„Böhmischer Lido“: der Mácha-See
Der Mácha-See liegt in der Nähe der Stadt Česká Lípa / Böhmisch in Nordböhmen und ist einer der beliebtesten Sommerurlaubsorte Tschechiens. Die Wasserfläche ist umgeben von Hügeln und Kiefernwäldern und gesäumt von Sandstränden, Hotels und Campingplätzen. Auf dem See fahren Ausflugsboote und verbinden die Urlaubszentren Doksy / Hirschberg und Staré Splavy / Thammühl am See.
Der Mácha-See, in der Umgangssprache auch als Mácháč gängig und bekannt, wurde früher als Großer Teich beziehungsweise Hirschberger Großteich bezeichnet. Seine Anfänge gehen auf das Mittelalter und Kaiser Karl IV. zurück. Der Herrscher ahnte damals sicher nicht, dass der Wasserspeicher einige Jahrhunderte später zu einem beliebten Bade- und Segelparadies werden würde. Renata Mauserová ist Historikerin am Kulturzentrum Kulturadoksy:
„Kaiser Karl IV. hat den Mácha-See anlegen lassen, und zwar 1366. Die Wasserfläche betrug ursprünglich etwa 300 Hektar, heute ist sie mit etwa 278 Hektar etwas kleiner. Über den See sind mehrere Sagen überliefert, eine bezieht sich auf dessen Gründung. Karl IV. bestieg demnach hier eine Anhöhe, den Schraubenberg. Er habe sich dann in der Umgebung umgeschaut und eine Senke mit einem Bach erblickt. Der Sage nach entschied er sich in diesem Moment, dort einen Teich anzulegen – den größten Teich unterhalb der Burg Bezděz.“
Auf den Spuren von Karel Hynek Mácha
Der Große Teich ist heute als Mácha-See bekannt. Und die umliegende Landschaft heißt Máchuv kraj – also Mácha-Land, zu Ehren des tschechischen Dichters der Romantik Karel Hynek Mácha. Er besuchte zu Beginn des 19. Jahrhunderts mehrfach die Gegend unter der Burg Bezděz und beschrieb sie in seinen Werken.
„Karel Hynek Mácha war erstmals 1832 hier. Er wanderte zu Fuß von Prag aus her. Die Landschaft, besonders die Burgruine Bezděz, und die vielen magischen Sagen begeisterten ihn. Er machte sie zum Handlungsort seines Gedichts ‚Mai‘. Karel Hynek Mácha war der erste, der den Großen Teich als See bezeichnet hat. In einem Heft, in dem er Ideen für das Prosastück ‚Die Nacht auf Bezděz‘ notierte, schrieb er von einer Insel auf dem Hirschberg-See. Die Kleinstadt Doksy trug damals nämlich den deutschen Namen Hirschberg.“
Máchas Liebesgedicht „Mai“ spielt direkt am Seeufer. Das Kurzepos ist eines der wichtigsten Werke der tschechischen Romantik, dank seinem Bilderreichtum gehört es bis heute zu den Fundamenten der tschechischen Lyrik:
Im Sträucherschatten still zerronnen
Rauschte der See geheimes Leid,
Das Ufer hielt ihn lang und breit;
Und fremder Welten helle Sonnen,
Sie irrten durch azurne Strähnen,
Loderten dort wie Liebestränen.
Soweit ein paar Verse in einer neuen Übersetzung von Ondrej Cikán.
Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts wurde der See zu einer beliebten Sommerfrische. Sie bekam sogar den Beinamen „böhmischer Lido“ in Anlehnung an den berühmten Badeort bei Venedig. In den Stadtchroniken von Doksy ist auch der erste Kurgast verzeichnet: Der Wiener Blumenhändler Franz Mayer erholte sich dort bei seiner Schwester von einer schweren Krankheit.
