer. Die nicht einmal die ursprüngliche Vermutung milde stimmen konnte, dass die Eisräuber mit ihrer kalten Beute in einem Zeltlager Bier kühlen wollten - eine Tätigkeit, für die man in Tschechien im Allgemeinen auf Verständnis hoffen kann.
Die Wahrheit, die einmal mehr dümmer ist, als man glauben mag, kam einen Tag später ans Licht: Die Eis-Vandalen wollten einen Schneemann bauen. Anlass war der Wettbewerb eines Leipziger Privat-Radios darum, wer innerhalb von drei Stunden den schönsten Sommer-Schneemann zu Stande bringt. Ob das Eis aus der Klamm am Blatensky vrch für den Sieger-Schneemann gereicht hat, wissen wir nicht. Ganz sicher aber war es genug, um die nachbarschaftlichen Gefühle der Anwohner und Naturschützer aus Horni Blatna nachhaltig abzukühlen.
Eine Abkühlung in Höhe von bis zu einigen zehntausend Kronen wartet nun auch auf die grenzüberschreitenden Eiskratzer. Das mag reichen, damit sich der Schnee in ihren Köpfen etwas legt, den Schnee in die Klamm bringt dies allerdings nicht zurück. Wir von Radio Prag meinen daher, dass die Probleme auf der Ebene gelöst werden müssen, auf der sie entstanden sind. Und deshalb ruft auch Radio Prag einen großen Radio-Sommerwettbewerb aus! Gewonnen hat, wer den größten Schneemann in die Eisklamm nach Horni Blatna bringt. Innerhalb von drei Stunden, versteht sich. Auf die Plätze, fertig los - die Zeit läuft!