Unversöhnliche "Freiheitskämpfer"
Wie deutschfreundlich darf man sein, um Mitglied des tschechischen "Verbandes der Freiheitskämpfer" sein zu können? Diese Frage kann man sich im Zusammenhang mit dem Fall des prominenten tschechischen Shoah-Überlebenden Oldrich Stránský stellen, der - wie wir Ende vergangener Woche bereits berichtet haben - vom erwähnten Widerstandskämpferbund ausgeschlossen wurde. Martina Schneibergova berichtet.
"Man muss betonen, dass es auf beiden Seiten Menschen gibt, die nicht bereit sind, sich von den gegenseitigen Hassgefühlen loszusagen. Während der Feierlichkeiten anlässlich des 60. Jahrestags des Kriegsendes zeigte sich, dass die Lage schon so weit vorangeschritten ist, dass sowohl die Täter als auch die Opfer nicht mehr lange leben werden und dass dadurch offenbar auch der Hass verschwinden wird. Die Streitigkeiten können meiner Meinung nach von der jungen Generation beigelegt werden. Wir sind doch Nachbarn. Wenn wir der jungen Generation die Wahrheit sagen und entsprechende Argumente liefern, wird sie sich dessen bewusst, dass es notwendig ist, sich gegenseitig zu tolerieren anstatt sich zu hassen."
Ein Paar Tage nach dieser Diskussion, die vom Sudetendeutschen Büro in Prag initiiert wurde, wurde Oldrich Stránský aus dem Freiheitskämpferverband ausgeschlossen - angeblich wegen "zu freundschaftlicher Kontakte" zu den Nachkriegsvertriebenen. Es war jedoch nicht der erste Versuch, Stránský für seine Bemühungen um Verständigung zu bestrafen. Vor zwei Jahren versuchte man ihn als Leiter der "Vereinigung der befreiten politischen Häftlinge" abzusetzen. Stránský gelang es, diese Maßnahme vor Gericht erfolgreich anzufechten. Darin sieht er auch die Gründe dafür, warum jetzt ein neuer Angriff seitens des Verbandes kam:
"Ich habe nie daran gezweifelt, dass sie sich rächen werden. Dass die Rache diese Form haben wird, das habe ich nicht geahnt, aber ich meine, dass es sich ganz klar um eine Art Rache handelt."
Die Sprecherin des Verbandes, Sárka Hellmichová, ließ in ihrer Begründung der Entscheidung gegenüber der Tageszeitung Lidové noviny verlauten, Stránský sei im übrigen eigentlich ein Sudetendeutscher, auch wenn er als Jude im KZ gewesen sei. Oldrich Stránský dazu:
"Sie hat mich eigentlich mit den schlimmsten Schimpfwörtern bedacht, die man hier in Tschechien benutzen kann. Diese Ausdrucksweise ist für bestimmte Menschen typisch. Es ist jedoch tragisch, dass sich eine Vertreterin des tschechischen ´Verbandes der Freiheitskämpfer´, also einer Organisation der Widerstandskämpfer, auf diese Weise äußert, einer Organisation, die eher die ehemaligen Widerstandskämpfer und NS-Opfer beschützen und für sie arbeiten sollte."
Oldrich Stránský sieht jedoch auch Positives darin, dass sein Fall für Aufregung in politischen Kreisen sorgte bzw. Reaktionen in den Medien hervorrief:
"Vielleicht wird dieser Vorfall doch denjenigen mehr Mut verleihen, die Angst haben, laut etwas zu sagen, insbesondere, wenn es um Sudetendeutsche und auch um Juden geht. Ich halte es für wichtig, dass sich die Menschen nicht fürchten und beginnen, offen darüber zu sprechen."
Oldrich Stránský musste während der Nazi-Okkupation Böhmens zuerst als Zwangsarbeiter in Lípa bei Havlíckuv Brod arbeiten. 1943 wurde er ins KZ Theresienstadt (Terezín) deportiert, von dort wurde er später nach Auschwitz-Birkenau, Schwarzheide und Sachsenhausen verschleppt. Seine Familie wurde in Treblinka ermordet.