Wie die tschechischen Medien über Deutschland berichten: Teil 2. Tschechische Nachrichtenagentur (ctk)

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Zu Gast im "Medienspiegel" ist heute die Deutschland-Korrespondentin der Tschechischen Nachrichtenagentur (ctk), Denisa Svobodnikova. Frau Svobodnikova ist seit eineinhalb Jahren in Berlin, vorher hat sie als Redakteurin für die ctk in Prag und in Brüssel gearbeit.

Frau Svobodnikova, die CTK hat ja neben Berlin Korrespondentenposten in mehreren anderen Städten, wie z.B. New York, London, Paris, Brüssel, Warschau. Welchen Stellenwert hat Ihrer Erfahrung nach die Berichterstattung aus Deutschland für die tschechischen Medien?

"Naja, zunächst einmal ist es ein Nachbarland und da gibt es immer gemeinsame Themen. Das konnte man bei der Osterweiterung, aber auch schon davor sehen. Die Benes-Dekrete z.B. sind ein Thema, das immer präsent ist. Und zweitens ist Deutschland ein großes europäisches Land, einer der Hauptspieler in der EU und auch in der politischen Szene. Und das kann man, glaube ich, auch in den tschechischen Medien gut sehen, über Deutschland wird wirklich viel geschrieben, über die jetzige Regierungskrise z.B., über die geplanten Neuwahlen und auch über deutsche Firmen, die gute Kontakte zu tschechischenen Firmen haben, wie etwa Volkswagen."

Ist es nicht eigentlich komisch, dass die großen tschechischen Tageszeitungen keine eigenen Korrespondenten in Deutschland haben?

"Wissen Sie, das ist schwer zu beurteilen. Es ist immer teuer, einen Korrespondenten im Ausland zu haben. Und ich glaube, auch die ausländischen Medien machen das so, dass ein Korrespondent für mehrere Zeitungen schreibt. Die Korrespondenten sind zwar nicht vor Ort, aber was ich aus Erfahrung weiß, ist, dass sie immer wieder einmal hierher kommen. Oder sie verbringen ein paar Monate hier. Z.B. Zita Senkova von Mlada fronta dnes ist immer mal hier in Berlin präsent. Und sie fahren natürlich auch auf Dienstreisen. Bei aktuellen Ereignissen kommen dann immer einige Medienvertreter aus Tschechien."

Dass die Zeitungen keine eigenen Korrespondenten in Deutschland haben, steigert natürlich die Wichtigkeit Ihrer Arbeit. Sie sind sicherlich die Hauptinformationsquelle für viele tschechische Medien. Ich kann mir vorstellen, dass man es auch als eine ganz schön große Verantwortung empfindet, sich dessen bewusst zu sein?

"Ja, aber wissen Sie, das ist auch relativ. Denn mit den Informationsquellen ist es jetzt ganz einfach. Die tschechischen Medien haben nicht nur die ctk, sondern sie haben auch die dpa und die internationalen Agenturen. Und es gibt deutsche Zeitungen, die man ganz normal in Tschechien kaufen kann."

Wie wählen Sie die Themen aus, über die Sie berichten, Sie haben ja ganz Deutschland abzudecken?

"Ich biete jeden Tag der Prager ctk-Redaktion die Themen an, über die ich schreiben will. Das sind die wesentlichen politischen Themen und diejenigen Themen, die einen Zusammenhang mit Tschechien haben. Und wenn die Redaktionen aus Prag etwas wollen - das sind meistens Reaktionen auf Ereignisse in Tschechien, wie jetzt z.B. die geplante Versöhnungsgeste von Ministerpräsident Jiri Paroubek an sudetendeutsche Antifaschisten - dann rufen sie mich an und ich bemühe mich dann, dazu etwas zu machen."

Was waren die Hauptthemen, seit Beginn Ihrer Berliner Tätigkeit und haben sie sich durch die EU-Osterweiterung verändert?

"Ja, das kann man sicher sagen. Die politischen Hauptthemen sind diejenigen, die nichts mit Tschechien zu tun haben, wie jetzt die politische Krise in Deutschland. Ein weiteres Thema ist die Osterweiterung und ihre Konsequenzen. Dann das ganze Thema Lohndumping, billige Dienstleistungen: Polnische oder tschechische Fließenleger, Klempner oder Metzger, die hier arbeiten und angeblich den Deutschen die Arbeitskräfte wegnehmen. Und dann das ganze Thema der Verlagerung der deutschen Firmen nach Osteuropa. Das ist zwar nicht durch die Osterweiterung verursacht, aber es wird oft mit der Osterweiterung in Zusammenhang gebracht."

Auf was für ein Tschechien-Bild stoßen Sie in den deutschen Medien?

"Naja, das ist nicht besonders detailliert. Die großen, überregionalen Medien berichten über die Hauptereignisse auf politischer Ebene. Und die kleinen, regionalen Medien in Sachsen und Bayern, an der Grenze zu Tschechien, die schreiben auch detaillierter über gemeinsame Projekte etwa von Nichrregierungsorganisationen. Und über negative Konsequenzen der Osterweiterung, also z.B. über den Benzintourismus oder den Einkaufstourismus zwischen Deutschland und Tschechien. Oder über Deutsche, die jetzt im tschechischen Grenzgebiet eine Arbeit gefunden haben. Aber insgesamt kann man, glaube ich, sagen, dass das Bild von Tschechien nicht besonders detailliert ist. Aber man muss auch zwischen den einzelnen Ländern unterscheiden. Ich glaube, im Saarland oder Mecklenburg-Vorpommern oder Schleswig-Holstein hat man überhaupt kein Bild über Tschechien. Und in Sachsen und Bayern hat man schon ein Bild, aber das wird z.T. immer mit den Konsequenzen der Ost-Erweiterung in Verbindung gebracht, auch mit den negativen wirtschaftlichen Konsequenzen."

Worin sehen Sie Ihren eigenen Auftrag, was die Beeinflussung des Deutschlandsbildes in Tschechien anbelangt?

"Ich finde, in Tschechien hat man irgendwann angefangen, Deutschland und vielleicht die deutsche Szene mit dem Thema Vertreibung zu verbinden. Darüber schreibt man auch genug...."

Kann man sagen, dass soetwas wie das Alltagsdeutschland in der tschechischen Berichterstattung fehlt?

"Ja, ein bisschen schon. Aber man kann auch sagen, dass das Alltagstschechien in der deutschen Berichterstattung fehlt."

Sie hörten ein Gespräch mit Denisa Svobodnikova, Deutschland-Korrespondentin der Tschechischen Nachrichtenagentur ctk. Und damit ist unsere Sendezeit auch leider schon wieder ausgeschöpft, für's Zuhören bedankt sich im Namen der gesamten deutschsprachigen Redaktion - Silja Schultheis. Ein schönes Wochenende und auf ein baldiges Wiederhören bei Radio Prag, den Auslandssendungen des Tschechischen Rundfunks.