Mini-EM ist für elfjährige Kicker das Erlebnis des Jahres
Im heutigen Sportreport lässt Sie Lothar Martin ein erstklassiges Fußballturnier nachempfinden, wie es derzeit in Europa kein zweites gibt.
"Stets konzipieren wir das Turnier auf einen bedeutenden Tag. Im vergangenen Jahr war es die mit dem 1. Mai verbundene EU-Erweiterung, diesmal legten wir den Termin genau ein Jahr vor den Beginn der Fußball-WM in Deutschland. Und auch im nächsten Jahr sollten wir einen Termin finden, der auf eine bedeutende Aktion ausgerichtet ist."
Ein Jahr vor der WM der Senioren gaben sich also im malerischen Franzensbad und im geschäftstüchtigen Hof über 250 E-Jugend-Kicker aus zehn Nationen ein quicklebendiges Stelldichein, um untereinander quasi ihren "Europameister" zu ermitteln. Denn nach dem erfolgreichen Auftakt vor Jahresfrist, als jeweils ein Vertreter der zehn neuen EU-Mitgliedsländer, der FC Bayern München und die gastgebende Deutsch-Tschechische Fußballschule um den Turniersieg kämpften, hatten die Veranstalter diesmal noch einige klangvolle Namen mehr zu bieten: Athletic Bilbao, Fiorentina Florenz, Glasgow Rangers sowie die Bundesligaclubs Werder Bremen und VfB Stuttgart komplettierten das starke Teilnehmerfeld um die mittel- und osteuropäischen Vereine aus Budapest, Ljubljana, Prag, Riga, St. Petersburg und Warschau, Titelverteidiger Bayern München und Gastgeber DTFS/CNFS. Ein wirklich erlesenes Feld, das dem Turnier zu Recht den Stempel einer Mini-EM aufdrückte, befand auch der Trainer des FC Bayern, Nayif Orhankazi:
"Ich ordne das Turnier für sehr hoch ein. Das ist ein wunderbares Turnier, hier sind Super-Mannschaften und sehr, sehr gute Fußballer dabei. Und das schon in diesem Alter! Ich meine, wenn ich mich jetzt 20 Jahre zurückerinnere, da waren wir, so glaube ich, nicht in der Lage, solch einen Fußball zu spielen, wie ihn die Jungs jetzt spielen können."
Das Schüler-Fußballturnier hatte in der Tat viel Spannung, Klasse und teilweise richtigen Ballzauber zu bieten. Das unterstreicht auch die Meinung des Chefscouts von Werder Bremen, Ralf Schmidt, der zunächst befand, dass es im Finale nicht von ungefähr zur Neuauflage des vorjährigen Endspiels kam:
"Ich sage jetzt einmal, trotz allem haben mit Sicherheit zwei hochkarätige Mannschaften letztendlich das Finale erreicht, also Slavia Prag genauso wie Bayern München. Aber auch - ich sage jetzt mal ganz vorsichtig - der VfB Stuttgart, wir oder Faktor Ljubljana waren gut dabei. Da hat es letzten Endes wirklich nur an Nuancen gelegen, und man hätte jetzt sagen können: Wenn vielleicht das Spielfeld etwas kleiner gewesen wäre, dann wäre es vielleicht noch etwas enger zugegangen bzw. es wären insgesamt noch mehr Tore gefallen, es wäre eventuell noch etwas offener und ausgeglichener gewesen."
Ja, die eventuelle Verkleinerung des Spielfeldes, das war eine der ganz, ganz wenigen Anmerkungen, die einige der Teilnehmer zu machen hatten, als ich sie danach befragte, wo sie noch Verbesserungsmöglichkeiten bei der Ausrichtung dieses Events sehen. Ansonsten stimmten alle ein in den Tenor, den Ralf Schmidt so beschrieb:
"Es war wirklich ein hervorragendes Turnier von der Organisation her, und zwar vom ersten Tag an, als wir am Freitag in Franzensbad angekommen sind bis zum heutigen Tag hier in Hof - Unterkunft, Verpflegung vom Allerfeinsten, die Spiele auf sehr, sehr hohem Niveau am gestrigen Tag in Franzensbad genauso wie heute hier in Hof."
