Wie die tschechischen Medien über Deutschland berichten: Teil 1. Tschechisches Fernsehen

Jan Molacek
0:00
/
0:00

Für die heutige Ausgabe von "Im Spiegel der Medien", der Mediensendung von Radio Prag, hat sich Robert Schuster mit dem früheren Deutschland-Korrespondenten des öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehens, Jan Molacek, unterhalten.

Schon in der Vergangenheit haben wir in unserer Mediensendung von Zeit zu Zeit einen Blick hinter die Grenzen Tschechiens geworfen und versucht, Ihnen einen Blick von außen zu gewähren. So hatten wir zum Beispiel einige Male Gespräche mit den in Tschechien ansässigen Korrespondenten deutschsprachiger Medien geführt.

In der heutigen Folge des Medienspiegels wollen wir Ihnen einmal die entgegen gesetzte Perspektive näher bringen. Wir stellen also die Frage: Wie sieht ein tschechischer Journalist, der in Deutschland tätig war, das Verhältnis beider Staaten, bzw. welchen Stellenwert hat die Berichterstattung aus Deutschland für die tschechischen Medien generell?

Darüber unterhielten wir uns mit dem Fernsehjournalisten Jan Molacek, der bis vor kurzem für das öffentlich-rechtliche Tschechische Fernsehen Ceska televize aus Deutschland berichtete.

"Deutschland ist bei weitem das ökonomisch wichtigste Nachbarland Tschechiens, ein Land, das die Tschechen sehr gut kennen und zu dem es natürlich sehr starke Beziehungen gibt. Im vergangenen Jahr, als ich dort war, war das Interesse am größten - es war schließlich das Jahr der EU- Erweiterung. Die Leute wollten wissen, was die Mitgliedschaft für sie persönlich mit sich bringen wird, und da ist Deutschland natürlich das erste Land, wo etwa die Exporte der tschechischen Firmen hingehen würden. Ich denke, dass Themen wie die deutschen Reformen oder die Angst vor billigen Arbeitskräften sehr relevant waren. Insoweit gab es für uns ziemlich viel Arbeit in Berlin."

Der 31jährige gebürtige Brünner Jan Molacek war insgesamt knapp zwei Jahre lang in Berlin. Die ständige Präsenz des Tschechischen Fernsehens in der deutschen Metropole hat eine lange Tradition. Neben Berlin, bzw. früher Bonn, hatte Ceska televize noch in vier weiteren Metropolen immer ständige Berichterstatter: in Washington, Moskau, Brüssel und Warschau. Nach der Auflösung der früheren Tschechoslowakei wurde zusätzlich noch ein ständiger Berichterstatter nach Bratislava (Pressburg) entsandt.

Neben dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen haben lediglich noch die Nachrichtenagentur CTK und der Tschechische Rundfunk Korrespondenten in Deutschland.

In wie weit ist man als Journalist vor Ort eigentlich frei bei der Auswahl der Themen, über die man in den Schaltungen nach Tschechien berichtet? Dazu meint Jan Molacek vom Tschechischen Fernsehen:

"Es war vor allem meine Aufgabe, Themen zu finden, die für die tschechischen Zuschauer interessant und wichtig waren und sie in Prag anzubieten. Insofern war ich ziemlich frei. Die endgültige Entscheidung darüber, was gesendet wurde und was nicht, bzw. in welcher Sendung, lag natürlich bei den Chefs vom Dienst. Ich habe sie also quasi immer überzeugen müssen, dass meine Themen wirklich wichtig und relevant sind. Die Korrespondenten-Arbeit in Deutschland ist aber im Vergleich mit anderen Orten vielleicht ein wenig spezifisch, weil eben Deutschland jenes Land ist, mit dem sich die Tschechische Republik am häufigsten vergleicht. Das bedeutete, dass ich auch viele Themen zu behandeln hatte, die nicht in Deutschland, sondern in Tschechien aktuell waren."

Als konkretes Beispiel führt Jan Molacek in diesem Zusammenhang etwa einen Bericht über die Immunität der Abgeordneten des Deutschen Bundestages an, mit dem ihn seine Kollegen aus der innenpolitischen Redaktion beauftragten. Auch in anderen Lebensbereichen wurden oft vergleichende Beispiele aus Deutschland herangezogen, die dann Molacek beisteuerte.