Sandstrände und Schifffahrten
Der Große Teich gehörte bis 1920 zu den Gütern der Familie Waldstein. Diese erteilten die Erlaubnis, ihn zum Baden zu nutzen, allerdings war dies nur an bestimmten Orten gestattet. 1928 wandelte sich auch die restliche Gegend zu einem Urlaubsort. Damals lebten dort mehrheitlich deutschsprachige Einwohner. Doch schon in der Zwischenkriegszeit gab es Bemühungen, den Großen beziehungsweise Hirschberger Teich in Mácha-See umzubenennen:
„In den 1930er Jahren wurden große Feiern abgehalten zum 100. Todestag von Karel Hynek Mácha und dem 100. Geburtstag seines Gedichts „Mai“. Die Tschechen wollten, dass der Große Teich den Namen des Dichters bekam, also Mácha-See. Zu einer offiziellen Umbenennung ist es jedoch nie gekommen. Aber nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Große Teich eigentlich nur noch als Mácha-See bezeichnet. Auf den Karten stand dennoch bis in die 1980er Jahre der Name ‚Großer Teich‘ und in Klammern dahinter ‚Mácha-See‘.“
Schon in der Zwischenkriegszeit waren die weißen Sandstrände und kleine Dampfer beliebte Attraktionen für die Besucher der Sommerfrische. Und die Boote verkehren bis heute auf dem See. Petr Hozák ist Leiter des Touristenzentrums Máchovo jezero:
„Am beliebtesten ist die Rundfahrt auf dem größten Dampfschiff Máj. Dieses wurde vor kurzem instandgesetzt. Die Fahrt dauert etwa eine Stunde lang und ist meist von Live-Musik begleitet. Wir starten in der Regel an Ostern. Nach der Saison bieten wir auch Advents- und Weihnachtsfahrten an. Jetzt in der Hochsaison können sich die Besucher unter anderem über Nachtfahrten freuen. Neben Ausflugsbooten gibt es hier aber auch einen Linienverkehr mit zehn Haltestellen am Ufer des Mácha-Sees.“
Im See befinden sich zudem zwei kleine Inseln. Sie heißen Mäuseschloss und Enteninsel. Viele Besucher mieten sich ein Tretboot oder ein Ruderboot und unternehmen damit Ausflüge auf dem See. Doch die Inseln darf man nicht betreten. Sie stehen unter dem Naturschutz, weil dort seltene Vögel nisten.
Eine Sage über die Entstehung der Inseln erzählt von einer Wette zwischen einem Müller und dem Teufel. Der Müller verkaufte seine Seele an den Teufel, weil er ein Leben ohne Arbeit führen wollte. Um später nicht in die Hölle zu kommen, schlug er dem Teufel eine Wette vor: Wenn er es schaffe, in einer Nacht einen höheren Berg als der Teufel aufzuschütten, werde er vor den Flammen der Hölle bewahrt. Und das gelang ihm auch, und zwar mit Hilfe einer Zauberschürze. Renata Mauserová erzählt weiter:
„Der Berg des Müllers war wirklich ein Stück höher als der des Teufels. Der Teufel flog daher zu einem Steinbruch im nahen Jestřebí und holte von dort zwei Riesensteine. Als er auf dem Rückflug gerade über dem Großen Teich war, krähte der Hahn und kündigte den Morgen an. Der Teufel verlor seine Kraft und ließ die Steine mit großem Geschrei ins Wasser fallen. Und das sind heute die Mäuse- und die Enteninsel.“
An Der Kreuzung von Wanderwegen
Würden der Begründer Karl IV. und der Romantiker Karel Hynek Mácha heute den See besuchen, dürften sie sich ziemlich wundern. An den Stränden liegen die Badegäste dicht an dicht, und ein Campingplatz reiht sich an den anderen. Der Mácha-See ist auch für seine Beachpartys und Sommerfestivals bekannt. Wer aber nicht nur am Wasser liegen beziehungsweise in Strandbars abhängen und die neuesten Discohits hören will, kann auch bei Wanderungen durch die umliegenden Kiefernwälder streifen. Der rot markierte Mácha-Weg führt von Doksy zur Königsburg Bezděz / Bösig aus dem 13. Jahrhundert. Dort sind noch Teile des königlichen Palastes und einer frühgotischen Kapelle erhalten. Die Burgruine erreicht man nach etwa sieben Kilometern und einem steilen Anstieg. Petr Hozák empfiehlt aber auch weitere Wander- und Radwege in der Umgebung:
„Sie führen um den Mácha-See herum, aber auch in weiter entfernte Gegenden. Kokořínsko ist ein schönes Tal, das von Sandsteinfelsen gesäumt ist. Ein weiterer Weg führt zur Burg Bezděz und weiter in das Gebiet von Ralsko. Und in der anderen Richtung liegt das sogenannte ‚Höllental‘ bei Česká Lípa. Der Mácha-See liegt eigentlich an einer Kreuzung von Wanderwegen. In unserer Umgebung befinden sich viele Burgen und Schlösser, neben Bezděz ist das auch die Burg Houska. Zudem wird das Schloss in Doksy bald zugänglich gemacht. Dorthin ist neuerdings das Čtyřlístek-Museum umgezogen, in dem es um das gleichnamige bekannteste tschechische Comicmagazin geht.“