Das sportlich hohe Niveau wusste auch der Trainer des AC Sparta Prag, Petr Macek zu schätzen:
"Es ist einfach brillant, denn es kann durchaus sein, dass meine Jungs in ihrer Karriere schon nicht mehr gegen die Glasgow Rangers, den AC Fiorentina oder gegen St. Petersburg antreten werden. Also, die Jungs nehmen hier ein riesiges Erlebnis mit, denn nirgends steht geschrieben, dass sie noch nächstes Jahr oder später bei Sparta bzw. überhaupt noch Fußball spielen werden. Aber ihnen bleibt die Erinnerung, dass sie gegen solch erstklassige Mannschaften gespielt haben."
Und noch ein einmaliges Erlebnis sollte haften bleiben - die Begegnung mit Pavel Nedved, Europas Fußballer des Jahres 2003, am ersten Turniertag in Franzensbad. Der Mittelfeldstar von Juventus Turin, der im unweit gelegenen Skalna aufgewachsen ist, hatte sich über zwei Stunden Zeit genommen, den wahrscheinlichen Profikickern des kommenden Jahrzehnts seine Referenz zu erweisen und ihren Autogrammwünschen nachzukommen. Das sein begehrter Schriftzug für so manchen Knirps ein dauerhaftes Andenken werden sollte, das bestätigte mir der Bayern-Coach:
"Also die Jungs wollten alle Autogramme, da haben manche schon eines auf dem Arm gehabt, den sie dann gar nicht mehr waschen wollten."
Ganz kernig gewaschen hatte sich auch das Finale, in dem sich wie im Vorjahr der FC Bayern München gegen den SK Slavia Prag durchsetzte. Allerdings mit 2:1 nicht nur knapp, sondern in der Torentstehung auch etwas glücklich. Die technisch schon beachtlich versierten Prager wussten nämlich die körperliche Überlegenheit der Münchner durch ihre sehr ballsichere Spielweise wettzumachen. Slavias Assistenztrainer Ludvik Sekeras verriet mir daher auch:
"Als wir jüngst beim Turnier ´Goldener Ball´ in Berlin waren, das wir gewonnen und uns dabei gegen einen Großteil der Bundesligaspitze durchgesetzt haben, lobte uns der ehemalige deutsche Nationalspieler Andreas Möller für unsere gesamte Spielanlage, für die technische Ausbildung und für die gute Organisation unseres Mannschaftsspiels."
Aber nicht nur die sportliche Seite kam und kommt bei einem solch hervorragend organisierten Turnier zum Tragen, sondern auch die menschliche, ja Völker verbindende Komponente. Denn 14 Schülerteams aus zehn Staaten an einen Ort und beim abendlichen Empfang im INGO Casino zu Franzensbad buchstäblich an einen Tisch zu bringen, ist eine Meisterleistung. Das schweißt zusammen und bringt die jungen Europäer fürwahr viel näher, wie mir Ralf Schmidt bestätigte:
"Für Kinder gibt es eigentlich überhaupt keine Grenzen - so wie ja auch das Motto der Fußballschule ist, denn die Kinder verstehen sich, auch wenn sie die Sprache des Anderen nicht sprechen. So haben unsere Jungs sofort Freundschaft mit den Spielern aus St. Petersburg geschlossen, genauso wie mit den Jungs aus Warschau und auch mit denen der beiden tschechischen Clubs Sparta und Slavia Prag."
Deshalb ist es nicht verwunderlich, wenn der Werder-Scout letztlich gar euphorisch wird:
"Es ist das Erlebnis des Jahres und die ´Problematik´ ist eigentlich die: Es ist kaum noch zu toppen! Es ist ein Turnier für U-11-Junioren, d. h. wir sprechen von E-Junioren, da frage ich mich doch: Wo soll das Ganze noch hinführen, wenn bereits die E-Junioren solch ein Super-Turnier bestreiten?!"
Die Veranstalter um die beiden Macher, den Deutschen Gerald Prell und den Tschechen Pavel Marsik, ließen aber schon bei der Siegerehrung in Hof durchblicken, dass sie dieses Turnier gern zu einer Institution machen wollen. Marsik erklärte gegenüber Radio Prag:
"Ich will für mich sagen, dass wir bestimmt weitermachen werden. Wenn wir die nötigen Finanzmittel auftreiben und dadurch in der Lage sein werden, diese Aktion erneut durchzuführen, dann wollen wir das Niveau noch weiter anheben."
Wer die rührigen Organisatoren kennen gelernt hat, der weiß, dass das kein leeres Versprechen ist. Also dann, freuen Sie sich schon auf die dritte Mini-EM im Jahr 2006, die Sie nach Möglichkeit auch besuchen sollten.