Seit Mai vergangenen Jahres sind Deutschland und Tschechien gemeinsame Mitglieder der Europäischen Union. Es ist somit anzunehmen, dass dieser Umstand auch den Charakter der Berichterstattung aus und über Deutschland verändert hat. Früher, etwa in den 90er Jahren, dominierten ja fast ausschließlich Fragen der gemeinsamen Geschichte wie der Zweite Weltkrieg und die Vertreibung der Sudetendeutschen, was natürlich auch von den Deutschland-Berichterstattern der tschechischen Medien berücksichtigt wurde. Auf die Frage, ob sich das nun verändert hat, bzw. welche Themen heute primär im Vordergrund stehen, meint Jan Molacek:

"Also, ich bin nicht sicher, ob sich am Charakter der Berichterstattung viel geändert hat, aber es gab eigentlich ein sehr starkes Interesse an europäischen Themen, oder genauer gesagt an deutschen Themen, die durch die gemeinsame Mitgliedschaft in der EU auch für die Tschechen wichtig geworden sind. Ich weiß nicht, ob die Berichterstattung sehr von der Geschichte belastet ist. Natürlich ist es so, dass bei jedem Kontakt zwischen deutschen und tschechischen Politikern die Fragen nach der gemeinsamen Geschichte unvermeidbar sind - das gilt auch, obwohl die Politiker selber diese Themen manchmal vermeiden wollen. Das schaut dann so aus, dass die Politiker über die ausgezeichneten Wirtschaftsbeziehungen sprechen, die Journalisten dann aber nach den Benes-Dekreten und Sudetendeutschen fragen. Das ist eben so. Tatsache ist, dass diese Themen bei weitem noch nicht ausschließlich der Vergangenheit angehören."

Die zwei Jahre, die Jan Molacek in Deutschland verbracht hat, waren seinen Worten zufolge eine ausreichend lange Zeit, um einen tieferen Einblick in die deutsche Gesellschaft zu erlangen. Mit welchem Tschechien-Bild war er während dieser Zeit konfrontiert? Wurde zum Beispiel von den deutschen Medien Tschechien überhaupt wahrgenommen?

"Na ja, Tschechien ist für Deutschland natürlich nicht so wichtig, wie Deutschland für Tschechien, und deshalb ist die Häufigkeit von Nachrichten aus Tschechien in deutschen Medien nicht so groß, wie umgekehrt. Das heißt aber nicht, dass die deutschen Medien über Tschechien überhaupt nicht informieren würden. Die wirklich wichtigen Themen, wie die Regierungskrise in Tschechien, wurden von den deutschen Kollegen sehr professionell verarbeitet. Es stimmt aber, dass die EU-Erweiterung auch in Deutschland Interesse an den Nachbarn geweckt hat. Die Deutschen verspüren gerade jetzt ein großen Maß an Unsicherheit und fragen sich deshalb, was das für Länder sind, in die deutsche Firmen ihre Produktion verlagern, woher die billigen Arbeitskräfte nach Deutschland kommen, und das sorgt natürlich auch bei den Medien für Interesse an den neuen EU-Mitgliedern."

Seit gut zwei Monaten ist Jan Molacek wieder in Prag. An seine Stelle wurde die Journalistin Hana Scharffova nach Berlin geschickt. Molacek selber wird ab September als neuer Korrespondent nach Moskau gehen. Mit welchen Erwartungen geht er nach Russland? Hören Sie abschließend noch einmal den Fernsehjournalisten Jan Molacek:

"Es wird eine ganz andere Arbeit in Moskau sein, vielleicht etwas weniger im Büro und etwas mehr draußen, was ich eigentlich sehr mag. Damit will ich aber nicht sagen, dass die Arbeit in Deutschland irgendwie langweilig gewesen wäre. In Russland wird es aber schon etwas anders zugehen - schon deshalb, weil der Schwerpunkt der Berichterstattung ganz anderswo liegen wird. Auf jeden Fall besteht auch in Russland Interesse in Tschechien. Ich glaube, es wird in Russland viel Arbeit geben und ich freue mich schon sehr."