Verkehr in Tschechien: Autobahn D1 wird mehr und mehr zum Nadelöhr

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Sommerzeit - Reisezeit. In der Tschechischen Republik aber wird diese Periode mehr und mehr zur Zeit der Leiden und der schwindenden Nerven. Denn gegenwärtig vergeht so gut wie kein einziger Tag, auf dem nicht von der böhmisch-mährischen Hauptschlagader, der Autobahn D1 von Prag nach Brno/Brünn, zwei, drei oder mehrere Verkehrsunfälle gemeldet werden. Das hat zur Folge, dass auf dieser Straßenverbindung inzwischen "deutsche Stau-Verhältnisse" herrschen. Warum dieses Dilemma auf die verfehlte tschechische Verkehrspolitik zurückzuführen ist und wie man diesen Problemfall zumindest etwas eindämmen will, dazu mehr von Lothar Martin.

Illustrationsfoto: Jana Šustová,  Radio Prague International
Die seit rund 30 Jahren betriebene und genutzte Autobahn D1 wird immer mehr zu einem Nadelöhr. Seit ihrer Inbetriebnahme ist das Verkehrsaufkommen um ein Mehrfaches gestiegen. Zudem stellt die D1, die derzeit von Prag bis ins mährische Vyskov führt, mit ihren Anschluss-Straßen und -Autobahnen auch die schnellste Verbindung zwischen Prag und Ostrava/Ostrau sowie Prag und der slowakischen Hauptstadt Bratislava dar. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass mit dem EU-Beitritt der vier Visegrad-Staaten Polen, Tschechien, der Slowakei und Ungarn am 1. Mai 2004 sowie mit Einführung der Lkw-Maut in Deutschland zu Jahresbeginn gerade diese Autobahn als attraktive, weil billige Transittrasse von Ost nach West, von Nord nach Süd und umgekehrt befahren wird. Insbesondere der Lkw-Verkehr hat drastisch zugenommen, da die auf dem 970 km langen Netz der tschechischen Autobahnen und Schnellstraßen zu zahlende Vignette vergleichsweise ein Schnäppchen ist gegenüber den in den Nachbarstaaten Deutschland und Österreich zu entrichtenden Mautgebühren. Das tschechische Verkehrsressort hat in dieser Hinsicht ganz einfach die Entwicklung verschlafen und flüchtet sich immer öfter in Durchhalteparolen, wenn es darum geht, der motorisierten Klientel zu erklären, wie man das Dilemma bis zur Einführung der eigenen Mautgebühr zum 1. Januar 2007 lösen bzw. zumindest abschwächen will. Auf dieses Datum verständigte sich nämlich die Prager Regierung auf ihrer jüngsten Sitzung am Mittwoch, ohne jedoch schon klare Vorstellungen darüber zu haben, ob die zukünftige Maut nur wie in Deutschland für Lastkraftwagen über 12 Tonnen oder aber wie in Österreich für alle Nutzfahrzeuge über 3,5 Tonnen gelten werde. Dazu will die Regierung erst am 29. Juni Stellung nehmen - einen Tag bevor sie die Ausschreibung zur technologischen Einführung des Mautsystems verkünden will.

Infolge der kaum noch zumutbaren Verhältnisse auf der Autobahn D1, die gerade in den Sommermonaten durch vermehrte Baustellen weiter erschwert werden, mehren sich die Stimmen nach einer alternativen Hauptverbindung zwischen Böhmen und Mähren. In diesem Zusammenhang wird derzeit der Bau der Schnellstraße R35 vom ostböhmischen Pardubice nach Mähren heiß diskutiert. Warum gerade diese Straßenverbindung in den Fokus des Interesses gerückt ist, dazu sagte Pavel Svagr vom Staatlichen Fonds für Verkehrsinfrastruktur:

"Wir würden sehr gern den Bau der Schnellstraße R35 so schnell als möglich realisieren, weil diese Trasse die außergewöhnlich hohe Beanspruchung der Autobahn D1 wirklich entlasten könnte. Für uns stellt sie eine sehr wichtige Verkehrsverbindung dar und daher werden wir nicht nur auf eine schnelle Vorbereitung der Bauarbeiten, sondern auch auf deren Wirtschaftlichkeit drängen. Das heißt auf jene Variante, die am schnellsten und zu vernünftigen Kosten durchführbar ist."

Das wiederum heißt nichts anderes, als dass man sich unter den Verkehrsplanern - wie vom Verkehrsausschuss des Pardubitzer Kreises empfohlen - für die so genannte Nordvariante entscheiden wird. Sie soll den gemachten Kostenvoranschlägen zufolge 10,2 Milliarden Kronen kosten, während die alternative Südvariante mit 13,7 Milliarden Kronen zu Buche schlägt. Die Nordvariante aber ist der ortsansässigen Bevölkerung ein Dorn im Auge, weil mit ihr wieder einmal - dem Kosten- und dem Zeitfaktor geschuldet - ein massiver Eingriff in die Natur erfolgen und eine Stadt wie Ceska Trebova von dieser Trasse buchstäblich überbrückt werden soll. Daher haben sich die Gegner der Nordvariante bereits formiert und durch Jiri Zednicek zum Ausdruck gebracht:

"Wir sind entschlossen, diesen Bau zu blockieren, zu verzögern und zu verlängern, und zwar solange, bis eine andere politische Situation, ein anderes Klima eintritt bzw. bis diese Entscheidung geändert wird."

Die in Tschechien hausgemachten Verkehrsprobleme bedürfen also endlich einer strategischen Lösung, in die eine gesicherte Finanzierung einbezogen ist.